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(c) Pester Lloyd / 19 - 2015   WIRTSCHAFT    05.05.2015

 

Kritik auf Wiener Konferenz: Wie Ungarn den Mehrwertsteuerbetrug fördert

Bei einem Treffen der Wirtschaftsminister von Ungarn, Tschechien, Österreich, der Slowakei und Bulgarien in Wien, wurde die Notwendigkeit gemeinsamer Maßnahmen zur Eindämmung und Bekämpfung von Mehrwertsteuerbetrug betont. Ungarns Vertreter log dabei, dass sich die Balken bogen. Denn sein Land ist die regionale Triebfeder der teuren Karusselle.

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Die länderübergreifenden Mehrwertsteuer-Karusselle betreffen alle Staaten, allein in Ungarn gehen dem Staat durch diese Betrügereien jährlich geschätzte 1,5 bis 2 Milliarden Euro, also rund 2% des BIP durch die Lappen.

 

Der ungarische Wirtschafts- und Finanzminister Mihály Varga (Foto) schlug in Wien nun wieder einmal vor, dass die sog. Reverse VAT, also die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft vom Verkäufer auf den Käufer bzw. vom Lieferanten auf den Empfänger die Lösung bringen soll. Man habe damit angeblich bereits bei Getreide, wo man diese Regelung einführte, gute Erfahrungen gemacht, leider habe jedoch die EU-Kommission die Ausweitung auf Zucker untersagt.

Vargas Auftritt in Wien war ein Kabinettstückchen tiefster Verlogenheit. Die EU hat nämlich nicht die Reverse VAT auf Zucker, sondern - den für alle geltenden Regeln gemäß - nur die Einführung noch eines neuen Mehrwertsteuersatzes untersagt, den Ungarn an die Reverse VAT für Zucker knüpfen wollte.

Hinsichtlich der Bekämpfung der Steuerkarusselle - und das haben Varga die Ministerkollegen hinter verschlossenen Türen auch deutlich gesagt - ist allein die extrem hohe Mehrwertsteuer in Ungarn auf die meisten Lebensmittel und Agrarprodukte (27%) bzw. die daraus resultierende hohe Differenz zu den Steuerraten in den Nachbarländern das Problem. Durch die Reverse-VAT kann dem nur teilweise begegnen.

 

Ungarn treibt diese Karusselle damit direkt an. Bei denen handelt es sich übrigens um hochprofessionelle, organisierte, Kriminelle, die in weit verzweigten, meandernden Firmennetzwerken ihre Scheingeschäfte tätigen und meist abtauchen können, bevor sie dingfest zu machen sind. In der in Ungarn praktizierten Größenordnung sind diese "Fahrbetriebe" jedoch ohne Amtsbeihilfe, zumindest aber -duldung nicht durchführbar und z.B. die USA hatten durch ihre Einreiseverbote gegen die Chefin des ungarischen Finanz- und Zollamtes NAV (und wahrscheinlich 2-3 ihrer Stellvertreterinnen) klar artikuliert, wen sie für diese Betrügereien mitverantwortlich machen. Auch die Hinweise von Insidern weisen in diese Richtung.

Dass die ungarische Regierung der von vielen Seiten gestellte - und auch sozial dringend gebotenen - Forderung nach deutlicher Reduzierung der Mehrwertsteuersätze im Agrarsektor und bei Lebensmitteln auf das Maß der Nachbarländer nicht (
bzw. nur partiell) nachkommt, hat zwei wesentliche Gründe: die Macht, die Verbindungen und das Wissen des Steuerbetrugs-Kartells und der darin involvierten oder davo profitierenden Politiker sowie die Struktur des ungarischen Steuersystems. Dieses entlastet Profite (10-19%) und Einkommen (Flat tax 16%, ab kommendem Jahr 15%) massiv auf Kosten des Konsums, was zwar zutiefst unsozial, aber im Kontext der konsequent ständischen Wirtschaftspolitik der Orbán-Regierung logisch ist.

Senkt die Regierung also die Áfa in einem so umsatzstarken Bereich, ist sie gezwungen andere Steuern anzuheben. Da im "Mindestlohnland" Ungarn bei den normalen Arbeitnehmern aber nichts mehr zu holen ist, müsste Fidesz an die Besserverdiener und Vermögenden herantreten, die man in den letzten vier Jahren mit zweistelligen Einkommenszuwächsen zur Klientel gezüchtet hat. Das ist aus machtpolitischen Erwägungen heraus undenkbar.

red. / cs.sz.

 

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