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(c) Pester Lloyd / 20 - 2015   WIRTSCHAFT    12.05.2015

 


Kleiner Offenbarungseid: Regierung von Ungarn muss selbst beschlossene Schuldenbremse lösen

Die von der Orbán-Regierung mit großem Pathos in die Verfassung aufgenommene Schuldenbremse im sogenannten "Stabilitätsakt" fällt nun auf sie selbst zurück. Um zu verhindern, dass das Budget 2016 verfassungswidrig wird, muss die Verfassung - einmal mehr - geändert werden. Verkauft wird das als "notwendige Förderung des Wirtschaftswachstums."

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Die drei Wirtschaftsweisen aus dem Magyarenland: Ex-Finanzminister und heutiger Nationalbankchef , György “Matman” Matolcsy, Premier Viktor “Ich bin ein Plebejer” Orbán und Mihály “...” (Vorschläge erbeten) Varga.

Die Konstitution sieht nämlich bestimmte Stufen der Verringerung der Staatsschuldenquote vor, die unter den gegebenen Umständen nicht erreichbar sind. Fidesz hatte diesen Passus in Verfassungsrang gehoben, um sich von den "Schuldenregierungen" der sozial-liberalen Regierungen abzusetzen und die "Schuldensklaverei" Ungarns zu beenden. Finanzminister MAtolcsy hymnisierte damals, dass "dies eine moderne Regelung ist, die uns helfen wird. Die Schuldenbremse ist modernste Regelung in ganz Europa, es ist eine großartige Errungenschaft, wir schreiben damit Wirtschaftsgeschichte..."

 

Die Regelung sieht konkret vor, dass der Staatshaushalt, bis er eine Schuldenquote des BIP von maximal 50% erreicht hat (derzeit - und nur Dank vieler Einmaleffekte, Tricks und neuer EU-Berechnungsemthode knapp unter 75% des BIP, in absoluten Zahlen ist die Verschuldung auf Allzeithoch), nur ein neues Haushaltsdefizit von der Hälfte der Differenz zwischen der Inflationsrate des Vorjahres und dem erwarteten BIP-Wachstum aufnehmen darf. Das wären für 2016, nach jetzigen Daten, gerade 0,4% des BIP, vorgesehen sind jedoch 3,3% (also auch über Maastricht).

Der Haushaltsrat, der den in diesem Jahr weit vor der Zeit eingereichten Haushaltsplan begutachtete, warf dem Finanzminister nun einen Ball zu, in dem er empfahl "im Interesse des Wirtschaftswachstum" die entsprechenden Passi im Gesetz (er erwähnte nicht, dass es sich um das Grundgesetz handelte), "zu ändern oder zu eliminieren", ansonsten müsse man nämlich eine Korrektur von mindestens 700 Mrd. Forint (grob 2,3 Mrd. EUR bzw. 2,3% des BIP) vornehmen.

Beließe man es bei Status quo würden Regierung und Parlament ein Veto des Fiskalrates riskieren, das Folgen bis hin zur Auflösung des Parlamentes haben könnte, - eine Weiterung, die Orbán eigentlich für den Fall einbauen ließ, dass die Opposition einmal wieder an die Macht gelangt. Er könnte sie so blockieren, die Abgeordneten würden sich sogar strafbar machen, wenn sie einem verfassungswidrigen Etat zustimmten. Diese Regelung müsste nun auf ihn selbst zurückfallen, daher dieser Spagat. Bereits 2011 hatte man die Deadline für das Greifen der Schuldenbremse verschoben, eben auf 2016.

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Entwicklung der Staatschulden seit der Wende (Rot brutto, gelb nett). Da auch das BIP tendentiell wächst, steigen die absoluten Schulden munter weiter.

Die auch von westlichen Kreisen, vor allem den an neoliberalen Messtandards orientierten "Analysten", aber auch gerade kürzlich der deutschen Botschafterin gelobte "Haushaltsdisziplin" der Regierung Orbán ist ein finanzpolitisches Schurkenstück der besonderen Art und baut auf massivem Sozialabbau, Sondersteuern, rund 7%-BIP-Anteil durch EU-Mittel, Sondersteuern für Verbraucher und bestimmte Branchen und die Auslagerung von öffentlichen Schulden in staatliche bzw. teilstaatliche Unternehmen (Bsp: MVM). Wirklich strukturelle Reformen des Haushaltsgefüges fanden nie statt, im Gegenteil, die planwirtschaftlichen Ambitionen erhöhen die Ausgaben für Zukäufe und Verwaltungsappart ernorm, auch die vielen Luxusprojekte der Regierung von Stadien über Amtssitzausbau kosten Unsummen.

 

Die Eile, die von der Regierung in diesem Jahr für das neue Budget an den Tag gelegt wird (normalerweise werden die erforderlichen Gesetze dafür im November / Dezember durchgewunken), hängt u.a. mit dem Verlust der 2/3-Mehrheit zusammen. Da Orbán den politischen Konkurrenzkampf mit der ihn bei der Wählergunst bedrängenden Jobbik massiv verschärft, könnte es zu einer Situation kommen, dass die fidesz-nahen Jobbiklerkünftig nicht mehr - wie kürzlich bei einer Verwaltungsreform - durch Fernbleiben dem Fidesz den 2/3-Weg ebnen. Die Schuldenbremse steht in einem Kardinalsgesetz, braucht also keine qualifizierte 2/3-Mehrheit (aller Abgeordneten), sondern nur eine realtive aller anwesenden Abgeordneten (bei Beschlussfähigkeit).

Details und Hintergründe:
Ungarn setzt Maßstäbe für ganz Europa: Budget- und Steuerpläne für 2016

red. / cs.sz.

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