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(c) Pester Lloyd / 21 - 2015   WIRTSCHAFT    22.05.2015

 

Kommt ihr uns mal nach Hause! Wie Ungarn ausgewanderte Landsleute zurück holen will

Eine nette Posse zwischen "Homeland & Neuland" spielt sich derzeit um das Regierungsprogramm "Gyere haza fiatal" (Komm nach Hause, Jugend!) ab, das möglichst viele der Zigtausenden, in den letzten Jahren ausgewanderten Ungarn zurück in die Heimat locken soll. Der Programmchef kann sich vor dem Ansturm kaum retten, was bei näherer Betrachtung auch kein Wunder ist.
 
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Laut Ministerium sind es mal 600.000, die seit 2010 auswanderten, mal aber auch "nur" 335.000, die aus "wirtschaftlichen Gründen derzeit nicht in Ungarn leben". Was ist mit der Differenz? Prasst die womöglich als "Privatier", macht eine Ausbildung in Lausanne oder regelt seine Kontoangelegenheiten in Wien? Hier mehr dazu:
Die große Flucht: Deprimierende Zahlen und Hintergründe zur Auswanderung aus Ungarn

Der zuständige Staatssekretär Sándor Czomba kündete jetzt auf dem Staatssender M1 (Fidesz-TV) von dem überwältigenden Erfolg, den das Programm, das sich zunächst - aus
naheliegenden Gründen - auf Großbritannien stürzt, bereits wenige Tage nach dem offiziellen Start verzeichnen könne, weil die Menschen erkennen, dass wir "hochwertige Jobs und ein gutes Auskommen" anbieten. Da muss sich seit letzter Woche aber einiges schlagartig geändert haben, denn gerade gingen die Abwanderungsquoten erneut in neue Höhen und eine weitere Million sitzt praktisch auf gepackten Koffern. Aber das ist wahrscheinlich Feindpropaganda.

"Jeden Morgen aktualisieren wir die Daten, mittlerweile haben sich bereits 40.000 junge Leute über Facebook (siehe:
https://www.facebook.com/gyerehazafiatal ) registriert", so der Staatssekretär, über 500 hätten bereits die "Antragsformulare" für derzeit noch bescheidene 300 Jobs ausgefüllt. "Viele wollen zurück und es ist nicht die Einkommenshöhe, die sie daran hindert". (Was dann, westliche Geiselnahme?) In einer ersten Runde würden mit 100 Mio. Forint (ca. 300.000 EUR) rund 50 Jobs für Rückkehrer subventioniert, Hilfen bei der Wohnungssuche und beim Umzug angeboten.

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“Held der Arbeit”, ungarische Version 2015. Bild-Kommentar auf Facebook zur Situation in der Heimat.

Wie auch immer, mit ein paar Klicks schauten Kollegen eines Wirtschaftsmagazins nach. So mag es sein, dass sich täglich 40.000 Ungarn auf Facebook registrieren, auf der Seite des Programmes sind es jedoch bis jetzt (Stand: 18:59 Uhr) nur 387. Mit dieser Zahl konfrontierte man das Wirtschaftsministerium. Das Vorzimmer Czombas reagierte prompt: Ja, es sind 40.000, "Reichweite". Das ist die Zahl die Facebook aus den Views ermittelt, was nichts anderes bedeutet, dass vielleicht 40.000 einen Blick auf das Angebot warfen, sich aber 39.613 angewidert oder desinteressiert abwandten. Die Kollegen meinen eher: der Staatssekretär sei in den Weiten der Social Media irgendwie verschollen. Neuland eben.

 

Wir warfen auch einen Blick auf die Webseite, die das Logo eines ganz kleinen Häuschens mit einem heimeligen, offenen Feuer ziert, das eher so aussieht als hätte ein Pyromane das neue Logo der Wüstenrot entworfen. Wir wundern uns, dass nicht sofort alle Auswanderer (Orbán sagt: es sind keine Auswanderer, sondern Wirtschafts-Urlauber) stante pede nach Ungarn zurückströmen: Nach logisch klingenden Apellen, das Land doch mit seinen internationalen Erfahrungen zu bereichern, also am nationalen Aufbau teilzunehmen und das in der Nähe der Familie, in der Heimat, nicht in der Fremde, wird man deutlicher. Ein Artikel wird eingeleitet mit: "Im Ausland Arbeitende denken oft nicht daran, dass die ungarische Sozialversicherung nur pausiert. Diese "Vergesslichkeit" kann eine Strafe von mehreren Hunderttausend Forint nach sich ziehen...". Das klingt wirklich einladend. Danke, Herr Czomba, wir kommen! Jobangebote einsehen kann man nur nach Anmeldung mit Namen, Adresse und Email, damit man gleich eine Liste dieser "Vergesslichen" anlegen kann, Herr Czomba?

Am besten sind aber die "Erfolgsgeschichten" auf der Webseite. Bis jetzt gibt es Drei. Alle sind bei ihrer Rückkehr bei ein und derselben Firma untergekommen (einer T-Systems-Tochter). Ihre Auslandsaufenthalte müssen der Horror gewesen sein. Csilla wurde von Arbeitsvermittlern in der britischen Hotelbranche herumgereicht, "die Arbeit war schwer" und hatte gar nichts zu mit dem zu tun, was sie gelernt hatte. Und sie verging fast vor Heimweh. Attila fühlte sich in Österreich ausgeschlossen, weil er - dort angekommen - merkte, dass "man hier Deutsch können muss". Der dritte hatte sogar das Pech in Deutschland zu arbeiten, müssen wir mehr sagen...?!

red.
 


 

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