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(c) Pester Lloyd / 21 - 2015   BOULEVARD    22.05.2015

 

Er entscheidet, wer gewinnt: Ex-US-Botschafterin plaudert aus ungarischen Nähkästchen

Die in Buchform erschienenen Erinnerungen der ehemaligen US-Botschafterin in Ungarn, Eleni Tsakopoulos Kounalakis, haben die Regierungsspitze zumindest an einer Stelle in Erklärungsnot gebracht und sollten die EU-Antibetrugsbehörde auf den Plan rufen. Denn sie legen offen, dass Orbán allein bestimmt, wer in Ungarn Ausschreibungen für EU-finanzierte Projekte gewinnt.

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Kounalakis beschreibt in dem Werk "Drei Jahre Diplomatie: Dinnerparties und Demokratie in Budapest" (Verlag: The New Press, New York) lang und breit ihre Budapester Zeit. Es ist eine eher peinliche Schilderung der eigenen politischen Unbedarftheit, die nur das Vorurteil bestätigt, dass die USA keinen Schimmer von Europa haben und sich für die Länder nur in dem Maße interessieren, wie sie ihren globalen Ambitionen dienlich sein könnten.

21kouhendeInteressant werden die Einblicke eigentlich nur, wenn ungarische Größen in O-Tönen zitiert werden, so liefern zum Beispiel die Schilderungen des Verteidigungsministers Hende in diversen Situationen das Drehbuch für eine ganze Sitcom. Die Komik ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass Kounalakis diese Witzfiguren konsequent ernst nimmt und so schildert als handelte es sich um selbstständig denkende und handelnde, politische Persönlichkeiten. Die dabei vorkommenden Kollisionen mit der Wirklichkeit haben Comedy-Potential, das Kounalakis bis heute nicht erkannt zu haben scheint.

Der politisch schwierigste Moment für die "Diplomatin" war der Moment als sie Orbán erklären sollte, dass er nicht (!) von der NSA abgehört worden war, was diesen schwer getroffen zu haben scheint, weil er sämtliche Geheimdienste in Bewegung setzte, um eventuell doch noch ein Abhörprotokoll finden zu lassen....

Kounalakis, die, wie die meisten US-Diplomaten nicht nach fachlicher Qualifikation, sondern als Dank für ihren Einsatz im demokratischen Wahlkampf ernannt wurde, belegt die Behinderungen, die "political apointees" mitbringen. Sie brauchte wirklich sehr, sehr lange, bis sie verstand, dass die üblichen Wege demokratischer Entscheidungsprozesse in Ungarn alle nur zu einer Person führten und von derselben ausgingen. Der
englischsprachige Blog "Hungarian Spectrum" hat eine dreiteilige Rezension des Buches mit ein paar Highlights verfasst, die wir unseren Lesern hiermit empfehlen möchten.

Eine Stelle des Buches sorgt im politischen Budapest dann doch für Unruhe: In einem Abschnitt spricht die Ex-Botschafterin Klartext, sinngemäß: Premier Orbán setzte sich regelmäßig mit der (damaligen) Enwicklungsministerin an einen Tisch, um die anstehenden Entwicklungsprojekte durchzugehen (Ausschreibungen für EU-geförderte Projekte). Er diktierte dabei, welche Projekte Priorität eingeräumt werden sollte und "wer sie gewinnt".

Kanzleramtsminister János Lázár (dem die Zuständigkeit für die EU-Milliarden übertragen wurde), der diese Offenbarung des
Offensichtlichen nicht gelten lassen will, erklärte auf der gestrigen Regierungs-Pressekonferenz, den "wahren" Ablauf von Ausschreibungen für EU-Struktur- und Entwicklungsfonds. Danach geht natürlich alles seinen sauberen Gang, der "Premier entscheidet nie über einzelne Ausschreibungen mit seinen Ministern, noch bekommt er diese überhaupt zu Gesicht". Er kümmere sich lediglich "um Entwicklungspolitik, basierend auf haushaltspolitischen Erwägungen". Natürlich.

Orbán selbst sagte dazu, "natürlich" würde er die Strukturpolitik mit seinen Ministern steuern, "ich würde mich wundern, wenn es in anderen Ländern anders laufe". Auf den wesentlichen Satzteil ging er nicht ein.

Kounalakis` Platz blieb nach ihrem Rückruf über ein Jahr unbesetzt, der Gesandte, ein gewisser André Goodfriend, übernahm die Geschäfte.
Mehrere offene Eklats, deutliche Worte zu "systematischer, amtlicher Korruption" und mindestens sechs US-Einreiseverbote u.a. gegen die Chefin der Steuerbehörde waren die Ernte seiner Dienstzeit. Der sollte man ein Buch schreiben! Dann kam mit Colleen Bell eine weitere Spendensammlerin Obamas, Produzentin von "Reich und Schön". Sie wurde am Airport mit "Rosen ohne Dornen" empfangen, Goodfriend nach Amerika geschickt.

 

Die ungarische Regierung hat mehrere Millionen Euro in die Hand genommen, um sich durch "Beratungsaufträge" gute Stimmung in Washington zu kaufen. Ex-Entwicklungsminister Fellegi verwaltet zu diesem Zweck eine dubiose 12 Mio. EUR-schwere Stiftung in den USA, das Regierungsinstitut Századvég erhielt gerade weitere 1,4 Mrd. Forint für Lobbyarbeit in den USA, Orbáns "Geheimrat" Habony gründete in London eine eigene Firma dafür.

Die Shoppingtuor trägt bereits Früchte. Die republikanischen Kongressabgeordneten Connie Mack und Dana Rohrabacher, Begünstigte dieses Budapester Sponsorings sowie der republikansiche Spin Doctor Finkelstein, Geschäftspartner Habonys, aber auch Herr Volker vom McCain-Institut (ausgerechnet jenem, dessen Namensgeber Orbán noch vor nicht so langer Zeit als neonazistischen Diktator beschimpfte, offenbar um derart “Schweigegeld” einzufordern) leisten ganze Arbeit und vermeldeten gestern nach Budapest, dass "die Diffamierung der ungarischen Regierung vor dem Kongressausschuss gescheitert" sei.

red.


 

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