Hauptmenü

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

 

andrassy2015neu2

 

(c) Pester Lloyd / 21 - 2015   POLITIK    18.05.2015

 

Der Swinger-Club der Kalten Krieger: Die NATO strickte in Ungarn weiter an alten Mustern

Bei seiner dreitägigen Frühjahrstagung in Budapest kuschelte sich die NATO einmal mehr in ihre angestammten Verhaltensmuster, es wehte der Spirit des Kalten Krieges, der vor allem in der Pflege von Feindbildern und der Fixierung auf die Expansion besteht. Man hat den Eindruck, die tonangebende Garde kann einfach nichts Anderes. Fazit: Weder mit Russland, noch mit der NATO ist derzeit "Staat" zu machen.

21natosummit (Andere)
Das spießig historisierende Ambiente des Budapester Parlamentes war wie gemacht für die Ambitionen der NATO-Frühjahrssessionisten...


Wie du mir, so ich dir...

Viele Redebeiträge der alten und neuen Kämpen des Militärbündnisses, beim Frühjahrstreffen vom Freitag bis Sonntag in Budapest, machten fast einen erleichterten Eindruck ob der Provokationen Russlands, die die Vorlagen liefern, um sich in alten Mustern zu üben und die Sinnsuche nach der 90er Wende zu beenden. Die völkerrechtlichen und sicherheitspolitischen Linienüberschreitungen der Russen lösen dabei Reflexe aus, die wiederum in einen Teufelskreis führen, der die Welt mehr als 40 Jahre an den Rande des Abgrunds trieb und hielt.

 

Denn dass die Erweiterung der NATO gerade zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht nicht der taktisch schlaueste Vorschlag ist, liegt für jedes "Nachkriegskind" auf der Hand. Der Verzicht auf eine Expansionsrhetorik hätte dabei nichts mit Kleinbeigeben gegenüber Putin zu tun, eher schon mit einer Deeskalation, der Vernunft des Klügeren, denn sie würden das brusttrommelnde Gehabe der anderen Seite umso lächerlicher und verlogener aussehen lassen. So sehen wir nur zwei Imperien, die ihre mangelnde Existenzberechtigung durch Aggression kompensieren. Hatten wir schon. Brauchen wir nicht.

Ukraine bleibt Eingliederungsziel Nr. 1

Auch der Gastgeber, Ungarns Parlamentspräsident László Kövér von der Orbán-Partei, in der Innenpolitik ein ausgewiesener
Antidemokrat und bekennender Antieuropäer, angefüllt mit antisemitischem und revanchistischem Gedankengut, will vor allem die Beitrittskandidaten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Montenegro, Moldau sowie Georgien - und damit auch zwei ehemalige Sowjetrepubliken - alsbald in der NATO sehen.

Der amerikanischen Seite geht das nicht weit genug, mit einem Ozean zwischen sich und den Kriegsregionen lässt sich leichter Öl ins Feuer gießen. Jedes Land habe das Recht über seine eigene Zukunft zu entscheiden. Soll heißen, die Ukraine ist und bleibt weiter ein Ziel der NATO-Eingliederung, koste es die Europäer auch, was es wolle. Die Ungarn erwähnten die Ukraine wohlweislich nicht.

Ungarn hat die "Visegrád Vier" zerstört

Ungarn, dessen - gelinde gesagt - Schaukelpolitik zwischen Bündnistreue und Anbiederung an Russland (und andere Vorzeigedemokratien der östlichen Welt) nicht nur Stirnrunzeln hervorruft, sondern für Ungarn ganz praktische Auswirkungen zeitigt (z.B. die verstärkte energetische und finanzielle Abhängigkeit von Russland durch den Atomdeal etc.), übte sich in persona ihres Verteidigungsministers Hende in den üblichen Treueschwüren.

Ungarn beteiligt sich
ab Ende des Monats mit rund 150 (bis 300) Mann im Kampf gegen den IS, die Rüstungsausgaben würden nun jährlich angehoben (2016 mit 300 Mrd. HUF, rund 900 Mio. EUR bzw. rund 1% des BIP und ein Sechstel mehr als 2015), etc. - Bekenntnisse und Maßnahmen, die nicht nur "billig" sind, sondern auch weiter die Doppelgleisigkeit ermöglichen - nicht im Interesse des Friedens, sondern aus purem nationalen Egoismus. Wer einmal in die Geschichtsbücher geschaut hat, weiß, wie ungarische Schaukelpolitik enden muss und wer den Preis dafür zahlen wird.

Pathologische Polen, verhurte Ungarn

Zunächst bedeutet Ungarns Russlandpolitik ganz praktisch, dass das Visegrád Vier Bündnis (mit Slowakei, Polen, Tschechien), das eigentlich ein stabiler Anker im unsicheren Meer Osteuropas sein sollte, politisch beerdigt ist. Ungarn wollte es dominieren, doch die Pole des historisch wie nun bald pathologisch russophoben Polen und der politischen Hure mit dem schlechten Blick für den geeigneten Freier, Ungarn, sprengten die Gemeinsamkeiten. Die Polen machen´s jetzt lieber mit den Balten, die Tschechen und Slowaken halten sich dezent zurück, mit dem Rücken an den Westen gelehnt, Ungarn macht´s sich lieber selbst. Die NATO/EU als Swingerclub...

Die Wortmeldungen im Plenum blieben so ungefähr wie vorhersagbar: Russland versuche die Militärallianz der NATO auseinander zu dividieren. "Einheit ist unseres Stärke, Uneinigkeit unsere Schwäche - der Kreml weiß das, profitiert davon und testet unsere Grenzen aus", ließ der lettische Vertreter wissen. "Das ist ein Test für die NATO, es gibt keinen wichtigeren Test...", ergänzte der US-Kongressabgeordete Gerald Connolly.

Der ungarische Chef-Transatlantiker István Gyarmati vom "Centre for Euro Atlantic Integration and Democracy" forderte, man müsse "Moskaus Sprache sprechen, eine zwingende Sprache." Das fordere "Solidarität, die Einheit von NATO und EU, auch wenn es schmerzt, selbst wenn wir mehr Sanktionen brauchen, sogar, wenn es Aufrüstung bedeutet. Nun, die Rückkeher einer EU-Fahne ins ungarische Parlament - anstelle jener einer siebenbürgischen Separatistenbewegung, die sich gern als "Volks...Irgendwas" betitelt - wäre vielleicht ein erster, kleiner Schritt dieser "Solidarität"...

Wettlauf der "Lügenpresse": Propaganda gegen пропаганда

Besonders hilfreich dürfte der polnische Beitrag sein, der Abgeordnete Witold Waszczykowsi rief die NATO auf "schnell und kreativ auf Russlands Multimillionen Dollar Propaganda zu reagieren, um die Herzen und Hirne der Öffentlichkeit zurück zu gewinnen." Dazu solle man "professionellen, investigativen Journalismus promoten, um die russische Propaganda aufzudecken". "Geschwindigkeit ist hier der Schlüssel und in diesem Sinne liegen wir klar hinter der russischen Medienmaschinerie".

Übersetzt: Westliche Journalisten sollen auf die dümmliche, verlogene Kriegspropaganda der gekauften bzw. zensierten russischen Seite (liebe Putin-Fans, es ist leider so, der Autor dieser Zeilen spricht fließend Russisch und tut sich die Nachrichten täglich an...) mit einer ebensolchen Lügen- und Hasswalze antworten. Das ist ein ausgesprochen dämlicher Plan, der so ziemlich allem widerspricht, worin sich das westliche, liberale Demokratiemodell überhaupt vom derzeitigen russisch-nationalistischen Autokratismus unterscheidet. Der polnische Vorschlag verlangt nicht weniger, als dass sich der Westen möglichst auf das gleiche Niveau begibt. Die Medien sollten dankend ablehnen.

Für Menschenrechtsverletzungen und failed states übernimmt niemand die Verantwortung

 

Viel mehr als ein "Vorwärts immer, rückwärts nimmer" hatten die transatlantischen Friedensengel nicht zu bieten, weitere Redebeiträge sehnten geradezu einen baldigen "Bündnisfall" herbei, ein Vertreter der Krimtataren verlaß eine Liste von Menschenrechtesverletzungen gegen das muslimische Volk. Eine Showeinlage auf dem Niveau des russischen Staatsfernsehens! Denn, so wahrhaftig dieses Leiden sein mag, ist es doch kaum vergleichbar mit dem Wahnsinn und Elend, das der Bündnis-Primus der NATO, die USA, im Mittleren und Nahen Osten über die letzten Jahrzehnte - in bester Absicht, versteht sich - gestiftet hat und für das er sich genauso weigert, die Verantwortung zu übernehmen, wie sich die russische Führung weigert, ihre Verantwortung für den anhaltenden Krieg ihrer Leute in der Ostukraine zu übernehmen.

Mit Beiden - Russland und NATO - ist zur Zeit einfach kein Staat zu machen, schon gar keine friedliche Welt, daraus sollte die Menschheit entsprechende Konsequenzen und daher gegen Beide an einem Strang ziehen.

red. / m.s.

 

Unabhängiger Journalismus braucht
die Hilfe seiner Leserinnen und Leser!
18watchingYoupl (Andere)
Unterstützen auch Sie den PESTER LLOYD!

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

Unterstützen Sie den Pester Lloyd!