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(c) Pester Lloyd / 21 - 2015   POLITIK    21.05.2015

 

Warnung aus Washington: Orbáns Ungarn auch auf der Agenda des US-Kongresses

Praktisch zeitgleich mit der Debatte im EU-Parlament in Straßburg, war Ungarn am Dienstag auch Thema des Außenpolitischen Komitees des US-Kongresses. Die USA fürchten, dass Orbáns Gerede von einer "illiberalen Demokratie", über die Abkehr von westlichen Werten und Bündnissen direkt in die Arme von Putins Russland führt. Von der EU wünscht man sich mehr Härte.

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Ungarns Premier Orbán, von der NATO und den USA in die Zange genommen. Für ein exklusives Treffen mit dem ungarischen Premier hat das Weiße Haus zur Zeit “keine Zeit”.

Die in Europa bearbeiteten Ärgernisse um eine fremdenfeindliche Radikalisierung der Gesellschaft und die absurde Debatte um die Todesstrafe, die Orbán angeschoben hat, interessieren die USA naturgemäß überhaupt nicht. Einzig und allein der Abfall eines Verbündeten in der sorgsam gepflegten Front gegen Russland, macht den Amerikanern Sorge, die - im Unterschied zu denmaßgeblichen Kräften in der EU - glauben, dass eine möglichst starke ökonomische Schwächung Russlands Vorteile bringen würde.

Hoyt Yee, ein Vizesektionschef für Europäische Angelgenheiten beim State Departement und damit Kollege der famosen Viktoria Nuland, listete den über europäische Einzelverhältnisse meist nicht überinformierten Abgeordneten einige Highligths Orbánschen Wirkens auf: Darunter die "Justizreform" von 2011, die "regierungsfreundliche Ernennungen von Richtern" forcierte, die Gesetzeswelle von 2010, die eine "Dominanz regierungsfreundlicher Mediengruppen" sowie "Selbstzensur" befördert hätte, "restriktive Wahlkampfbestimmungen" und der Missbrauch öffentlicher Quellen für Parteienwahlkampf (2014) sowie die "Niederingung von Bürgerrechtsgruppen / NGO´s, inklusive Polizeieinsätze", ebenfalls 2014.

"Doch vielleicht am beunruhigendsten ist die von den höchsten Machtebenen in Ungarn geäußerte Rhetorik über die Errichtung eines "illiberalen Staates auf nationalen Grundlagen" und das Lob der Überlegenheit von Autokratien (...) Solche Anmerkungen werden den demokratischen Werten, zu deren Aufrechterhaltung Ungarn verpflichtet ist, nicht gerecht." Seine "national-ethnische Rhetorik passt nicht zu den transatlantischen Werten."

Orbán habe in den letzten fünf Jahren "Reformen vorangetrieben, die die Unabhängigkeit von demokratischen Institutionen schwächt und demokratische Kontrollmechanismen aufhebt."

Besonders bedenklich findet Yee den "Feldzug gegen NGO´s", denn dabei handelt es sich um bekannte Gruppen, "die gezielt wegen ihrer kritischen Infragestellung von Regierungspolitik und Amtspraktiken" ausgewählt wurden (lies: also ihren Job als NGO´s machten). Die Situation sei an einem toten Punkt, die Organisationen warten auf den Abschluss anhängiger Verfahren, die Reinwaschung ihres Rufes, die Rückgabe von beschlangahmten Materialien und die Reaktivierung ihrer Steuernummern.”.

In diesem Zusammenhang erläuterte der Diplomat auch, wie Orbán "es zugelassen hat, dass sich das Problem der Korruption noch verfestigte, er verschiedene der Korruption beschuldige (auch von den USA) Offizielle in Schutz nahm und die Beschuldiger bestrafte." Die USA, so informierte Yee, habe im Vorjahr sechs ungarische Offizielle mit Einreiseverboten belegt.

 

Ungarn sei "noch" ein "verlässlicher Verbündeter, geschätzter Partner und enger Freund der Vereinigten Staaten", doch "innere Schwäche befördert ruchlose Beeinflussungsversuche von außen." meint der Diplomat, dabei eindeutig auf Russland abstellend. "Die NATO brauche aber jedes Mitglied, um innerlich stark zu bleiben." Nach den üblichen Erfahrungen, stellt diese Äußerung eine klare Warnung an Ungarn und Orbán dar. Vor allem Orbáns Satz, "Ungarn braucht Russland" anlässlich des Besuches Putins in Budapest im Februar, liegt den Amerikanern schwer im Magen, gefolgt von Anti-Sanktions-Aussagen, dem Atomdeal samt russischem Milliardenkredit etc.

Die USA sind auch unzufrieden damit, dass die EU zwar "mehrere Warnungen" an Ungarn gesendet habe, die "aber nie zu bestrafenden Aktionen führten", eine Formulierung, die einen tiefen Einblick in das Missverständnis über die Abläufe in und das Wesen der Europäischen Gemeinschaft gewährt, das in den USA herrscht. Zwar nahm man die aktuelle Warnung des EU-Kommissionsvizes mit Sanktionen und Auusschlussverfahren nach Artikel 7 zur Kenntnis, es wurde auch erwähnt, dabei aber asugeblendet, dass diese Drohung für den Fall der Einführung der Todesstrafe in Ungarn ausgesprochen worden war. Anderfalls hätte man eingestehen müssen, die selbst die humanistischen Grundstandards der EU nicht zu erfüllen.

Die Republikaner nutzten auch diese Anhörung, um Obamas Politik als “realitätsfern und gefährlich” zu bezeichnen. Die US-Admnistration solle Orbán in seinem Land in Ruhe lassen, Hauptsache er bleibt ein NATO-Verbündeter. Ihn mit gutmenschlichen Attitüden (Obama hatte sich in der NGO-Sache persönlich zu Wort gemeldet) über Demokratie und Menschenrechte zu belehren, treibe ihn bloß in die Arme Russlands.

Laut dem Portal EUobserver würde das offizielle Washington bei einer weiteren Verschlechterung der Einschätzung zu Ungarn u.a. die Visa-Erleichterungen für das Land streichen. Die gerade bekannt gegebene, mögliche Aufhebung / Umgehung der russischen Sanktionen für ungarische Firmen könnte einen solchen Anlass liefern.

 

red. / a.l.

Hintergründe:

Die US-Einreiseverbote gegen 6 ungarische Offizielle
http://www.pesterlloyd.net/html/1443useinreiseverbotungarn.html

Ungarns Außenminister in Washingtion wie ein Pizza-Bote behandelt
http://www.pesterlloyd.net/html/1443nulandszijjarto.html

Abgang des US-Gesandten Goodfriend
http://www.pesterlloyd.net/html/1507goodfriendgeht.html

Neue US-Botschafterin für Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/html/1504bellkommtan.html



 

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