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(c) Pester Lloyd / 22 - 2015   POLITIK    26.05.2015

 

Gemeinsames Interesse schlägt Einzelwünsche: Ungarn nicht zufrieden mit Ost-Gipfel

Ungarn ist mit dem EU-Ostgipfel nur teilweise zufrieden und daran ist wohl am wenigsten der schräge Empfang des Premiers seitens EU-Kommissionspräsident Juncker Schuld. Sowohl Premier Orbán als auch Außenminister Szijjártó zeigten sich vor allem über zwei Punkte enttäuscht:

1. Die Verweigerung der sofortigen Visafreiheit für ukrainische Staatsbürger sowie 2. die ablehnende Haltung der europäischen Kollegen auf den ungarischen Vorschlag, Aserbaidshan einen "Sonderstatus" innerhalb der östlichen Partnerschaft zuzugestehen.

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Problemkind rechts, Problemkind links, die “Mutti” in der Mitten. Tsipras, Merkel, Orbán in Riga, rechts im Hintergrund: Ungarns Außenminister Szijjártó

 

Von der geforderten Visafreiheit verspricht sich Ungarn offiziell eine "Erleichterung" für die rund 150.000 "ungarischen" Ukrainer, die im Konflikt mit Russland angeblich zwischen die Fronten geraten sind und, so die Einschätzung aus Budapest, überproportional in die ukrainische Armee eingezogen würden. Unter der Hand betrachtet man den zunehmenden Grenzverkehr jedoch mit Sorge, denn die Geduld der eigenen Landsleute ist dahingehend endenwollend. Lange Schlange bei Sozialämtern und Ärzten im Grenzgebiet, die von Ukrainer mit ungarischen Pässen bestürmt werden, Deserteure, Schmuggler machen dort zu schaffen. Die EU lehnt eine pauschale Visabefreiung auch deshalb ab, weil sie dann einen unkontrollierten Warenverkehr (Waffen) zwischen Ost- und West fürchtet.

Aserbaidschan wiederum sollte deshalb einen Sonderstatuts erhalten, weil dies "das einzige Land" sei, dass "in naher Zukunft" zu Russland eine alternative Gaslieferquelle für Erdgas darstelle. Das stimmt zwar so nicht, ist aber Teil der "Ostöffnung", bei der man sich
besonders mit Aserbaidschan einlässt, das Ungarn als eine Art Toröffner zur EU benutzt und günstige Energielieferungen als Gegenleistung in Aussicht stellt.

Immerhin kam es zu einem Energieabkommen mit Lettland, Polen und Tschechien (sowie indirekt der Slowakei), das die Diversifizierung von Erdgasleitungsystemen vorantreibt, so dass sich diese Länder in beide Richtungen über Engpässe hinweghelfen können und die Region sowohl von der Ostsee als auch über die Adria- und Balkanschiene bedient werden können.

 

Was seine gesonderten Gespräche mit dem britischen Premier Cameron angeht, blieb Orbán im Ungefähren. Die ihm vorgestellten "Änderungen im Status zur EU" seien "diskussionswürdig". Orbán wurde jedoch auch mit dem Wunsch der britischen Regierung konfrontiert, osteuropäische Gastarbeiter, darunter ca. 250.000 Ungarn, allmählich wieder "zurück zu führen". Orbán findet es "begründet", über "den Missbrauch der Sozialsysteme, die Reduzierung der Einwanderung" nachzudenken. Die Briten "wollen eine flexiblere EU" (lies: einen Abbau der EU-Grundrechte nach Bedarf der Nationalstaaten). Allerdings hat Orbán eventuellen Rückkehrern keine adäquaten Arbeitsplätze in Größenordnungen anzubieten. Andererseits spielt ihm die vorgelebte Abschottungspolitik in die Hände, verfolgt er selbst doch eine Politik der "Null-Zuwanderung" und behauptet ebenfalls den Anspruch auf “Sonderwege”.

Auf der Hauptbühne des Treffens machten die maßgeblichen EU-Mächte klar, dass die Ostpartner, einschließlich der Ukraine, nicht mit einer baldigen EU-Mitgliedschaft rechnen können. Zunächst müssen die eigenen bzw. globalen Probleme bewältigt werden: Ukraine-Russland-Krise, Flüchtlingsdrama, Griechenland, Status Großbritanniens. Dahinter steckt nicht zuletzt der Wunsch, Russland nicht noch weiter zu provozieren, aber auch der Gedanke, dass Europa derzeit alles gebrauchen kann, außer noch mehr Problem-Mitglieder.

red.
 

 

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