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(c) Pester Lloyd / 22 - 2015   FEUILLETON    25.05.2015

 

Kritiker begeistert: Ungarischer Film "Son of Saul" gewinnt Großen Preis in Cannes

Das Filmdebüt des 38jährigen ungarischen Regisseurs László Nemes hinterließ beim renommierten Filmfestival in Cannes bleibende Eindrücke. "Son of Saul" (Sauls Sohn) gewann am Sonntag den Großen Preis der Jury sowie den Kritikerpreis FIPRESCI und, für die technische Umsetzung, den Vulcan Award. Finanziert wurde das Werk vom staatlichen Filmfonds, keine unproblematische Beteiligung...

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Die Handlung des Filmes spielt in Auschwitz 1944 und dreht sich um Saul Ausländer (Géza Röhrig, Foto), Häftling und Angehöriger eines Arbeitskommandes, der die Leichen seiner getöteten Mithäftlinge verbrennen muss. Als er unter den Toten glaubt, den Körper seines Sohnes entdeckt zu haben, versucht er ihn vor dem Verbrennen zu bewahren und eine würdige Bestattung zu ermöglichen.

Das Sujet klingt so minimalistisch wie monströs. Es kommt also auf die Verarbeitung an: Die Kritiker zeigten sich von dieser völlig überwältigt, von der Intensität und der künstlerischen Annäherung an das Thema Holocaust, die jenseits des Vorhersagbaren läge. Die Intensität von Handlung und Darstellung, die Farbkomposition, die Filmmusik seien zu einem Gesamtkunstwerk verwoben, das die Zuschauer banne. Inhaltlich diskutabel, aber formal zwingend, wage sich der Regisseur an die Darstellung des weithin als Undarstellbar betrachteten.

Der Film wurde vom staatlichen, ungarischen Filmfonds gefördert. Dessen Präsident, der von Premier Orbán persönlich ernannte Hollywood-Produzent (Stirb langsam, Terminator, Rambo) Andrew G. Vajna, sieht in dem Erfolg eine Bestätigung für seine Politik, die angeblich auf Klasse, statt Masse setze. In einem Hollywood-Magazin feierte er sich entsprechend selbst (siehe hier
auf ScreenDaily). Fakt ist jedoch, dass die Orbán-Regierung die Misswirtschaft der staatlichen Filmförderung unter sozial-liberaler Ägide gezielt nutzte, um die Förderung extrem zu kürzen und sich weitreichende zensurierende Vollmachten (u.a. Recht auf den "Final Cut") zu sichern. Hier mehr dazu.

Nationale Themen oder solche, die international "Prestige" einbringen und "international vermarktbar" sind, sollten Vorrang bekommen, "Son of Saul" fällt also in diese zweite Kategorie, viele große Studios schlossen bereits Verwertungsverträge ab, von denen auch der Filmfonds profitiert.

 

Die andere Seite der Medaille: Die renommierte Ungarische Filmwoche musste im Vorjahr mangels neuer Werke abgesagt werden. Vajna ist in Ungarn in den letzten Jahren zu einem einschlägigen Geschäftsmann geworden, er ergatterte über seine engen Beziehungen zur Regierung eine Reihe von Casino-Lizenzen, dort profitiert er von Steuernachlässen sowie dem - ihm auf den Leib geschneiderten - Monopol auf Geldspielautomaten. Hintergründe dazu hier.

Regisseur Nemes war übrigens jahrelang Assistent von Béla Tarr. Dessen
Auseinandersetzungen mit der Orbán-Regierung illustrieren die Problemlage recht gut.

Zumindest diskutabel ist der Umstand, dass sich ein Regisseur einen Holocaust-Film von der Behörde einer Regierung finanzieren lässt, die hinsichtlich der historischen Verantwortlichkeiten offenen
Geschichtsrevisionismus bis hin zu einer "partiellen Leugnung" betreibt. Angesichts dieser Politik bleibt ein bitterer Geschmack im Mund, wenn der Filmfonds nun ausgerechnet mit diesem Thema “Prestige” und “Profit” erntet.

red.

Weitere Infos zum Film auf der Festival-Seite von Cannes
 


 

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