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(c) Pester Lloyd / 22 - 2015   WIRTSCHAFT    28.05.2015

 

Pakt mit dem Teufel: Warum die Ungarische Telekom Geschäfte mit MET macht

"Wenn du den Feind nicht besiegen kannst, dann musst du ihn umarmen." Dieses chinesische Sprichwort findet nicht nur bei der Ungarischen Telekom praktische Anwendung, sondern ist heute Standardprozedur für Investoren in Orbánistan. Für einen Burgfrieden beim Thema Sondersteuern und ein ruhiges Geschäftsumfeld webt die Tochter der Deutschen Telekom, wiewohl selbst Fliege, indirekt am Netz der Spinne mit und kooperiert so mit mafiösen Strukturen.

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Schwefelgeruch?  Magyar Telekom-Vorstandschef Christopher Mattheisen mit dem Oberteil eines Pferdefußes...

Der Vorstandschef der Magyar Telekom, Tochter der teilstaatlichen Deutsche Telekom, Christopher Mattheisen, gab dem ungarischen Wirtschaftsmagazin Portfolio am Mittwoch ein Interview. Darin freute er sich über die "ruhigen Zeiten", die seit der grandios gescheiterten, weil von den Bürger niedergerungenen Idee der Internetsteuer zwischen den Telekoms und der Regierung herrschten.

 

Denn diese plant, die sogenannte "Erschließungssteuer", die auf jeden Meter Kabel erhoben - und natürlich so oder so dem Kunden weitergereicht wird - zu kürzen bzw. zu pausieren, um, so die offizielle Begründung, "einen Beitrag zur Beschleunigung des Breitband-Ausbaus" zu leisten, wie Fidesz-Fraktionschef und Telekom-Vorstandschef unisono sagen.

Freilich, so Mattheisen, macht die Erschließungssteuer nur einen kleinen Teil der Sonderbelastung seiner Branche aus, die MT jährlich bis zu 35 Mrd. Forint (rund 113 Mio. EUR) und damit viel Dividende kostet. Daher brauche es noch weitere "ähnliche Schritte", um das Ziel zu erreichen, das sein Unternehmen in einer Kooperationsvereinbarung mit der Regierung zum "Digitalen Ungarn" bis 2018 formuliert hat.

Der Unternehmenschef erwartet "grundlegende Veränderungen" seiner Branche in einer "Zukunft, in der die Wirtschaft immer mehr daten-zentriert und online" agieren wird. Sein Unternehmen arbeite daran, diese Zukunft technologisch führend zu gestalten und wünsche sich daher eine besondere Behandlung für die Unternehmen, die in diese modernen Infrastrukturen investieren. Bis Ende des Jahres sollen 440.000 weitere Haushalte am Breitband-Netz hängen, womit das schnelle Telekom-Netzwerk dann in 2,2 Mio. Haushalten und für knapp die Hälfte der Bevölkerung zugänglich wäre.

Heikel ist ein nicht gerade traditionelles Geschäftsfeld für Telekom-Unternehmen: Die Magyar Telekom "beliefert" nämlich Privathaushalte auch mit Gas und Strom, freilich nur als Mittler bzw. Abrechnungsbasis zwischen Energieanbieter und Kunden. Der Energielieferant kann sich ein aufwendiges Kundenbetreuungssystem ersparen, weil er das umfangreiche Vertriebs- und Abrechnungsnetz der MT arbeiten lässt, die Telekom wiederum kassiert, ohne Aufwand in Produktion und / oder Wartung zusätzliche Provisionen.

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Deutsche Telekom-Vorstandschef Höttges im Februar 2014 mit Ungarn-Vorstandschef Orbán bei der Unterzeichnung einer "Strategischen Kooperationsvereinbarung"

Doch aus dem Privatkundengeschäft für Erdgas steigt man nach nur einigen Jahren Ende Juli wieder aus. Das Geschäft war nie lohnend und wird durch den Einstieg des staatlichen "Non-Profit"-Unternehmens ENKSZ und den damit einhergehenden neuen Regulierungen praktisch unmöglich. Mattheisen nennt dieses geschäftliche Nebenfeld "innovativ, sogar im europäischen Maßstab", erkennt aber, dass es wenig Sinn hat, in einem unprofitablen Feld weiter zu machen. Daher wird man auch den Stromvertrieb für Privatkunden stetig auf den Prüfstand stellen.

Anders sieht die Sache im Geschäftskundenbereich aus. Man werde für Unternehmen weiterhin Gas- und Stromdienstleistungen anbieten. Dazu hat man - und hier beginnt ein heikles Kapitel - Mitte März 2015 eine gemeinsame Gesellschaft mit der MET Holding AG gegründet. Hier die
Pressemitteilung dazu.

 MET? Da war doch was? Richtig. Diese in der Schweiz nistende Unternehmensgruppe ist Dreh- und Angelpunkt des sogenannten "grauen Gasmarktes" in Ungarn - und immer mehr auch darüber hinaus.

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Dass das News-Portal www.444.hu die illustre Eigentümerstruktur der MET in Magenta gehalten hat, kann nur ein Freudscher Zufall gewesen sein...

Das MET-Modell ist komplex, besteht aber, kurz gesagt darin, dass die Regierungspartei Fidesz Gesetze bzw. Dekrete geschaffen hat, die MET einen einseitigen Vorteil im Zugang zum ungarischen Gasmarkt verschaffen, sowohl bei Pipeline-Kapazitäten als auch bei der Verkaufspolitik gegenüber dem staatlichen Gashändler MVM. Das Ergebnis: MET gelangt an billigeres Gas als die Konkurrenten und der Staatsimporteur, verkauft es aber teurer an selbigen. Dieser muss die Mengen abnehmen.

Der Kunde merkt vordergründig nichts, die Differenz, die eigentlich der Staatskasse zukommen könnte und sollte, fließt in private Taschen ab. Es ist kein Zufall, dass die staatliche MVM, bisher ein Profitbringer ersten Ranges, 2015 das erste Mal staatlich bezuschusst werden musste. Die Taschen, in die die Provisionen fließen gehören sowohl russischen Gashändlern, die für den Rohstoffzufluss sorgen und die Gazprom ruhig stellen, ehemaligen MVM- und MOL-Managern, engen Vertrauten und "Oligarchen" Orbáns sowie diversen Off-Shore-Teilhabern der MET. Auch die teilstaatliche MOL ist - ganz offiziell und beträchtlich - an MET beteiligt. Ein solches Geschäftsmodell wird gemeinhin als mafiös bezeichnet. Wie das alles genau funktioniert, können Sie in diesem Beitrag nachlesen:
MET - Die Gelddruckmaschine eines Mafia-Staates.

MET bemüht sich dabei gerade um eine Erweiterung der Liefer- und Wertschöpfungskette, in dem das Unternehmen zunehmend auch Kraftwerke aufkauft, damit den Strommarkt anvisiert und wohl bald auch im Explorationsgeschäft und dem
kommenden Gas-Fracking mitmischt, - immer protektioniert und legislativ abgesichert von den privat profitierenden Regierungshintermännern. Es geht dabei nicht um Peanuts, allein das graue Gasgeschäft wirft für die Beteiligten der MET jährlich rund 150 Mio. EUR ab!

Wie Telekom-Chef Mattheisen die Zusammenarbeit mit MET beschreibt, könnte man - sehr wohl gesonnen - als pragmatisch definieren. Er geht davon aus, dass dieses Unternehmen "vor allem einen noch größeren Marktanteil in Ungarn erlangen wird, aber sein Geschäftsmodell könnte auch außerhalb funktionieren, auf Märkten, wo die Deutsche Telekom bereits präsent ist...", zitiert ihn Portfolio. Sehr charmant gesagt. Die von der Telekom mit Gas "belieferten" Unternehmen, werden in das MT-MET-Joint venture ab Herbst, so "die Zustimmung der zuständigen Behörden" erfolgt, überführt.

Nicht ganz so wohlmeinend kann man das auch so übersetzen: Mattheisen betreibt selbst und empfiehlt der teilstaatlichen Deutsche Telekom die Kooperation mit einem mafiösen Konstrukt, das auf Kosten der Steuerzahler und bei Aushebeblung demokratisch-rechtsstaatlicher Normen Profitmaximierung betreibt, also das Land ausplündert. Nun braucht man sich wohl kaum noch wundern, wenn das Orbán-Kabinett Erleichterungen bei den Sondersteuern beschließt und so ein gewisser Frieden einzieht. Mattheisen webt damit, ob er will oder nicht, am Netz der Spinne weiter, - bleibt aber Fliege.

Mattheisen und die Telekom sind dabei - und das ist für das Gebaren der meisten, großen deutschen Unternehmen in Ungarn offenbar der einzige, stichhaltige Aspekt - rechtlich zunächst auf der sicheren Seite, ja, sie könnten uns sogar problemlos untersagen lassen, zu behaupten, dass sie irgendetwas mit einer Mafia zu tun haben (was wir ohnehin nicht taten), denn, wie erwähnt, ist das Geschätfsmodell formaljuristisch legal, weil es legalisiert (also gesetzlich gemacht) wurde. Dass die Regierung samt dem Gesetzgeber Gesetze gegen die Interessen ihres Landes und des Souveräns schafft, hat dabei keine Relevanz. Es geht nur um den "Deal".

Marx, der alte Kommunist, hatte schon vor 150 Jahren herausgefunden, dass die Risikobereitschaft des Unternehmers proportional zu dem erwartbaren Gewinn steigt, wenn nötig, über verarmende Massen, soziale Unruhen, über Gesetze hinweg, bis hin zum Krieg. Die Geschichte hat diese Theorie mehrfach bewiesen, die Gegenwart ist voll von Belegen. Aufrufe zur Vernunft, moralische Apelle werden diese überdrehte Profitgier nicht eindämmen. Dummerweise sinkt aber mit der Profitaussicht auch das Risikobewußtsein, was Zyniker als Selbstheilungskräfte des Marktes beschönigen.

 

Gerade die Ungarische Telekom hat ja mitunter schon teuer für die rechtlichen Weiterungen ihrer "cleveren" Geschäftsmodelle auf dem Balkan etc. bezahlt, eben weil man auf den vermeintlich gewinnträchtigsten, dann aber doch falschen Partner setzte. Vielleicht lernt man doch einmal aus Fehlern oder erleben wir in punkto Absprachen zwischen Regierung und Management gerade ein Deja-vu des Origo-Telekom-Lázár-Skandals, aber auf einer viel gefährlicheren Ebene?

Vielleicht hilft ja der Hinweis, dass selbst die fachkundigen Kollegen aus Frankreich die Gastochter der GDF Suez lieber noch schnell
an die MET verkauften als mit dem Laden Geschäfte und sich damit erpressbar machen zu müssen. Diese instinktive Weisheit geht der MT offenbar ab. Denn die EU, konkret die Kommission und OLAF, nehmen sich allmählich der Überprüfung des MET-Konstruktes an. Kartellbildung, illegale Staatsbeihilfen und Verstöße gegen so ziemlich sämtliche Wettbewerbs- und Geldwäscheverordnungen der EU stehen auf der Untersuchungsliste. Ob die Telekom da auch drauf stehen will, sollte sie vielleicht erst mit den Eigentümervertretern bei der nächsten Hauptversammlung in Bonn besprechen...

red. / cs.sz. / ms.

 

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