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(c) Pester Lloyd / 23 - 2015   POLITIK    05.06.2015

 

Stabilität wichtiger als Menschenrechte: Ägyptens Präsident zu Besuch in Orbáns Ungarn

Bei seiner Visite in Berlin war Ägyptens Präsident Abd al-Fattah as-Sisi noch bis hinein in die Pressekonferrenz mit Merkel mit lautstarken Protesten zu seiner undemokratischen Politik konfrontiert. Bei seinem heute beginnenden zweitägigen Besuch in Ungarn bleiben ihm solche Unannehmlichkeiten erspart. Orbán "will dem ägyptischen Präsidenten keine Lektionen in Menschenrechten und Demokratie erteilen". Klar, wie auch?!

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Auf einem ungarisch-ägyptischen Businessforum am Nachmittag in Budapest erklärte der Gastgeber, dass Ungarn vor allem an einem "stabilen Ägypten" interessiert sei, denn nur dann kann die Mittelmeer-Region stabil sein, was wiederum Voraussetzung für ein friedliches Europa sei.

 

Im heutigen Europa habe man "an vielen Orten Angst vor dem Islam, ja, er wird sogar als Feind bezeichnet." - "Nicht so in Ungarn, denn der Islam ist eine der großen humanen, intellektuellen und spirituellen Leistungen der Menschheit." "Hierzulande sprechen wir respektvoll vom Islam." - sagte der Mann, der noch vor wenigen Tagen behauptete, dass allein die Tatsache, dass die meisten Flüchtlinge aus islamischen Ländern nach Europa kommen, die Terrorgefahr erhöhe und eine Bedrohung für das christliche Europa im Allgemeinen und das Ungarntum im Speziellen darstelle. Der Islam sei Ungarn "fremd", man brauche ihn hier - mitsamt seinen Repräsentanten - nicht. Bei Präsidenten macht Orbán aber offensichtlich manchmal eine Ausnahme.

Ein stabiles Land muss nicht zwangsläufig ein demokratisches sein, das hat Orbán, in diversen Variationen immer wieder verkündet und dies mit Bewunderung für die Effizienz autokratischer Systeme verknüpft. Seine heutige Bemerkung, dass "...nur jene Länder eine Zukunft haben, die mutig genug sind ihre eigenen Wege zu gehen." ist wohl die euphemistischste Umschreibung für das, was sein ägyptischer Gast derzeit den Oppositionellen im Lande antut.

Dann kam der Kernsatz: Im christlichen Westen habe sich "ein politisches System, genannt Demokratie etabliert, mit all seinen guten Seiten, mit all seinen Malaisen. Aber es gibt keine Garantie, dass die Übernahme dieses Systems Anderswo zu gleichen Ergebnissen führt, daher sollten wir die Welt nicht belehren und auch keine Lektionen in Menschenrechten und Demokratie erteilen."

Abd al-Fattah as-Sisi, der ehemalige Armeechef, der den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi wegen Islamismusverdachtes (eigentlich ging es um die Pfründe des mächtigen Militärapparrates der Mubarak-Ära) aus dem Amt geputscht hatte, lobte sich dafür, dass nach vier Jahren Unruhen, Ägypten ökonomisch wieder wachse und er forderte ungarische Unternehmen auf, an diesem Aufschwung teilzuhaben. Das Land stehe jetzt wieder auf den Füßen und gehe seinen eigenen Weg, nun heiße es nur noch "Arbeiten, arbeiten, arbeiten". Das Land biete Ungarn "viel Potential". Ungarn sei Ägypten nahe "wir sind kulturell nahe" und "ich stehe dem ungarischen Ministerpräsidenten nahe."

 

Ungarische Unternehmen könnten u.a. im Wassermanagement, im Eisenbahnwesen, bei der Städteplanung, im Verteidigungswesen nützlich sein. Spannenderweise hat die staatliche Rundfunk- und Fernsehanstalt Ägyptens seit einiger Zeit eine Kooperation mit dem ungarischen Staatsfunk laufen, angeblich vor allem zum technischen Austausch. Rund 600 Studenten aus dem Land am Nil studieren derzeit in Ungarn, weitere 100 könnten bald folgen. Einige eher unverbindliche Vereinbarungen wurden unterzeichnet, einen Mammut-Auftrag wie Siemens in Deutschland, das für 8 Milliarden Euro Gasturbinen- und Windkraftwerke errichten soll, hatte as-Sisi für Orbán leider nicht im Gepäck.

Laut dem ägyptischen Präsidenten habe er sich mit Orbán auch über den Kampf gegen den Terrorismus und die Konflikte in Libyen und Syrien (IS) ausgetauscht, beide Länder hätten dazu die gleiche Position.

In Budapest wurden in mindestens vier Bezirken weitreichende Verkehrssperrungen vorgenommen, allfällige Proteste u.a. von Exil-Ägyptern aus Österreich und Deutschland sollen bereits an den Grenzen abgefangen werden. Am Samstag erhält der Gast die Ehrendoktorwürde der Ludovica, der Universität für den Öffentlichen Dienst, die u.a. auch Offiziere, Polizisten und Geheimdienstler, angeleitet von einem Fidesz-treuen Rektor, ausbildet und in Zukunft auch sämtliche Journalistenausbildungen übernehmen soll.

red.
 

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