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(c) Pester Lloyd / 25 - 2015   FEUILLETON     18.06.2015

 

Nur eine Randnotiz: Regierungspartei in Ungarn errichtet Denkmal für Nazi-Minister

Die Fidesz-Stadtregierung von Székesfehérvár, einst Krönungsstadt, heute Crony-City von Orbáns Günstlingen, will dem "Historiker und Kulturminister" Bálint Hóman eine Statue errichten. Die Opposition hielt dagegen einen etwas ärmlich wirkenden Sitzstreik ab. Man könne doch einem Nazi-Kollaborateur, einem Vollstrecker der Judengesetze, kein Denkmal setzen. Man kann. Was ist schon so ein Erinnerungsstein gegen die realen Manifestationen der Barbarei?

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Wer war Bálint Hóman, 1885 - 1951? Er sei ein "bedeutender Historiker" und von 1932 bis 1945 ungarischer "Außenminister" gewesen, erklärt die amtliche Nachrichtenagentur MTI dem erstaunten Leser. Das ist falsch. Wohl mag der "Mittelalter-Experte", Co-Verfasser eines achtbändigen Monumentalwerkes zur ungarischen Geschichte, sich einigen akademischen und publizistischen Ruhm erschrieben, die Nationalbibliothek und das Nationalmuseum geleitet haben. Außenminister war er aber nie wirklich, nur ein paar Tage formal, als der Rest der ungarischen Nazikollaborateure sich bereits gen Westen abgesetzt hatte.

 

Hóman war von 1932 bis 1938 und wieder von 1941 bis zum bitteren Ende 1945 Minister für "Religion und Bildung" im Horthy-Reich. Er arbeitete unter vier Ministerpräsidenten, vom Numerus-Clausus-Erfinder Teleki, über Ungarns "ersten Nazi" Gömbös, bis hin zu Pfeilkreuzler-Führer Szálasi, mit dem er gemeinsam - unter Aufsicht der deutschen Besatzer - im Oktober 1944 den "Staatsstreich" ausführte, der die ungarischen Nazis auch formal zu den Machthabern im Lande machte. Mit denen setzte er sich gen Westen ab als die Rote Armee ankam, wurde in Deutschland verhaftet und 1946 wegen Kriegsverbrechen verurteilt.

Hóman war einer der Hauptvollstrecker und -architekten der ungarischen Judengesetze, die mit Zugangsbeschränkungen für Studenten bereits 1920 - weit vor anderen Ländern Europas - Premiere hatten und später über Berufsverbote bis hin zu Enteignungen, Deportationen eskalierten und sich, zwar nicht gleichlaufend, aber letztlich geschmeidig den Rassegesetzen und Vernichtungsplänen der Deutschen anpassten.

Deportationen von Menschen aus von Ungarn kontrollierten Gebieten, 1941 und 1942, gab es auch schon vor der Ankunft der deutschen Nazis, Massaker ebenfalls, wie jenes von Novi Sad. Hóman war als Minister also mitverantwortlich, mitschuldig. Der Direktor des staatlichen
Veritas-Institutes bezeichnete diese Vorkommnisse als "fremdenpolizeiliche Maßnahme." Er ist Militärhistoriker, muss es also wissen...

Hómans Verbleib in der ungarischen Regierung nach 1944 legitimierte die Besatzung und widerlegt die heute wieder vielfach vernommene These von der Fremdbestimmtheit Ungarns ab März 1944, der Auflösung der ungarischen Staatlichkeit, die letztlich den ungarischen Staat zum Opfer machte, obwohl er, an der Seite der deutschen Nazibesatzer, Mittäter war, eine Mittäterschaft, die nicht nur von den Pfeilkreuzlern ausging, sondern von Reichsverweser Horthy, der mit Hitler einen Pakt schmiedete: Treue gegen Land. Stichwort: Revision von Trianon. Die Manifestation des erschwindelten Opfermythos` ist das viel diskutierte
"Besatzungsdenkmal" am Freiheitsplatz in Budapest, Karikatur und Selbstportrait dieser Regierung in einem Guß.

Eine Statue für Hóman in Székesfehérvar ist sozusagen seine provinzielle Fortsetzung. Im Februar diesen Jahres gelang Nachfahren Hómans dessen Rehabilitierung vor einem Budapester Gericht, das das Urteil des "Volksgerichtes" von 1946 kassierte. Das interessierte sich nur dafür, dass die Sowjets formale Fehler im Verfahren machten. Dass Hóman persönlich die Deportation von mindestens 2.700 jüdischen Bewohnern der Gegend von Nagykanizsá überwachte, war ja nicht Verfahrensgegenstand. Und das mit den Judengesetzen? Nunja, über Tote nichts Schlechtes...

Nun folgt bald die akademische Rehabilitation. Der Chef der jüdischen Verbände, Heisler, warnt davor. Das wäre "ein schlechtes Zeichen". Unter heutigen Studenten ist Jobbik die beliebteste Partei. Was ist das für ein Zeichen?
Orbáns Kanzler Lázár beklagte, dass die ungarischen Juden “mit ihren Forderungen die ungarische Gesellschaft spalten". Das hat Hóman so ähnlich sicher auch gesagt, bevor er das nächste Quotierungsgesetz unterschrieb.

Hómans einstigem Chef, Gyula Gömbös, wurden vor ein paar Jahren die aberkannten Ehrenbürgerrechte wieder zuerkannt, der Pfeilkreuzler-Kollege Nyirö erhielt sogar eine öffentliche Umbettung,
vorgenommen von Fidesz-Parlamentspräsident Kövér - auf rumänischem Staatsgebiet! Blut-und-Boden Kollege Wass ist heute Pflichtlektüre in ungarischen Schulen. Horthy- und Trianon-Denkmale schießen wie Pilze aus dem Boden, in kleinen Dörfern, in Budapest, auch im Kalvinisten-College in Debrecen. "Das ist Sache der Kommunen", meint Orbán, denn "Horthy war sicher kein Diktator". Natürlich nicht. Und Hóman kein Nazi. Nur ein Patriot. Wie Orbán auch. Und die von Jobbik, mit ihren Garden. Die dürfen manchmal Spalier stehen, wenn ein Fidesz-Bürgermeister ein Denkmal einweiht. Selbstverständlichkeit unter Patrioten. Ansonsten aber: "Null-Toleranz".

 

Die Opposition hielt gestern in Székesfhérvár, der einstigen Krönungsstadt, heute eher "Crony-City" von Orbáns wichtigsten Günstlingen, einen etwas ärmlich wirkenden Sitzstreik ab und kündigte an, die Statue Hómans bald wieder entfernen zu wollen. "Wenn wir wieder an der Macht sind." Also vielleicht in tausend Jahren. Man könne doch einem Nazi-Kollaborateur, einem Vollstrecker der Judengesetze, kein Denkmal setzen. Man kann.

So ein Denkmal ist heute in Ungarn nur noch eine Randnotiz, ein Steinchen am großen Mosaik amtlichen Geschichtsrevisionismus`, dem theoretischen Unterbau der völkischen Wiedergeburt. Sie regt kaum noch jemanden auf, denn die reale Barbarei, ob in der Form von Ausgrenzung nach ethnischen und sozialen Mustern, der
Räumung und Errichtung von Ghettos, der schulischen Segregation als neuem Numerus Clausus, dem Aufstieg der neuen Nazis oder dem Bau von Zäunen gegen die Sündenböcke der Neuzeit, der systematische Verelendung auf dem Weg zum neuen Ständestaat. All das hat die Phase des Symbolischen längst überwunden. Die steinernen Boten der Vergangenheit sind schon wieder lebendig, der zivilisatorische Zerfall ist real geworden.

red. / m.s.
 



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