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(c) Pester Lloyd / 27 - 2015     POLITIK    02.07.2015

 

Keine weiteren Fragen: Massive Einschränkung der Informationsfreiheit in Ungarn

Bereits bei der Durchsetzung des Tabakhandelsmonopols vor zwei Jahren setzte die Regierungspartei Einschränkungen des Gesetzes über die Informationsfreiheit durch. Jetzt folgt der nächste Schritt zum "milchgläsernen Staat". Behörden können praktisch jede Nachfrage abschmettern und Bürger müssen dafür zahlen, um zu erfahren, was mit ihrem Geld geschieht...

27acsessdeiedDas Gesetz über die Informationsfreiheit ist, - grundsätzlichen EU-Vorgaben folgend - dazu gedacht, eine Mindesttransparenz von Behörden gegenüber den Bürgern zu garantieren. Das soll den Kontrolldruck auf die Behörden erhöhen, Amtsmissbräuchen und Korruption nicht nur aufdecken, sondern vor allem vorbeugen. In de neinzelnen EU-Ländern ist seine Umsetzung sehr unterschiedlich gehandhabt. In Österreich zum Beispiel sehr restriktiv, in Schweden eher offenherzig. Ungar führt es ad absurdum:

Ministerien und Ämter in Ungarn können sich seit 2013 gegen "übertriebene" Anfragen wehren, was das aber ist, liegt in ihrem Ermessen, in der Praxis geht es dabei nicht nur um stalkenden Querulanten, die permanent den Betrieb aufhalten, sondern um einfach hartnäckige Zeitgenossen, die auf ihr Recht bestehen. In Fackreisen auch: Bürger genannt. Auch der Verweis auf Geschäftsgeheimnisse bei involvierten Privatfirmen genügte bereits bisher für eine Ablehnung der Anfrage oder eine maßlose Schwärzung der Dokumente. Dem Antragsteller bleibt dann nur der Gang zu Gericht, zeitintensiv und kostspielig.

Jetzt geht man noch weiter: allein der Umstand, dass Dokumente von "Drittparteien aus anderen Ländern" involviert sind, bietet den Behörden die Gelegenheit, das Auskuftsgesuch künftig abzulehnen. Davon dürften z.B. auch sämtliche Ausschreibungen mit EU-Involvierung betroffen sein, fürchten Bürgerrechtsgruppen und Transparenznetzwerke und verweisen dabei auf die Absurdität, dass einerseits ein "Binnenmarkt" herrscht, deren Teilnehmer im Gesetz aber als Ausländer qualifiziert werden. Dabei sind es gerade die EU-Ausschreibungen, bei denen die meisten Ungereimtheiten auftreten.

Weiterhin müssen Anfragende in Zukunft alle Kosten für die "Datenrecherche, Zusammenstellung, Kopieren und Zustellung" selbst bezahlen. Die Höhe der Kosten wird von den Behörden festgelegt. Das heißt: der Bürger muss dafür bezahlen, um zu erfahren, was mit seinem Geld gemacht wurde. Eine interessante Auslegung von "Souverän". Sollte ein auskunftsfordernder Bürger mit der angebotenen Auskunft nicht erschöpfend zufrieden sein und Nachfragen stellen, liegt es allein im Ermessen der Behörde, den Fall bereits als "übertriebene Anfrage" einzustufen und zu den Akten zu legen.

Vor allem das investigative Portal www.atlatszo.hu hat sich in den vergangenen Jahren mit Aufdeckungen aller Art einen Namen gemacht und dabei reihenweise Fälle von Untreue, Korruption, Freudnerlwirtschaft und Amtsmissbrauch zu Tage gefördert.
Beispiele.

Oppositionsparteien, voran die Demokratische Koalition, DK, von Ex-Premier Gyurcsány, kündigte an, die EU-Kommission wegen der neuen Einschränkungen um Hilfe zu bitten und notfalls zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens anzuhalten. Man wolle wissen, ob die EU deratige Einschränkungen rechtlich überhaupt zulasse.

 

Die MSZP, selbst kein Kind von korrupter Traurigkeit, aber nicht mächtig und kaltblütig genug, um Gesetze, Kontroll- und Ahndungsinstanzen während ihrer Regeirungszeit auszuschalten, sieht hier "Diebe geschützt" und "Korruption gefördert", das Gesetz ingesamt sei "undemokratisch" und "verfassungswidrig". Es sei ein "Grundprinzip der Demokratie", dass "der Staat transparent" sein müsse. Fidesz strebe die Verschärfung unter anderem deshalb an, um zu verhindern, dass der regierugsnahe Think-Tank Századvég offenlegen müsse, welche Leistungen er für welche öffentlichen Gelder erbracht habe. Die MSZP werde beim Verfassungsgericht vorstellig werden.

Die linksliberale Abspaltung der Grünen, PM, sieht die Regierung "einen weiteren Nagel in den Sarg der Demokratie" schlagen. Anhand der neuen Regelungen könne praktisch "jede Anfrage abgelehnt werden", kritisierte Parteisprecherin Tímea Szabó.
 
Der Kritik schlossen sich vier der auf diesem Gebiet namhaftesten NGO´s an, Transparency International, K-Monitor, Átlátszó und Energiaklub. In einem
gemeinsamen Schreiben riefen sie Justizminister Trócsányi und den Datentschutzbeauftragten Péterfalvi "neue Einschränkungen der Informationsfreiheit" zu verhindern.

Mehr zum Thema:
Im Schattenreich der Kleptokraten - Legalisierung des Illegalen: geschäftsmäßige, amtliche Plünderung von Fördergeldern

red.
 


 



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