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(c) Pester Lloyd / 27 - 2015   POLITIK    29.06.2015

 

"Religiöser Konflikt": Unruhen im größten Flüchtlingslager in Ungarn, Innenminister verkündet "Arbeitspflicht" für Asylbewerber

Am Montagnachmittag brachen im größten ungarischen Flüchtlingslager, in Debrecen, Unruhen aus. Wie die amtliche Nachrichtenagentur meldet, rückten rund 150 Polizisten in voller Montur aus als es Meldungen darüber gab, dass "mehrere hundert Bewohner" des Lagers vorbeifahrende Autos mit Steinen und Flaschen beworfen und Müll in Brand gesteckt haben sollen. Anschließend verbarrikadierten sie das Lager und griffen auch die eintreffenden Polizisten an. Diese setzten unter anderem Tränengas ein, berichtet wird von zwei Verletzten, einem Lagerinsassen und einem Polizisten. Eine Person soll bisher verhaftet worden sein.

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Fotos vom Debrecener Flüchtlingslager, gegen 16 Uhr, das Gröbste ist erst einmal vorüber. Fotos: MTI

 

Der zuständige Polizeichef beschrieb die Lage gegen 19 Uhr als "ruhig", man bleibe aber mit zwei Hundertschaften vor Ort, am Tor des Lagers harren weiter zwei Dutzend Flüchtlinge aus, unter fortdauernden "Allah ist groß!"-Rufen. Ob eine Erstürmung / Räumung des Lagers in absehbarer Zeit geplant ist, ließ er offen.

Laut Auskuft des regionalen Polizeichefs war ein "religöser Konflikt" der Auslöser. Ein Mann soll auf einem Koran herumgetrampelt haben, worauf eine Schlägerei begann, die dann schnell auf große Teile des Lagers übergriff. Zivile Zeugen ergänzen, dass einige Menschen in Panik vor der Gewalt im Inneren das Lager verlassen wollten, daran aber von Sicherheitsdiensten und Polizisten gehindert wurden, weshalb sich ihre Wut gegen sie richtete. Dabei sollen sie auch mit Latten auf vorbeifahrende Fahzeuge eingeschlagen haben. Andere Quellen sprechen davon, dass es ein reiner Wutausbruch war, der die Menschen auf die Unbeteiligten losgehen ließ.

Die Angaben - vor allem zur Ursache des Konfliktes - sind derzeit nicht verifizierbar, da Meldungen aus erster Hand nur über staatliche kontrollierte Kanäle flossen.

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Das Flüchtlingslager in Debrecen ist das größte des Landes. Es hat eine Nenn-Kapazität für 800 Personen, betreut werden hier aber derzeit doppelt so viele. Fidesz-Politiker forderten bereits mehrfach die generelle Schließung aller Flüchtlingslager, die eigentlich Gefängnisse sind. Seit Jahren berichten NGO´s und Zeugen von menschunwürdigen Verhältnissen, Schlägen, medikamentöser Zwangsbehandlung, schlechter Nahrung, aber auch dem Fehlen jeglicher Rechtsberatung oder Beschäftigung / Schule für Kinder. Wegen solcher Verhältnisse - die übrigens bereits von der UN / UNHCR getadelt wurden, kam es in einem anderen Flüchtlingslager
in Békescsaba 2013 zu einem Hungerstreik.

Heute teilte Innenminister Pintér mit, dass sich in Ungarn aufhaltende Asylbewerber für "
Kommunale Beschäftigungsprogramme zur Deckung ihrer Aufenthaltskosten" herangezogen werden können. Der Verdienst, rund 170.- EUR / Monat - damit die Hälfte des "gesetzlichen" Mindestlohnes - würde dann mit den von ihnen verursachten Kosten (Lageraufenthalt, Verfahren, medizinische Betreuung etc.) verrechnet. Was mit Personen geschieht, die sich weigern, blieb offen.

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Die Maßnahme verstößt u.a. gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und ist Teil eines ganzen Maßnahmepaketes, das neue Asylverfahren möglichst gänzlich verhindern (durch Direktabschiebung in "sichere Transit- oder Herkunftsländer) und die bestehenden deutlich verkürzen soll. Die Verfahrensverkürzung auf unter 48 Stunden gebe den Behörden außerdem die Möglichkeit, alle "Aufgegriffenen" in vorläufiger Haft zu lassen, ohne dabei mit internationalem Recht in Konflikt zu geraten. Pintér verkündete, dass die Gesetzesänderungen die "rigidisten Maßnahmen" ergreifen werden, um die Flüchtlingswelle zu stoppen und die bereits anwesenden Flüchtlinge wieder loszuwerden.

Alles Weitere zum Thema Flüchtlinge hier.

red.

 


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