Hauptmenü

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

 

andrassy2015neu2

 

(c) Pester Lloyd / 28 - 2015     KULTUR    06.07.2015

 

Schwul und Ungar, das geht: Budapest Pride eröffnet

Am Wochenende startete mit der "Budapest Pride" zum zwanzigsten Male das einwöchige Festival der schwul-lesbisch-bissexuellen-transgender-queer Gemeinschaft in Budapest. Während zwei Dutzend westliche Botschaften das Happening unterstützen, würzt die Regierung ihre Toleranz-Bekenntnis mit peinlicher homophober Rhetorik. Doch auch ein "Linker" outete sich als Schwulenhasser.

28budapestpride (Andere)


 

Die Eröffnung der 20. Budapest Pride fand auf der Margareteninsel statt, bei der mehrere Aktivisten Kritik an der Heuchelei der Regierung übten, die Ungarn als "offenes, tolerantes" Land bezeichneten, "Andersliebenden" aber nicht nur "angewiderte Zurückweisung", sondern auch praktische Diskriminierung angedeihen lassen. Die Veranstaltung und ihre Rezeption in Ungarn betrifft also nicht nur die "Szene", sie ist auch ein Gradmesser der Freiheit ingesamt, in einem Land, wo das Selbstverständliche heute zum Gefährdeten wird.

Als prominenter Gast trat u.a. der Theatermann
Róbert Alföldi (Foto: MTI) auf, der kürzliche Anmerkungen des Budapester Oberbürgermeisters, István Tarlós, Fidesz, wie "unnatürlich und eklig" er "solche Events" und "diese Lebensweise" findet, kritisierte. Sie seien sogar im engen Wertebild eines christlichen Konservativismus unstatthaft, für den Bürgermeister einer multikulturellen Weltstadt aber noch viel weniger hinnehmbar. Tarlós solle zürcktreten und an seiner Aversion arbeiten, seine Anmerkungen brauche hier keiner.

Das Festival läuft bis zum 12. Juli und umfasst Dutzende Programme mit Konzerten, Filmvorführungen, Ausstellungen, Diskussionrunden, Parties. Am kommenden Sonntag beschließt die so traditionelle wie umfehdete Pride Parade das Event.

Die Parade war in den 20 Jahren immer wieder Ziel teils heftiger, gewalttätiger Angriffe aus dem rechtsextremen Spektrum, bei denen Jagd auf Teilnehmer gemacht wurde, es gab etliche Verletzte. Auch die Behörden versuchten beständig, dem fabrenfrohen Umzug im Zentrum Budapests Steine in den Weg zu legen, OB Tarlós wollte den Marsch kürzlich erst auf einen Gemüsemarkt 12 Kilometer vom Stadtzentrum verbannen, Gerichte mussten wieder einmal das Demonstrationsrecht bestätigen.

Seit einigen Jahren unterstützen viele namhafte - überwiegend multinationale - Unternehmen die Budapest Pride als Sponsoren sowie erklären immer mehr in Ungarn tätige Botschaften anderer Länder offen ihre Solidarität. In diesem Jahr sind es 25, darunter Slowenien als einziges osteuropäisches Land: Australien, Österreich, Belgien, Brasilien, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Island, Italien, Litauen, Malta, Norwegen, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweiz, Schweden, Niederland, Neuseeland, Großbritannien, USA. In einer gemeinsamen Erklärung geht es um nicht mehr als "das Recht sich friedlich und gesetzeskonform ausdrücken" zu können. Vor ein paar Jahren stand auch noch Israel auf der Liste, in diesem Jahr konnten wir das Land in der Aufstellung nicht finden.

Premier Orbán sagte anlässlich des epochalen Entscheids der obersten US-Richter nach landesweiter Freigabe der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in den USA, dass Ungarn zwar tolerant sei, man aber nicht erwarten solle, dass "wir die gleichen Regeln einführen für Leute, deren Lebensart anders ist als die unsere." Soll heißen: Ungar sein, bedeutet zwangsläufig, nicht homosexuell zu sein und im Umkehrschluss: wer schwul ist, kann kein Ungar sei. - Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare sind in Ungarn durch die Verfassung ohnehin ausgeschlossen.

 

Diese mittelalterliche Ansicht wurde durch Aktionen der Partei- und Regierungssprecher Kocsis und Kovács untermauert, die ihre Facebook-Accounts mit den Landesfarben überzogen - als explizite Gegenaktion zum in Regenbogenfarben getünchten Weißen Haus in Washington. Dieser provinzielle Akt von Verklemmtheit hat die üblichen Reaktionen im Internet provoziert und wurde teilweise zum Eigentor, den Effekt, die Anhängerschaft unter dem Sloagen des “echten Ungars” zu versammeln, erfüllte sie dennoch.

Dass Homophobie weit über das "nationalkonservative" Regierungslager in Ungarn chronisch ist, belegt ein Vorfall vom Wochenende. Ein Komitats-Abgeordneter der "Demokratischen Koaltion", Partei von Ex-Premier Gyurcsány, wurde vom Vorsitzenden persönlich und umgehend aus der Partei ausgeschlossen, nachdem er öffentlich darüber fabulierte, dass Homosexualtiät eine Krankheit, ja Verhaltensstörung ist, die behandelt gehört. - Wenn eine solche Einstellung auch beim Fidesz Ausschlussgrund wäre, könnten geschätzt 80% der Mitglieder gehen...

a.l.


 



Unabhängiger Journalismus braucht
die Hilfe seiner Leserinnen und Leser!
18watchingYoupl (Andere)
Bitte unterstützen auch Sie den PESTER LLOYD!


 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

Unterstützen Sie den Pester Lloyd!