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(c) Pester Lloyd / 29 - 2015     WIRTSCHAFT    18.07.2015

 

Ein Tizian für den Gouverneur: Wieder ein dubioser Kunstkauf der Ungarischen Nationalbank 

Die Ungarische Nationalbank hat sich wieder einmal ein Bild gekauft. Im Rahmen des Programmes "Wertdepot" erwarb die MNB das Gemälde "Maria mit Kind und Apostel Paulus" des Renaissance-Meisters Tizian. Unnötig, intransparent und überteuert findet die Opposition diese Anschaffung und weist ein weiteres Mal auf die gigantische Umverteilung von öffentlichem Vermögen durch die Zentralbanker hin. Die zucken nur mit den Schultern.

Das Gemälde ist nicht nur das einzige Bild des Italieners Tizian  (1488-1576) im Lande, sondern möglicherweise auch das wertvollste Kunstwerk, das sich in Ungarn in Privatbesitz befand. Es gehörte einem Pécser Privatier, der es angeblich im Wohnzimmer hängen hatte und tauchte bereits vor einigen Jahren erstmals bei einem Auktionshaus auf, zum Rufpreis von 1,8 Mrd. Forint. Die Nationalbank legte jetzt 14,5 Mio. EUR, 4,5 Mrd. Forint dafür hin. 15% des für das "Wertdepot" geplanten Budgets bis 2018.

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Bereits im April des Vorjahres kaufte die MNB u.a.
eine Guaneri-Geige in Wien für rund 4 Mio. EUR, ein Bild von Peter Breugel d.Ä. sowie mehrere Gemälde ungarischer Maler verschiedener Epochen, darunter ein Monumentalwerk von Mihály Munkácsy, das zur sog. Christustrilogie gehört. Der Kauf eines weiteren Bildes dieses monumental-frömmelnd-nationalistischen - und daher gut zur aktuellen Regierung passenden - Triptichons scheiterte vorerst am Preis. Der Eigentümer, ein Hungaro-Amerikaner verlangt rund 2 Mio. EUR mehr als die Nationalbank bereit ist zu zahlen. Die Regierung verhängte daraufhin ein Ausfuhrstopp auf die in Debrecen gezeigte Leihgabe, ein Schritt der gemäß internationler Übereinkommen über Leihgaben als unrechtmäßig einzustufen ist.

Insgesamt hat die MNB unter Gouverneur Matolcsy bereits rund 450 Mio. EUR aus Mitteln der MNB, also ungarischem Staatsvermögen, für Immobilien (davon einige, wie
das Eiffel Palais und ein Schlosshotel zu offensichtlich überhöhten Preisen und mit diffusen Eigentümerstrukturen) und Kunstwerke veranlagt, weitere 800 Mio. EUR wurden als Stiftungskapital für eine Reihe von "Bildungsstiftungen" unter dem Dach der "Pallas Athene" ausgelagert, die "neoliberalen Irrlehren" entgegentreten sollen.

Die Kritiker dieser Politik sprechen von einer schleichenden Umverteilung öffentlicher Mittel in private Hände, unklaren Eigentümerstrukturen auf Seiten der Verkäufer und Versorgungsposten für Fidesz-Funktionäre, die über die Stiftungen nach Gutdünken Aufträge in Millionenhöhe vergeben könnten. Hinzu kommt, dass sich MNB-Gouverneur Matolcsy konsequent einer
parlamentarischen Kontrolle entzieht

Zwar sei der Erwerb von Anlageobjekten, auch Kunstwerken durch Nationalbanken durchaus gängige Praxis, in Ungarn mangele es jedoch entschieden an der nötigen Transparenz und Wertschöpfungsstrategie. Die Gelder wären in konkreter Wirtschaftsförderung besser angelegt, das Land habe nicht solche Reserven, dass die Zentralbanker einem solchen Luxus fröhnen könnten.

Auch zum aktuellen Kauf des Tizians gibt es diese Kritik. Nach Meinung der Liberalen Partei habe Matolcsy gar nicht die Kompetenz allein über einen solchen Erwerb zu entscheiden, daher müsse der Aufsichtsrat tätig werden. Dieser wurde
kürzlich neu besetzt und besteht ausschließlich aus Fidesz-Leuten sowie einem Abgeordneten der neonazistischen Jobbik als "Oppositionsvertreter".  Beim neuen Aufsichtsratschef dürfte das Parteibuch die einzige Qualifikation für den Posten sein.

 

"Die Chefs der Nationalbank behandeln das Geld der Steuerzahler als wäre es ihr eigenes, verfügbar um es für ihre Lustbarkeiten zu verschwenden." Diese "Luxusausgaben müssten per Gesetz gestoppt werden", fordern die Liberalen. Die Partei "Dialog für Ungarn" kündigte eine amtliche Informationsanforderung bei der MNB an, die vor Gericht landen wird, wenn sich die Nationalbank wieder weigern sollte, ausreichend Auskunft zu geben. Nach ihren Informationen lag der Marktwert des Gemäldes vor sechs Jahren bei etwa 1,4 Mrd. Forint, es sei "zweifelhaft", dass sich dieser binnen einiger Jahre mehr als verdreifacht haben könne. Daher ist dahinter "ein Mechanismus der Veruntreuung" zu vermuten.

Die MNB erklärte bisher nur kurz, dass der Erwerb eine wertsichernde Maßnahme sei und u.a. auch dazu diene, zu verhindern, dass bedeutende Kunstwerke "außer Landes geschafft werden können und so für Ungarn verloren gehen." Die Beschaffungsmodalitäten seien "konform mit den Vorschriften", alles weitere ginge die Opposition nichts an, denn die MNB sei "laut Verfassung unabhängig", was von Gouverneur Matolcsy so interpretiert wird, dass er machen kann, was er will. Ob das Werk, wie zunächst angekündigt, im Museum der Schönen Künste ausgestellt werden kann, hängt jetzt auf einmal von der Expertise der Kunstsachverständigen ab. Andernfalls könnte es in einem Tresor landen - oder doch vielleicht in der MNB-Kantine, wie ein Kommentator witzelte, die man dann in "Georgshall" umbenennen könnte.

a.l.


 



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