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(c) Pester Lloyd / 33 - 2015     OSTEUROPA    12.08.2015

 

Brüllen im Sommerloch: Hitziger Schlagabtausch zwischen Rumänien und Ungarn

Der Haussegen bei den Nachbarn Rumänien und Ungarn hängt wieder einmal schief.
Der seit Juli offiziell der Korruption beschuldigte rumänische Premier, Victor Ponta, beklagt unverschämte Provokationen aus Budapest. Der nun folgende diplomatische und kleingeistige Schlagabtausch legt eine weitgehende Zerrüttung der Beziehungen offen, - doch dahinter steckt auch ein europäischer Machtkampf und ein europäisches Versagen.

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“Brauner Zwerg” und “Roter Riese”, zwei hartnäckige, aber dem Untergang geweihte Stars des europäischen Universums. Bei wessen Kollaps gibt es den größeren Bang? Wir hätten einen Tipp...

 

Mit seinem Sager im rumänischen Fernsehen am Montag antwortete Ponta auf Aussagen des ungarischen Botschafters in Bukarest, Botond Zákonyi, der Rumänien - ebenfalls über die Medien - "fehlenden guten Willen" bei bilateralen Projekten (EU-Mittel) vorwarf und damit die sich seit Jahren verzögernden Autobahn- und Pipelineanschlüsse (konkret der Szeged-Arad-Pipeline) meinte. Eine derart direkte Kritik eines Botschafters ist im diplomatischen Gebrauch mehr als ungewöhnlich und in diesem Sinne tatsächlich eine Provokation. Allerdings ist es richtig, dass etliche Infrastrukturprojekte zwischen beiden Ländern seit Jahren wegen Verzögerungen (beider Seiten, obwohl Rumänien hier bei den Schlampereien die Nase vorn hat...) vor sich hindümpeln und so die EU-Finanzierung gefährden. Hier wäre professioneller Dialog von Nöten, doch dafür bedarf es eben: Profis....

Ungarn solle sich mit seiner Kritik zurückhalten, polterte Ponta zurück und entlud eine ganze Salve gen Budapest. Schließlich sei Ungarn ein Land, dass nachhaltiger politischer Kritik der EU und Korruptionsvorwürfen (sic!) der USA ausgesetzt sei, steigenden Antisemitismus und Revisionismus verzeichne und wegen seiner Beziehungen zu Russland und dem Bau eines Stacheldrahtzauns zu Serbien in die Isolation gerate und europäische Werte gefährde. Hätte Ponta ironisches Geschick, könnte er den Ungarn vielleicht noch das Fehlen einer so effizienten Antikorruptionsbehörde wie seiner DNA vorwerfen. Denn mit einer solchen wäre der andere Viktor rechtlich längst pulverisiert. Wie auch immer: der eine ist nen Groschen wert, der andere zehn Pfennig...

Ponta weiter: er woll nicht in die Falle der Provokation tappen, die Budapest aufstelle, aber seine Regierung werde nicht unbegrenzt die amtlichen Ausbrüche Ungarns und seines Botschafters tolerieren. "Ich respektiere Ungarn und das ungarische Volk, aber ich brauche keine Genehmigung aus Budapest, um zu Fragen, die mein Land betreffen, Stellung nehmen zu dürfen".

Der ungarische Botschafter Zákonyi wurde bereits ins rumänische Außenministerium bestellt und gefragt, welchen Sinn seine "feindlichen Äußerungen" gegen Rumänien haben sollten. Als Retourkutsche zitierte das ungarische Außenamt am Dienstag den rumänischen Botschafter in Budapest, Victor Micula, zum Rapport, wo ihn Staatssekretär Levente Magyar, aufforderte die "antiungarische Agitation zurückzunehmen", die Ponta offenbar nur dazu diente, "die politische Krise in seinem Land zu überdecken." Was Rumänien mache, "widerspreche dem Begriff bilaterale Beziehungen".

Was Ungarn macht, natürlich nicht: Vor wenigen Wochen bezichtigte Orbáns Kanzler Lázár Rumänien (neben Ukraine und Kroatien) vor laufenden Kameras "antiungarischer Aktivitäten", die einen Einsatz der Geheimdienste nötig machten. Konkret benannte er dabei die "Unverschämtheit", dass die rumänische Antikorruptionsbehörde DNA, die gleiche, die übrigens auch Ponta auf dem Zettel hat, gegen einen Abgeordneten der rumänischen Ungarnpartei RMDSZ ermittelt. Dieser hatte sich daraufhin
in Ungarn versteckt und steht seitdem unter dem Schutz des Fidesz, einer Partei, die Korruption ja quasi zur Staatsform erhoben hat, sie zumindest bei den eigenen Leuten als normales Geschäftsgebaren definiert.

Ponta steht - im Unterschied zu seinem ungarischen Amtskollegen - politisch mit dem Rücken zur Wand und aufgrund der Ermittlungen der DNA kurz vor dem Sturz bzw. Rücktritt, der Orbán politisch und ökonomisch nützen würde, waren die "Geschäftsbeziehungen" zur Basescu-Seite - heute repräsentiert von dem sich neutral und staatsmännisch gebenden, jedoch eindeutig die EVP-Agenda vertretenden Klaus Johannis - stets fruchtbarer für die einschlägigen Netzwerke als das mühsame Gewerkel mit den zwar ebenfalls korrupten, aber sehr ineffizienten Sozis.

Beide politischen Blöcke in Rumänien betrachten jedoch das revanchistische Gebaren der ungarischen Regierungspartei kritisch,
die mit massiven Geldflüssen und Infrastruktur eine offen separatistische Bewegung der sog. "Székler", die Siebenbürger Volkspartei, unterstützt. Anstatt der EU-Flagge ließ Parlamentspräsident Kövér die "Székler"-Flagge hissen, Hunderttausende Hungarorumänen erhielten in beschleunigten Verfahren ungarische Pässe und dienen dem Fidesz als Wählerreserve für Ungarn und "5. Kolonne" in Rumänien. Im Gegenzug nutzen rumänische Nationalisten, aber auch die "Sozialisten" wachsende antiungarische Ressentiments, um bestehende Minderheitenrechte, z.B. über sogenannte Verwaltungsreformen, aber auch bei der Verteilung öffentlicher Mittel einzuschränken. - Wie sehr die nationalistische Saat beider Seiten aufgeht, zeigen u.a. die regelmäßigen Krawalle bei Fußballmatches beider Länder.

Die großen europäischen Machtblöcke, EVP (Konservative) und S&D (Sozialdemokraten) führen in Ungarn und Rumänien eine Art Stellvertreterkrieg, der hitzige Schlagabtausch ist nur die kleinliche verbale Manifestation dessen. Bei jeder Kritik an Orbán wird von seiten der EVP umgehend auf Ponta verwiesen. Der hat zwar demokratiepolitisch eine Menge Mist gebaut, die wesentlichen Mechanismen sind jedoch in Takt geblieben, wie nicht zuletzt die
Ermittlungen gegen seine Minister und ihn selbst belegen, die in Orbáns Ungarn schlicht undenkbar wären.

 

Während die EVP Orbán aktiv unterstützt, offenbar exemplarisches Gefallen an seiner Allmacht findet und ebenso aktiv den Sturz Pontas betreibt, um - ganz im Geiste des Kalten Krieges - ein Exempel zu statuieren, hat sich die "Sozialdemokratie" einmal mehr für passives Abwarten und Mahnen entschieden. Beim Thema Ponta bleibt man merkwürdig still, anstatt ihn aus ihren Reihen zu verstoßen, um ein klares Bekenntnis für ein demokratisches Europa abzulegen, ein Bekenntnis, dass man von der EVP hinsichtlich Orbán nie bekommen wird. Denn die Konservativen sind - nicht zum ersten Mal in der Geschichte - bereit, für ihren Machterhalt oder -ausbau auch die Demokratie aufs Spiel zu setzen.

Ponta und Orbán repräsentieren mit ihren Regierungsmethoden jeweils zwei nicht zukunftsfähige Auslaufmodelle. Doch werden sie durch die ideologische Sturheit und das machtpolitische Kalkül ihrer Unterstützer am Leben erhalten. Man könnte über die jämmerliche Performance dieser politischen Witzfiguren und ihrer Claqeure in Brüssel  herzhaft lachen, wenn sie nicht in der Lage wären, ihren Völkern und Europa insgesamt so viel nachhaltigen Schaden zuzufügen.

red.

 

 


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