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(c) Pester Lloyd / 34 - 2015     BOULEVARD    17.08.2015

 

Aprikosenkerne gegen Krebs: Wunderheilender Staatssekretär erhält Ordnungsgong von Orbáns Kanzler

Für László L. Simon, einer der emblematischen "running gags" der ungarischen Regierung, wird die Luft dünn. Ein Dutzend Dummheiten hat ihm der innere Orbán-Zirkel verziehen, als treues Kampfschwein war er stets nützlich und ausdauernd. Ja, er ist - in Stil, Geschäftigkeit und Inhalt quasi die Essenz der Regierungspartei, konzentriert auf knappe 140 Kilogramm Mensch. Doch die Kapriolen des Regierungskommissars werden immer abstruser...

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Er schätze die Arbeit von Staatssekretär László L. Simon ja sehr, er möge als einer der Lenker des Staates aber darauf achten, dass seine wirtschaftlichen Interessen seine politische Arbeit nicht beschädigen. Staatssekretäre sollten ja überhaupt keine Nebengeschäftstätigkeiten haben. So reagierte Orbáns rechte Hand, János Lázár, auf die jüngsten Kapriolen Simons, der zur Zeit als "Regierungskommissar" für den Ausbau des Burgbergs zu Orbáns persönlichem Kreml zuständig ist. Bedenkt man, welche Geschäfte die ungarischen "Staatenlenker" völlig unkommentiert und ungeahndet ausüben dürfen (offenbar gelten die als Hauptberuf), muss Simon schon einen ganz schönen Bock geschossen haben, dass ihn der eigene Parteigenosse öffentlich anzählt.

Kurz gesagt: Simons Weinkeller, der natürlich auf den Namen seiner Frau läuft, bot,neben vergorenem Rebensaft (übrigens scheußlicher Qualität wie wir im Selbttest erfahren mussten) auch eine ganz erstaunliche Innovation an: ein Gebräu aus Aprikosenkernen, das, so die Werbebotschaft, nicht nur als "Leberreiniger" wirkt, was allein schon für reißenden Absatz in der Politelite des Landes sorgen müsste, sondern auch "vor Krebs schützt".

Aprikosenkerne gegen Krebs, das ist eine der aktuellsten Wahnwünsche der Wunderheilerindustrie. Klinisch nachgewiesen ist diese Wirkung - wie meistens - nicht. Im Gegenteil, ein regelmäßig hoher Konsum der Kerne bzw. ihres Marks und der Öle ist ausgesprochen gefährlich, Stichwort Blausäure und andere Gifte in teils erstaunlichen Konzentrationen. Einer dieser Quacksalber, ein deutscher "Naturmediziner" (eine Selbsttitulierung, die sowohl der Natur, der Medizin, aber auch der Naturmedizin viel Unrecht antut), hat kürzlich seine bereits an Brustkrebs erkrankte Frau zu einer "Therapie" mit den Kernen überredet. Nun hat sie auch noch Lungen- und Herzkrebs. Bis dass der Tod...

Simons Weinfirma hatte schon einige Europaletten von dem Wundertrank verkauft und die Werbung sollte jetzt erst so richtig anlaufen. Lázárs Einwurf stoppte nun die Auslieferung. Simon erklärte, dass er mit den Geschäften seiner Frau nichts zu schaffen habe und das fragliche Produkt längst aus dem Sortiment entfernt sei. Auf der Webseite des Weingutes erscheint der Staatssekretär allerdungs mit Bild und der Tonspur eines selbst gedichteten Gedichtes - und das Weingut heißt L. Simon. Auf der Startseite heißt man die Besucher "auf unserer Seite willkommen, wo man mehr über die Weine der Familienfirma des Schriftstellers und Politikers L. Simon László erfahren" kann.

Apropos Gedichte. In einem Seiner "Werke", lesen wir folgende Verse (Übersetzung Pusztaranger): “Ich (folgte) einem laut lachenden Zwerg (…), mit dem ich von den Ärschen zerfickter jüdischer Nutten Gipsabgüsse machte (…) nicht einmal den Geruch der Scheiße spüre ich.” Da sage noch einer, die Kunst würde in Ungarn drangsaliert! Simon war übrigens vor der Machtergreifung Orbáns, Generalsekretär des nach rechts driftenden Schriftstellerverbandes. In seiner Funktion fand er, dass Nobelpreisträger "Kertész das Land andauernd verunglimpft". Kertész ist mittlerweile von Orbán zum Nationalhelden demoliert worden.

 

Kanzler Lázár kündigte bereits vor zwei Wochen einige Personalverschiebungen an, die Orbán für den Herbst plant. Vor allem im Bereich der vier Dutzend Staatssekretäre soll aufgeräumt werden, Simon ist wohl einer der Kandidaten, befinden einschlägig informierte Medien. Allerdings weiß niemand so genau, warum. Er hat als Staatssekretär für Kultur schließlich glatt versagt, eine gute Voraussetzung für richtige Politik in Ungarn. Den Posten musste er nach nur ein paar Monaten räumen, um dann als Regierungsbeauftragter für die Restaurierung des Burgbasars zu glänzen: mit Verspätung und Geldverschwendung. Sodann forderte er EU-Gelder für einige Umgehungsstraßen an - die zufällig die Zufahrt zu seiner Familienpension (mit Weingut) erleichtert, sonst aber keinen infrastrukturellen Sinn gehabt hätten. In seinem Weinberg ließ er Häftlinge auf Staatskosten arbeiten und Medien, die unbequeme Nachfragen stellten, drohte er mit Vernichtung, während er eine Steuer für die Nutzung von Facebook und Twitter forderte.

Er benimmt sich also wie jeder x-beliebige Fidesz-Politiker, nein eigentlich strengt er sich noch mehr als alle anderen an, den Vorgaben an Geschäftigkeit, Dreistigkeit und Dumpfheit Folge zu leisten. Orbán hatte ja nicht einfach so die Herrschaft der "Plebejer" ausgerufen. Aber, wenigstens vor sich selbst, will man wohl den Schein des Ernstes wahren, deshalb muss ab und an einmal einer auf die Schlachtbank. Das war bei den Jakobinern nicht anders als bei den Roten Khmer. Auch die "konservative Revolution" beginnt also ihre "Kinder" zu fressen...

red. / al.

 


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