Hauptmenü

 

Unabhängiger Journalismus braucht die Hilfe seiner Leserinnen und Leser!

Bitte unterstützen auch Sie den PESTER LLOYD!

 

andrassy2015neu2

 

(c) Pester Lloyd / 47 - 2015   WIRTSCHAFT     19.11.2015

Bürokratieabbau oder Günstlingswirtschaft? Neue Gesetze zu Steuern und Genehmigungen in Ungarn

Das ungarische Parlament beschloss Anfang der Woche ein Gesetzespaket zum Abbau bürokratischer Hürden und steuerlicher Handhabungen für Unternehmer und Privatpersonen, das von Kanzler Lázár als großer Wurf zu einem investitionsfreundlichen Staat gewertet wird. Die Maßnahmen könnten aber vor allem den Günstlingen der Regierungspartei dabei hilfreich sein, ungestört und unkontrollierter ihren Geschäften nachzugehen. Die Steuererklärungen der Bürger übernimmt der Staat auch gleich.

47finanzamtSo sollen, im Interesse der Förderung des Unternehmertums, in einigen Branchen Schritte für die Erteilung von Betriebsgenehmigungen entfallen oder zusammengefasst werden. Für Hoteldienstleistungen, Tierheime und -pensionen und den Verkauf von Edelmetallen und Schmuck bedarf es künftig gar keiner gesonderten Zulassungen mehr, was Oppositionspolitiker zur Frage drängte, ob das wirklich die Zukunftsbranchen sind, auf die die Regierung setze.

 

Der eigentliche Coup soll jedoch in der Klassifizierung von Unternehmen hinsichtlich ihres Steuerverhaltens bestehen. Danach werden als "gute Steuerzahler" solche Firmen eingestuft, die in den vergangenen fünf Jahren nicht mehr als 500.000 Forint Ausstände beim Finanzamt hatten (also ca. 1.600 EUR). Diese Unternehmen werden hinsichtlich ihrer Jahresabschlüsse und somit auch allfälliger Steuerrückzahlungen bevorzugt behandelt und können "schon" 180 Tage nach Abgabetermin 1.4.2016 mit ihren Gutschriften rechnen. Mehrwertsteuerrückerstattungen erhalten sie bereits nach 45 Tagen, ab 2017 nach 30, ab 2018 nach 14 Tagen.

Jene Unternehmen die als "riskant" eingestuft werden, haben mindestens 10 Mio. Forint (als Person) oder 100 Mio. Forint als Unternehmen an Steuern und oder Abgaben ausstehend. Sie werden künftig härter geprüft und die Bußgelder für Säumnisse werden angehoben, während die "Guten" von Tiefenprüfungen weitgehend verschont werden. Bereits 2016 sollen auf diese Weise über 525.000 Unternehmen klassifiziert werden.

Beobachter der mittlerweile
alles durchdringenden Orbánschen Kleptokratie (hier ein Paradebeispiel dafür) gehen davon aus, dass diese Regelung in erster Linie geschaffen wurden, um die Günstlingsunternehmen aus dem Prüffeld des Finanzamtes - und zwar auf legale Weise - zu bekommen und andere Firmen, z.B. ungebetene Konkurrenz härter anfassen zu können. Durch die Erhebung dieses 2-Klassen-Steuersystems in den Gesetzesstand umgeht man - so das Kalkül - Anwürfen der Steuerhinterziehuung mit amtlicher Beihilfe, denn man handelt ja nach dem Gesetz.

 

Dazu ist zu wissen, dass nach dem durch US-Intervention erzwungenen Abgang der Finanzamtschefin Vida, das Finanz- und Zollamt NAV nun quasi als Abteilung des Finanzministeriums geführt wird, also auch pro forma keine unabhängige Behörde mehr darstellt, da ein Politiker letztlich die Entscheidungen trifft.

Gleichzeitig wurde beschlossen, dass ab 2016 das Finanzamt automatisch die Einkommenssteuerjahresausgleiche von rund 1,5 Mio. Steuerpflichtigen verfasst. Ab 2017 gilt das für alle. Wer nicht will, muss also selbst keine Steuererklärung mehr abgeben, sich aber dann mit dem abfinden, was einem das Finanzamt anbietet. Werden die Amtsbescheide nicht beeinsprucht, werden sie nach 4 Wochen rechtlich bindend. Jedem Steuerpflichtigen bleibt aber das Recht der Selbstveranlagung erhalten. Der Staat kalkuliert mit der Faulheit bzw. mangelnden Sachkenntnis der Steuerzahler und hofft so auf massive Mehreinnahmen.

red. / cs.sz.

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

 

 

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854