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(c) Pester Lloyd / 13 - 2016   POLITIK     31.03.2016

Ungarn im Daueralarm: Ermächtigungsgesetze im Schatten des Brüsseler Terrors

Ungarns Premier Orbán nutzte die Terroranschläge in Brüssel vom 22. März, um das Streben nach einem Ermächtigungsgesetz zu beschleunigen, das ausschließlich ihm umfassende Sonderrechte einräumen soll. Und die Terroristen spielen ihm weiter in die Hände. Am Mittwoch erwähnte der IS auch Ungarn explizit als ein mögliches weiteres Terrorziel. Eine Drohung, die man in Budapest "ernst nehmen" will.

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Noch am Tag der furchtbaren Anschläge in der belgischen Hauptstadt ließ Orbán über sein Land, das sich bereits im Status eines "Einwanderungsnotstandes" befindet, die zweithöchste Terrorwarnstufe verhängen. Die Antiterrortruppe TÉK, auch als
Orbáns Privatarmee verrufen, fuhr mit Schützenpanzern an mehreren noralgischen Punkten des Landes, u.a. an der Zugfahrt zum Budapester Flughafen (Foto) auf, die Armee wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

 

Tags darauf befahl Orbán seinem Innenminister, "geeignete Maßnahmen zum Kampf gegen terroristische und sonstige Bedrohungen" in einen solchen Gesetzestext zu gießen, der auch in die Verfassung vernankert werden kann. Das bedeutet nichts anderes, als dass das zunächst aus der Partei lancierte Ermächtigungsgesetz, das Orbán dikatorische Macht zuteilt, nun auf ministerieller Ebene und sozusagen auf der Welle aktueller Anschläge durch das Parlament gebracht werden soll.

Als Begleitmusik überboten sich regierungsnahe Medien, "Experten" und Think tanks mit Umfragen und Analysen über die Bedrohungslage Ungarns, dabei niemals die Kausalität zur Flüchtlingswelle außer Acht lassend. Immerhin war einer der Attentäter, ergo Vorbereiter von Brüssel bzw. Paris mehrmals am Budapester Ostbahnhof geortet worden, an dem im Sommer tausende Flüchtlinge strandeten. Die Staatsmedien bringen daher auch Berichte über ein bevorstehendes Referendum über die europäische Quoten-Verteilung zu gern in unmittelbarer Nachbarschaft zu Terrormeldungen.

Für den 1. April lädt Innenminister Sándor Pintér nun die Fraktionschefs der im Parlament vertretenen Parteien ein, um dem nächsten Verfassungsputsch einen demokratischen Anstrich zu geben. Außerdem muss er auslosten, wer von den oppositionellen Abgeordneten am Tag der Abstimmung krankheitshalber zu Hause bleiben möchte, um der Regierungspartei die nötige 2/3-Mehrheit zu ermöglichen. Das Jobbik-Lager ist besonders anfällig für Ausfälle im Interesse der Nation.

Neben den bereits im Ermächtigungsgesetz
vorgesehenen Maßnahmen, will man mit dem neuen Gesetz vor allem den totalen Informationszugang für das Innenministerium bzw. dessen Krisenstab bei gleichzeitiger Unterdrückung privater Kommunikation. D.h. totale Überwachung des Einzelnen durch den Staat bei gleichzeitiger Zensur von Medien und Internet. Und das alles auf alleinigen Zuruf des Premiers. Orwell pur. Auch sollen alle "zivilen Behörden" im Notfall von ihren üblichen Informationszugriffen ausgeschlossen werden können. Als Bonbon für die Parlamentarier ließ Pintér am Mittwoch die Terrorwarnstufe auf 3 (von zuvor 2 von 5) senken.

Das Militär meldete gleichzeitig, dass die Honvéd eine schnelle Eingreiftruppe von 6.000 Mann "jederzeit an die Landesgrenzen" entsenden könnte, "um das Land zu schützen", zusätzlich zu den 2.000, die derzeit an den Zäunen Dienst tun. Stabschef Benkö erläuterte weiter, dass die Armee Teil der neuen "Antiterrorgesetze" sei und ihr darin verschiedene Aufgaben zufallen: Patrouillen, Informationssammlung, Transportdienste und "wenn nötig, militärische Einsätze."

 

Als hätte man es bestellt, veröffentlichte die "Pressestelle" des sogenannten Islamischen Staates, IS, Al-Wafa am Mittwoch ein Video-Statement, in dem man bekanntgab, dass Paris und Brüssel nur der Anfang einer Welle gewesen sei. Die Washington Post zitiert ein Schreiben, in dem es heißt, "Amerika, Du bis der nächste", aber auch Europa wird "in den Schlagzeilen bleiben." "Heute ist es Brüssel und sein Flughafen, morgen kann es Portugal oder Ungarn sein."

Umgehend meldete sich Orbáns Sicherheitsberater Görgy Bakondi, dass man "diese Drohung ernst nehmen wird", auch wenn es "nicht das erste Mal ist, dass Ungarn durch die Terrorgruppe erwähnt wurde." Es sein nun wichtig, dass sich die Parteien "weg von der Alltagspolitik" zu einem gemeinsamen Ringen für Ungarns Sicherheit verständigten. Lies: wer gegen die totale Selbstermächtigung Orbáns ist, ist gegen die Sicherheit der ungarischen Menschen.

red.



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