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(c) Pester Lloyd / 40 - 2016     POLITIK     08.10.2016

Populistengipfel: Ungarn und Slowakei schwören sich auf Blockade der EU ein

Am Freitag traf Ungarns Premier Viktor Orbán seinen slowakischen Amtskollegen Robert Fico, sein engster Verbündeter im Kampf gegen den imaginären Feind, die Flüchtlings-Quotenregelung der EU. Beide bestätigten sich ihrer kämpferischen Opferrolle. Eigentlich plante Orbán einen Auftritt in Brüssel, um bei Kommissionspräsident Juncker groß aufzutrumpfen. Dieser ließ ihn aber vorerst abblitzen und hatte ihm fernmündlich einiges mitzuteilen.

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Die Slowakei hat derzeit die rotierende Ratspräsidentschaft inne, was Orbán dazu veranlasste, die Hauptstadt der EU kurzerhand von Brüssel nach Bratislava zu verlegen. "Wir Ungarn haben immer großen Wert darauf gelegt, dass die EU eine Gemeinschaft freier Staaten bleibt. Daher ist die Hautpstadt der EU auch nicht Brüssel, sondern je nach dem Bratislava, Budapest, Bukarest, Berlin oder ein anderer Ort..."

Mit dem "Sozialdemokraten" Fico verbindet Orbán nicht nur der fremdenfeindliche Populismus und die geradezu religöse Ablehnung einer gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik, beide Länder sind auch gemeinsam vor den Europäischen Gerichtshof gezogen, um eine verpflichtende Quote zur Aufteilung von Flüchtlingen quasi als europäischen Staatsstreich Brüssels gegen die Mitgliedsländer verurteilen zu lassen. Ein Streich freilich, den beide zuvor mehrfach mit ihren Unterschriften unter die Resolutionen der Ratssitzungen zuließen.

Orbáns Logik im Nachklang des gescheiterten Referendums bleibt atemberaubend. "Da das Referendum selbst keine gesetzlichen Folgen seitens des ungarischen Parlamentes" enthielt "muss" man die Sache nun mit einer "Verfassungsänderung begleiten", denn "der Wille von 3,3 Millionen Menschen darf nicht ignoriert werden", auch wenn dieselbe Verfassung "strengere Bedingungen an die
Gültigkeit der Volksabstimmung anlegt." Immerhin hätten mehr Menschen in seinem Sinne gestimmt als damals beim EU-Referendum für den Beitritt.

Orbán habe Fico dabei versichert, dass das geplante verfassungsmäßige Verbot von aufgezwungenen Gruppenansiedlungen (so die provisorische Sprachregelung) "innerhalb des europäischen Rechtssystems" bleiben werde. Aber, "uns kann niemand zwingen".

Beim kommenden EU-Gipfel im November wollen die Slowakei und Ungarn, möglicherweise mit Unterstützung Tschechiens und Polens sowie Österreichs eine "Rückkehr zum Schengensystem" erzwingen, was für sie einen "hermetischen Schutz der Außengrenzen" bedeutet, in diesem Falle geht es vor allem um die dauerhafte Schließung der Balkan- und Alpenrouten, der Einsatz einer europäischen Grenzarmee in Bulgarien und vor allem in Griechenland. Es führe kein Weg daran vorbei, dass die EU wieder zur Anwendung der früheren, ordentlichen Rechtslage zurückkehre, tönte Orbán am Freitag.

Das dürfte ein spannender Gipfel werden. Denn Westeuropa könnte genauso konsequent auf die Wiedereinsetzung der Dublin-III-Regeln beharren, die ja auch zur "ordentlichen Rechtslage" gehören, Ungarn hätte dann zwar geschlossene Grenzen, müsste sich aber um einige Hunderttausend bereits in Europa befindliche Flüchtlinge selbst kümmern. Die EU-Größen hatten Dublin III - wenn auch eher inofiziell - ausgesetzt, weil seine Durchführung ja zu einer einseitigen Belastung solcher Länder wie Italien, Griechenland, aber eben auch Ungarn führte bzw. geführt hätte.

Dass der Schutz der Schengenaußengrenzen nicht hermetisch machbar war und die Flüchtlingswelle 2015 - zumindest in dem Ausmaß und der zeitlichen Raffung - nicht vorhersehbar, ist ebenso offensichtlich wie die Notwendigkeit - eben einer gemeinsamen, solidarischen, neuen - Grenz- und Flüchtlingspolitik, der sich Orbán durch seinen narzisstischen Alleingang verschließt.

Orbán bedankte sich bei sich selbst dafür, dass er "meinen lieben slowakischen Freunden" den "Anblick lebender Einwanderer" erspart habe, in dem er "unsere Südgrenze verteidigt" hatte, nachdem dort Hunderttausende "unkontrolliert" (warum eigentlich?) passierten. Orbán schob nach, dass "das was in Paris passiert ist, leider auch in Bratislava oder Budapest passieren kann, in diesem Spiel geht es also nicht um Bohnen" (lies: peanuts, der Einsatz ist hoch).

Fico habe als "rotierender Ratspräsident" das Ergebnis des ungarischen Referendums zu akzeptieren, ebenso die Absicht Ungarns, die Verfassung zu ändern, das sei eine nationale Angelegenheit. Auch aus seiner Sicht seien die wichtigsten Themen des kommenden EU-Gipfels der Schutz der Außengrenzen und der Umgang mit den "Flüchtlingskontigenten", das Thema der verpflichtenden Quoten sei für ihn "tot". Man werde beim Innenministertreffen am 13. Oktober versuchen, einen Kompromiss zu finden. Aber: die "verpflichtende Quotenregelung muss von der Agenda entfernt werden".

 

Ein von ungarischer Seite gewünschtes Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude "Hallo, Diktator!" Juncker wurde seitens Brüssel zunächst "aus terminlichen Gründen" verhindert. Juncker hatte Orbán dennoch etwas mitzuteilen, bei einer Diskussion im Insititut Jaques Delors in Paris sagte er: Man könne Europa nicht handlungsfähig machen, wenn die Mitgliedsländer jedes Mal zunächst gemeinsam gefasste Beschlüsse anschließend durch ein von der nationalen Regierung organisiertes Referendum in ihr Gegenteil verkehren. Damit spielte Juncker zum Einen darauf an, dass Orbán der Quotenregelung im Rat zugestimmt hatte (was ihm zuvor der ständige Ratspräsident Tusk bereits vorwarf) und zieh ihn zugleich, Europa absichtlich "unregierbar" zu machen. Das sei ein "sehr gefährlicher Weg".

Mehr zu den geplanten Verfassungsänderungen in Ungarn lesen Sie hier

red.

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