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(c) Pester Lloyd / 41 - 2016    POLITIK     14.10.2016

Angstfrei nach Brüssel: Aktuelles aus der ungarischen Politik

Ohne die geplante Verfassungsänderung sei ein Schutz der Grenzen Ungarns nicht möglich. Mit dieser absurden These trat Orbáns Kabinettschef, János Lázár, am Donnerstag vor die Presse. Weitere Themen waren die "unbegründeten Ängste" über eine Einstellung der EU-Zahlungen, Geldspritzen für diverse Projekte sowie zynische Statements zum Ende der "Népszabadság", den Affären Helikopter, Matolcsy, dem Plakatmonopol und der Anonymisierung von Spenden.

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Es sei die "Entscheidung der Wähler", die man nun in der Verfassung mit dieser "essentiellen Änderung" verankere. Wohlgemerkt, das Referendum vom 2. Oktober ist nach den Maßgaben der von Fidesz selbst geschriebenen Verfassung ungültig. Aus den geplanten Fünf-Parteien-Gesprächen für einen parteienübergreifenden Konsens ist inzwischen ein Dialog zwischen Fidesz-KDNP und Jobbik geworden, wobei letztere ihre Unterstützung bei der Abstimmung - erwartungsgemäß - zusagten.

 

Lázár wiederholte Orbáns Vorhaben, beim kommenden Rat der EU-Regierungschef dafür zu sorgen, dass die "verpflichtende Verteilungsquote für Flüchtlinge von der Agenda verschwindet". Man unterstütze dabei "die deutschen Pläne, die Einwanderung durch Abkommen mit der Türkei und den arabischen Staaten einzudämmen", doch "nichtsdestotrotz müssen wir unsere Grenzen schützen".

Die Regierung hat das Budget des Innenministeriums um weitere 30 Milliarden Forint (fast 100 Mio. EUR) aufgestockt, "zum Schutz der serbisch-ungarischen Grenze", seit letztem Jahr habe das "Management der illegalen Einwanderung" in Summe 100 Mrd. Forint (290 Mio. EUR gekostet).

Lázár nahm, gemeinsam mit Regierungslautsprecher Kovács zur
im Raum stehenden Sperrung von EU-Geldern für Ungarn Stellung. "Sämtliche Ängste" in diese Richtung seien "völlig unbegründet". Freilich könnte Brüssel jederzeit "irgendwelche politischen Entscheidungen fällen", aber damit würde man "nicht die Regierung bestrafen, sondern die ungarischen Bürger". Diese Anmerkung trägt Freudsches Potential, impliziert Lázár hier schließlich den Begriff einer Bestrafung, der von der EU in keiner Form verwendet wurde. Jedenfalls wolle er nächsten Mittwoch nach Brüssel reisen (im Helikopter?), "um die Situation zu klären."

Ungarn werde, was immer auch man glaube, in Summe 8.900 Milliarden Forint in der laufenden Finanzierungsphase kassieren, satte 32 Milliarden Euro bis 2020, die nicht weniger als 5% des BIP direkt repräsentieren, in Gänze aber rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung tragen, darunter rund 76% aller öffentlichen Investitionen. Ungarn hat durch Hals-Über-Kopf-Gesetze bereits rund 2/3 dieser Summe durch 272 absolvierte Ausschreibungen abgedeckt, bekommt nun aber Probleme bei einer ordentlichen Zuweisung, der geforderten Kofinanzierung und einer nachvollziehbaren Abrechnung, wie
hier genauer beschrieben.

Auf der wöchentlich stattfindenden Pressekonferenz von Orbáns Adjudantem ging es um weitere Details aktueller Projekte. Das bereits vor geraumer Zeit angekündigte neue Groß- und Vorzeigekrankenhaus, das zunächst auf dem Gelände des Szent János Kórház errichtet werden sollte, soll nun auf einem Gelände unweit des Bahnhofs Kelenföld realisiert werden. Die gute Erreichbarkeit sei ausschlaggebend dafür. Architekt Tamás Noll soll den Komplex mit über 1.000 Betten realisieren. Kritiker sehen darin ein Prestige-Projekt, das dringend benötigte Mittel in den Provinzen zur Aufrechterhaltung der Versorgungslage abzieht.

Angekündigt wurde auch der Anschluss der westungarischen Stadt Esztergom an die Autobahn M1 (Budapest-Wien). Dies soll über einen Anschluss westlich von Zsámbék geschehen, die Kosten dafür werden mit 90 Mrd. Forint angegeben.

Ein ewiges Thema, das nie Früchte trägt, die "Reduktion von Bürokratie". Einmal mehr sollen 250 Mrd. Forint in den kommenden drei Jahren für eine Effektivierung der Verwaltung ausgegeben werden, gleichzieit damit sollen 45 Vorschriften adaptiert werden. Konkretes verschwieg Lázár, es wird über die Entlassung von 100.000 öffentlich Bediensteten spekuliert, im Rahmen einer dritten Reinigungsaktion.

Weitere 1,5 Mrd. Forint wurden freigegeben für die "Renovierung von folkloristischen Denkmälern" wie Mühlen und Höfen, 2 Milliarden Forint für die Instandhaltung für Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkrieges, 680 Millionen Forint gehen zusätzlich an das "Nationale Tanztheater", weil die bisherigen 3,3 Mrd. für ein neues Gebäude nicht reichten.

In der Fragerunde ging es sogleich um die
Schließung der "Népszabadság". Die Regierung habe damit nichts zu tun, noch hätte sich einer der Leser an die Regierung gewandt. Es wäre auch "befremdlich", wenn die Regierung sich mit der Rettung einer Zeitung befassen müsste. Man solle gefälligst den Verleger fragen, was seine Motive für die Einstellung seien, am Ende entscheiden wohl die Leser und Abonennten über das Schicksal einer Publikation. "Wir haben, trotz großer gegenteiliger Anstrengungen der Népszabadság, 2010 und 2014 eine Zweidrittelmehrheit bei Wahlen erlangt. Welche Motivation also sollten wir haben, die Zeitung zu schließen...?", verlautbarte Lázár, eine Anmerkung, die zynischer kaum sein könnte, sagt sie doch auch, dass die Macht dazu durchaus bei der Regierung läge. Allerdings wünsche er sich eine "faire Behandlund der Mitarbeiter". Eigener Mediaworks bzw. VCP hat für Freitag zu einer Pressekonferenz nach Wien geladen.

Zum
Plan des Plakatmonopols meinte Lázár, dass es dabei lediglich um die Beendigung des optischen Chaos´ in den Straßen ginge.

 

Hinsichtlich der Lüge seines Kollegen, dem Minister im Amt des Ministerpräsidenten (Orbán hat den Job quasi zwei Mal vergeben, Teile und Herrsche... ), der zunächst behauptete nicht mit einem Luxushelikopter am Tag des Referendums zu einer privaten Hochzeitsfeier geflogen zu sein, woraufhin er durch Fotos überführt wurde, sagte Lázár: Rogán habe wohl einen Fehler gemacht, das Parlament wisse darüber bescheid. Er selbst würde nie mit Hubschraubern fliegen, ihm würde schon schwindlig, wenn er sich auf einen Stuhl stelle....

Hinsichtlich des Skandals (ein beinharter Interessenskonflikt), wonach der Nationalbankchef Matolcsy eine Luxuswohnung aus dem Besitz des Chefs der Ungarischen Bankenvereinigung anmietet, wollte Lázár die "Entscheidungen der unabhängigen Zentralbank" nicht kommentieren, bittet um mehr "Aufmerksamkeit bei der Optik".

Die im Eilverfahren durchs Parlament geprügelte
Anonymisierung von steuerlichen Spenden tat Lázár lapidar damit ab, dass es sich bei diesen Geldern nicht um öffentliche Mittel handele (sehr wohl, da es ja Steuern sind) und die Geheimhaltung der Spenden eine gute Entscheidung sei, weil so wohl mehr Unternehmen und Steuerzahler motiviert würden, ihren Anteil gemeinnützigen Zwecken zuzuführen.

red.

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