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(c) Pester Lloyd / 46 - 2016    WIRTSCHAFT     13.11.2016

Große gefördert, Kleine geschröpft: Mindesthungerlohn in Ungarn soll steigen, Abgaben für Arbeitgeber sinken

 UPDATE: Um bis zu 25% soll der nominale, gesetzliche Mindestlohn im kommenden Jahr steigen, der SV-Arbeitgeberanteil dagegen stufenweise um 4%, dann um 2% sinken. Das geht aus einer außerplanmäßig an die Öffentlichkeit gelangten Regierungsvorlage und ersten Gesprächen der Sozialpartner vom Wochenende hervor. Offenbar aber verzichtet die Regierung auf eine zwingende Kopplung von Abgabensenkung an Lohnerhöhungen. Das hilft vor allem einer Gruppe von Unternehmen, nicht aber deren Angestellten.

 

Nach dem durchgesickerten Dokument sollte der gesetzliche Bruttomindestlohn für Arbeitnehmer mit Ausbildungsabschluss von 111.000 Forint auf 122.100 (395.- EUR) Forint 2017 angehoben werden. Gleichzeitig sollen die arbeitnehmerseitigen Abgaben auf die Löhne (Arbeitgeberanteil) um 5 Prozentpunkte von 27 auf 22% gesenkt werden.

Bei den geleakten Dokumenten handelt es sich noch nicht um eine Gesetzesvorlage, sondern die Basis für die in der kommenden Wochen angesetzten Gespräche mit Arbeitgebervertretern darüber, wie man dem akuten Fachkräftemangel in einigen Schlüsselbranchen bremsen kann. Erste Ideen dazu wirkten noch unausgereift und hektisch.
Mehr dazu hier. Die Liste der tatsächlich bereits geplanten Steueränderungen 2017 finden Sie hier.

UPDATE 14.11.: Nach ersten Gesprächen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern am Wochenende modifizierte Minister Varga seinen Vorschlag. Die Arbeitgeber ließen zunächst anklingen, dass man grundsätzlich mit dem Geplanten zufrieden sei, sich aber nicht bei den 5%-Abgabensenkung ausruhen solle. Man erwarte weitere Senkungen der Arbeitskosten, freilich nur, um die Löhne anheben zu können (Natürlich!). 2,5 Prozentpunkte 2018 und 2019 sollten es jeweils sein.

Wirtschaftsminister Varga kam dieser Forderung teilweise entgegen, in dem am Freitag nach ersten Gesprächen seinen Vorschlag auf 4% Abgabensenkung 2017 und weitere 2% 2018 modifizerte, gleichzeitig aber den nominalen Mindestlohn aber um 25% anzuheben gedenkt, weitere 18% in 2018. Das wurde den Arbeitgebern zu viel, würden das Gehaltserhöhungen von 3,2 Mrd. EUR (umgelegt auf alle Arbeitnehmer) bedeuten, was man - schon gar nicht bereits 2017 - tragen könne. Die Gewerkschaften ließen ihre Zweifel laut werden, dass die Abgabensenkungen und Mindestlohnanhebungen auf alle Gehälter durchgereicht würden und fürchten eine verkappte Subvention für Unternehmer, statt einer Verbesserung der Einkommen für die Arbeitnehmer.
 /UPDATE

Ohnehin stellt der gesetzliche Mindestlohn nur eine Richtgröße für die Kalkulation von Personalkosten und die Projektionen der Sozialkassen dar. Während ihn kleine Unternehmen nämlich durch den Abschluss von Teilzeitverträgen umgehen, die Angestellten aber Vollzeit beschäftigen, setzt der Staat ihn gleich ganz außer Kraft, in dem er u.a. den Kommunalen 1-Forint-Jobbern nur maximal die Hälfte zugesteht. Die freie Wirtschaft unterliegt ohnehin anderen Zwängen, so stiegen die Löhne dort im Vorjahr im Schnitt um 7%, abgekoppelt von den Mindestlohnentwicklungen.

Zentral bleibt die Frage, ob die fünfporzentige Abgabensenkung zwingend an gleichwertige Gehaltserhöhungen gekoppelt werden (wie zunächst geplant) oder ob sich diese ursprüngliche Forderung mit der Anhebung des Mindestlohns erledigt hat. Das würde nämlich bedeuten, dass all jene, die ohnehin schon über Mindestlohn beschäftigen (weil sie anders gar keine entsprechend qualifizierten Mitarbeiter finden), also z.B. die Autoindustrie, die Abgabensenkung quasi als Geschenk bekämen, während die überwiegend kleinen Unternehmen, die sich mehr als Anstellungen zum Mindestlohn gar nicht leisten können, zu einer 10%igen Gehaltserhöhung gezwungen wären.

45minimallohn (Andere)


Diese Umverteilung von Unten nach Oben findet ja durch die Abschaffung der Freibeträge bei der Einkommenssteuer und die Anhebung bzw. Neuschaffung von Verbrauchssteuern schon seit Jahren statt und würde nun lediglich auf die Unternehmensebene übertragen. Daher sagt die in der MTI-Grafik aufgeführte Entwicklung der Mindestlöhne seit 2000 auch nichts über den Wert des Geldes, also die Veränderung in den Lebensumständen aus.
Andere Erhebungen sind dazu viel aussagekräftiger, besonders schreckend beim Thema Kinderarmut.

 

Die Senkung der Abgaben eingerechnet, handelt es sich dabei um monatliche Mehrkosten von 8.600 Forint (27.- EUR) pro Arbeitnehmer, der zum Mindestlohn angemeldet ist. Umgerechnet auf den statistischen Durchschnittslohn (258.000 HUF) würde es sich um eine Nettolohnerhöhung um 17.000 Forint (54.- EUR) pro Monat handeln, die Lohnkosten würden hier um 19.000 Forint pro Arbeitnehmer im Monat steigen. In Netto bedeutet der neue Brutto-Mindestlohn von 122.100 Forint übrigens 81.200 Forint (262.- EUR), nach Kaufkraftparität sind das ungefähr 30% weniger als die 65.000 Forint unter der Vorgängerregierung. Die Armutsgrenze wird in Ungarn heute offiziell bei 88.000 Forint gezogen, d.h. der gesetzliche Mindestlohn liegt darunter, das ist Elend mit System.

Arbeitnehmervertreter, so sie in den Überlegungen der Regierung überhaupt ein Ohr erhalten, fordern für 2017 eine Anhebung von 16,3, für 2018 weitere 13,3% und argumentieren mit "lebensnotwendigen Ausgaben" und sonstigem sozialromantischen Quatsch. Mit diesen Erhöhungen würden die zu erwartenden und teils angekündigten Anhebungen von Verbrauchssteuern geradeso ausgeglichen.

red.

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