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(c) Pester Lloyd / 46 - 2016    WIRTSCHAFT     17.11.2016

Mit der Brechstange: Ungarn senkt Körperschaftssteuer radikal auf 9%

Die Ankündigung der Maßnahme übernahm Premier Orbán höchstpersönlich. Am Donnerstag erklärte er auf einer “Digitalkonferenz”, dass die Körperschaftssteuer, also die Steuer, die Unternehmen auf ihr Betriebsergebnis zu entrichten haben, ab 2017 auf 9% gesenkt werden wird. Damit werden die Profite steigen, aber ob das auch für die Löhne gilt, um Fachkräfte im Land zu halten, bleibt fraglich.

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Gleichzeitig mit der Einführung einer einheitlichen Körperschaftssteuer von 9% werden Ausnahmen abgeschafft, das heißt die Steuer gilt für alle Unternehmen, unabhängig von Umsatz und Betriebsgewinn (nur Kleinunternehmen unter den Modellen KIVA und KATA bleiben ausgenommen). Der bisherige Steuersatz lag für Unternehmen mit Umsätzen von unter 500 Mio. HUF im Jahr (also 1,7 Mio. EUR) bei 10%, für alle darüber bei 19%.

Die Entlastung hilft also größeren Unternehmen mehr als den Kleinen. Einen ähnlichen Effekt gab es 2011 bei der Einführung der Einkommenssteuer von 15%, die auf großen Beifall aus neoliberalen Kreisen stieß, wobei übersehen wurde, dass mit der Abschaffung sämtlicher Freibeträge ein neues Prekariat entstand und die Maßnahme mehr als 35% unter die Armutsgrenze stieß.

Mit der deutlichen Senkung will Orbán zwei Ziele erreichen. Zunächst ist es ein Signal im regionalen Steuerwettbewerb und für die Wettbewerbsfähigkeit insgesamt, bei der Ungarn in den letzten Jahren deutlich zurückfiel. Immer noch sind - relativ - die Lohnnebenkosten in Ungarn exorbitant hoch. Auf diese Weise hofft Orbán, Unternehmen den Schritt nach Ungarn wieder schmackhafter zu machen oder die anwesenden im Lande zu halten. (Heute wurde z.B. bekannt, dass binnen fünf Jahren 1.400 von 3.200 US-Firmen dem Land den Rücken gekehrt hatten)

Der zweite Hintergrund: mit der Steuersenkung will Orbán den Unternehmen Manövrierfähigkeit bei Löhnen geben, denn "gleichzeitig habe ich Wirtschaftsminister Varga gebeten, den Mindestlohn so stark wie möglich anzuheben, aber so, dass es für die Unternehmen noch verträglich bleibt." Ohne markante Lohnerhöhungen lässt sich die weitere Abwanderung von Fachkräften nicht stoppen, darin sind sich Ökonomen und Politik einig.

Zu dem komplexen Thema Mindestlohn, Lohnstruktur und Lohnkosten und deren Wirkungen mehr
in diesem aktuellen Beitrag

Eine deutliche Senkung der Körperschaftssteuer war seit langem eine Forderung großer, in Ungarn tätiger Unternehmen, allen voran Daimler. Dessen Lobbyist, der ehemalige CDU-Politiker Eckart von Klaeden intervenierte 2014 im Vorfeld eines Merkel-Besuches in Budapest sogar direkt bei Orbán, um einen steuerlichen Nachlass gegen das Versprechen des Verbleibens in Ungarn auszuhandeln. Die Steuersenkung ist zudem in Zusammenhang mit dem
OK der EU für den Ausbau des AKW Paks 2 zu sehen. Der EU-Kommissar und Kernkraftfreund Oettinger und der Ex-Daimler-Manager und heutige Russland-Lobbyists, Mangold, glätteten in Brüssel die Wogen für Orbán, Daimler und Co. streichen nun die Rendite ein.

 

Wie sehr die angekündigte Steuersenkung das Budget betreffen ist noch unklar. In diesem Jahr will man 690 Mrd. Forint einnehmen, nach 550 Mrd. im Vorjahr, der Budgetentwurf 2017 sieht 734 Mrd. Forint vor, eine Kennzahl, die nicht zu halten sein wird. Erste Hochrechnungen gehen von 160 Milliarden Mindereinnahmen aus (ca. 600 Mio. EUR). Üblicherweise wurden solche Posten über die Erhöhung von Verbrauchssteuern ausgeglichen, trafen also die Bezieher geringerer Einkommen härter als alle anderen.

Offen bleibt auch die Frage, ob die Steuersenkung - ähnlich wie die angekündigten Senkungen der Arbeitgeberanteile an den Lohnkosten - an entsprechende Lohnerhöhungen gekoppelt werden. In seiner Ankündigungen erwähnte Orbán davon nämlich nichts.

Ebenfalls gesenkt wird die Mehrwertsteuer auf Internetdienstleistungen, von 27% auf 18% 2017 sowie auf 5% ab 2018. Auch diese Maßnahme dient der Anlockung von Unternehmen der Branche.

red

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