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(c) Pester Lloyd / 46 - 2016    GESELLSCHAFT     17.11.2016

Früchte des geschürten Hasses: Fremdenfeindlichkeit in Ungarn auf Allzeithoch

Orbáns massive Hetzkampagne gegen Flüchtlinge war ein voller Erfolg. 58 Prozent der Ungarn lehnen heute das Zusammenleben mit Nicht-Ungarn kategorisch ab, 28 Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren. Nur 1% zeigt sich fremden Kulturen überhaupt noch aufgeschlossen. Gleichzeitig änderte sich der Fokus der Ablehnung. Nicht mehr der "Zigeuner" ist der meistgehasste "Fremde", sondern "der Araber", selbst wenn er christlich ist.

46fluechtlinge2015 (Andere)


 

Die Auswertung zweier aktueller Studien, des Tárki Institutes sowie von Závecz Research in Auftrag von index.hu, kommt zu dem Schluss, dass die Xenophobie, also Fremdenfeindlichkeit in Ungarn seit Beginn strukturierter Erhebungen vor 25 Jahren noch nie so hoch war wie heute. Vor 2012 verortete Tárki rund 30% der Bevölkerung als "fremdenfeindlich", der Anteil wuchs bis 2015 auf 41%-46% an und legte bis heute auf 58% zu. Bei Wahlen würde die Regierungspartei heute 54% erhalten.

Tárki unterscheidet bei seiner Erhebung drei Gruppen: fremdenfeindlich, aufgeschlossen gegenüber fremden Kulturen und unentschlossen. 1992 sahen sich 73% der Befragten als neutral in der Frage, nur 15% als xenophob, 12% als xenophil. Die letzte Erhebung stellt einen kompletten Wandel dar: 41% sehen sich als unentschlossen (53% noch 2015), als Fremden gegenüber aufgeschlossen sehen sich indes nur noch 1% (2015: 6%), als fremdenfeindlich sehen sich 58% (2015: 41%). Zum Vergleich: in Deutschland liegt dieser Wert heute bei 24%.

Die Forscher merken an, dass der Anteil der Fremdenfeindlichkeit erst signfikant stieg, als die Flüchtlingsmassen aus dem Stadtbild Budapests und von den Grenzübergängen verschwunden waren und die Regierung ihre
Referendums-Kampagne anzog. Während des Höhepunkts der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 stieg hingegen die Zahl der Unentschiedenen, während die Prozentzahlen der Bekennenden auf beiden Seiten schrumpften.

Die Meinungsforscher nennen dies das Phänomen des "gesichtslosen Feindes", irrationale Ängste gegenüber der Einschätzung realer Bedrohungen. Wenn man mag, kann man darin einen Funken Empathie für das Schicksal der in Budapest Gestrandeten und Leidenden erkennen, wenn man nicht mag, ist zu konstatieren, dass der Mensch offenbar spielend leicht manipulierbar ist. Was dabei schnell unter den Tisch fällt. Auf der Basis dieser "Stimmungen" definiert die Regierung einen
"Volkswillen" und rechtfertigt damit teils menschenfeindliche, zumindest unrechtsstaatliche Gesetze und Maßnahmen.

 

Závecz Research fragte die Ungarn kurz nach dem Referendum, ob sie Minderheiten als Nachbarn akzeptieren würden und wenn ja welche am ehesten bzw. am wenigsten. Nur 21% der Befragten würden Araber in ihrer Nachbarschaft tolerieren, 32% hätten nichts gegen Roma (im übrigen sind das Ungarn), ebenfalls nur 35% würden christlichen Flüchtlingen aus Syrien ein neues Heim in Ungarn gönnen, d.h. ganze zwei Drittel verweigern sogar Glaubensbrüdern das Notwendigste, nur weil sie aus dem "falschen" Land kommen.

45% hätten nichts gegen Homosexuelle als Nachbarn (oder umgekehrt gesehen: 55% hätten was dagegen), 47% akzeptieren Chinesen, nur jeder Zweite will Amerikaner in der Nachbarschaft, 51% wären immerhin mit "afrikanischen Studenten" einverstanden. "Nur" 43% hätten etwas gegen Juden, 40% wollen keine Rockmusiker nebenan und immerhin 23% lehnen sogar ethnische Ungarn aus Rumänien als Nachbarn ab.

Wieviele der Befragten sich selbst hassen und nicht einmal ihr Spiegelbild ertragen können, war nicht Teil der Fragestellung der Demoskopen, wäre aber bestimmt eine Untersuchung wert - nicht nur in Ungarn!

red. / m.s.

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