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(c) Pester Lloyd / 03 - 2017    WIRTSCHAFT      20.01.2017

Maulkorb für OLAF: Millionenbetrug um Metro 4 in Budapest wird zum Politikum

Die "Internationale Linke" sei Schuld an der Entwendung mehr als einer halben Milliarde Euro beim Bau der Budapester Metro 4. Das behauptet die Fidesz-Regierung und will anhand der EU-Akten nun gezielte Ermittlungen aufnehmen - freilich nur, was die Vorgängerregierungen betrifft. Warum man die Akten der EU-Antibetrugsbehörde OLAF nicht veröffentliche, fragt die Opposition. Dagegen sprechen ebenfalls Millionen Gründe...

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Wie
zu Weihnachten gemeldet, empefiehlt die EU-Antibetrugsbehörde OLAF, die fast schon ein eigenes Ungarn-Dezernat betreibt, der EU-Kommission, fast 300 Millionen Euro für den Neubau bzw. die Renovierung der Budapester Metrolinie M4, die unmittelbar vor den Parlamentswahlen nach 12jähriger Bauzeit 2014 eröffnet wurde, von Ungarn zurückzufordern.

In dieser Woche ging die Regierung - aus Angst vor dem Verlust von EU-Millionen - in die Offensive und erklärte, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen unter Einbeziehung der OLAF-Akten aufnehmen werde, um herauszufinden, wer hinter der Entwendung oder Fehlverwendung von Hunderten Millionen Euro steckt. Orbáns Kabinettschef Lázár wolle höchstselbst Anzeige erstatten. Die Regierung spricht mittlerweile von bis zu 540 Mio. EUR, die hinterzogen worden seien, OLAF von bis zu 300 Mio. EUR, die die EU zurückfordern sollte.

Budapests Bürgermeister sowie weitere Fidesz-Funktionäre ergänzten indes, dass man sich lediglich der Bauphase von 2005-2009 annehmen werde, als die links-liberalen Parteien an der Macht waren, denn: von den 80 durch OLAF identifizierten Unregelmäßigkeiten, falle nur eine einzige in die Zeit der Fidesz-Regierung. (Was man nicht sagte, ist, dass dieser eine Fall rund ein Drittel der gesamten Summe ausmacht und etliche weitere noch anhängig sind). Minister Lázár sprach von einem "kriminellen Akt der internationalen Linken", denn auch in Dänemark, Frankreich, Großbritannien und Österreich seien dazu Ermittlungen im Gange.

Laut OLAF wurden praktisch alle Ausschreibungen rund um den U-Bahn-Ausbau manipuliert, sei es, um den "richtigen" Gewinner zu installieren oder, meistens und, um die Kosten nach oben zu treiben. Dabei sollen Schmiergelder bzw. Kick-Back-Zahlungen in Millionenhöhe auch an Politiker geflossen sein, während die beteiligten Unternehmen ungerechtfertigte Profite auf Kosten der Allgemeinheit realisierten. Die Abrechnungen seien abenteuerlich, die Beschaffungskosten nicht nachvollziehbar, viele angeblich erbrachte Leistungen seien überhaupt nicht mehr nachweisbar.

In den Bau der M4 waren auch viele internationale Firmen eingebunden, darunter Alstom, Siemens, T-Systems, Swietelsky, quasi mit allen gab es rechtliche Streitigkeiten, meist wegen verpatzter Übergabetermine, Kostensteigerungen, Qualitätsmängeln.

Die Fidesz-Regierung war auch hier wieder deutlich geschickter als ihre Vorgänger und machte sich die Verfehlungen der Vorgänger zu Nutze, um die Aufträge bei Machtübernahme zu stoppen und neu auszuschreiben. Diese Vergaben verliefen zwar genauso betrügerisch wie jene vorher, erregten aber aufgrund des Furors über den Betrug der Vorgängerregierung keinerlei öffentliches Aufsehen mehr.

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Orbán ließ die Eröffnung der M4 2014, unmittelbar vor den Wahlen, wie einen eigenen Erfolg feiern. Die “Unregelmäßigkeiten” waren schon damals in aller Munde...

Forderungen der Opposition und von NGOs, den OLAF-Bericht, der nur dem Generalstaatsanwalt und der Regierung vorliegt, zu veröffentlichen, kommt die Fidesz-Regierung indes nicht nach, das würde nicht dem üblichen Verfahren entsprechen und könnte die Ermittlungen verfälschen. Offenbar habe Fidesz doch einiges zu verbergen, konterten Oppositionsparteien und forderten erneut die Einrichtung einer EU-Staatsanwaltschaft mit nationalen Zugriffsrechten, da man der parteilich gesteuerten Judikative in Ungarn nicht mehr trauen könne.

Die MSZP räumte Straftaten unter ihrer Amtszeit (bzw. jener des SZDSZ) ein, denen sich die Verantwortlichen jedoch gerichtlich stellen mussten, teils schon vor der Fidesz-Machtübernahme (was nur zum Teil der Fall war), während die heutige Regierung versucht, mit ihren systematischen Betrügereien davon zu kommen und die Schuld für Verfehlungen auf die Vorgängerregierungen abzuwälzen und sich mit zurechtgeschnitzten Gesetzen abzusichern.

Auch dafür hat die Regierung einen passenden Spruch: Lázár sagte, die Fidesz-Regierung sei von der EU lediglich über den Fall informiert worden, jedoch nie in die Arbeiten zur Metro involviert gewesen. Man wisse also gar nicht, was die MSZP, die Teil des kriminellen Netzwerkes der internationalen Linken sei, so Lázár, von der Regierung überhaupt wolle.

 

Das könnte OLAF ziemlich genau erklären, - wie auch in etlichen anderen Fällen, in denen es um Hunderte Millionen Euro geht, die Fidesz unter Aufhebung der Gewaltenteilung jedoch unter den Tisch fallen ließ  - doch sind der EU-Antibetrugsbehörde die Hände gebunden. Deren Ermittlungen werden lediglich der Kommission sowie den nationalen Staatsanwaltschaften übergeben, die damit machen können was sie wollen. Es fehlt der EU - wie in vielen anderen Fällen - hier einfach an ausreichend Zuständigkeiten sowie dem Mut, Missstände öffentlich zu dokumentieren. Das sollten jene bedenken, die unreflektiert Jubeln, wenn Orbán und Co. mehr "nationale Souveränität" in Brüssel einfordern, ist diese doch meist nur eine Umschreibung für unkontrollierte Selbstbedienung an EU-Geldern.

Zur Eröffnung der Metro 4 mit Links zu den wichtigsten Skandalen

red.


46pllogo (Andere)
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