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(c) Pester Lloyd / 05 - 2017    GESELLSCHAFT      30.01.2017

Ende eines Berufsverbrechers: Polizisten in Ungarn prügeln Häftling zu Tode

 

Offiziell sei er an "Herzversagen" gestorben. Das jedenfalls stand auf dem Totenschein, den das Gefängnis Sándor Csiki junior im November des Vorjahres aushändigte. Offenbar rannte sein Vater den Wärtern 43mal in die Fäuste und Stiefel. Dass das Mordopfer Roma war, die Täter Polizisten sind, verkompliziert die Aufarbeitung dieses Justizmordes zusätzlich.

Den Sohn des gleichnamigen 44jährigen Vaters machte allerdings ein "Detail" im erst später einsehbaren Obduktionsbericht stutzig: 43 Schlag- und Trittspuren waren da aufgeführt, im Gesicht war sogar ein identifierzierbarer Stiefelabdruck sichtbar. Er konnte einem Gefängniswärter zugeordnet werden.

Die Sache war nun nicht mehr zu vertuschen. Sie machten die Runde bis ins Staatsfernsehen in die Sendung "Blaulicht" (Kékfény). Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras sollen angeblich "keinen Missbrauch" seitens der Wärter belegen, beeilte sich die Staatsanwaltschaft festzustellen. Die Aufnahmen sind nicht veröffentlicht worden. Der Mann muss also 43 mal in die Fäuste und Schuhe der Wärter gelaufen sein. Der Insasse wurde offensichtlich totgeschlagen. Die Autopsie lässt für "Notwehr" keinen Spielraum.


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Die Haftanstalt in der Budapester Kozma Straße. Was sich wirklich hinter diesen Mauern abspielte, wird man es je erfahren?


Laut Zeugen, darunter andere Insassen, soll es sich am 12. November in der Haftanstalt in der Budapester Kozma utca so abgespielt haben: Csiki hatte moniert, dass er noch immer auf einer Karton-Matratze schlafen müsse, ihm stünde aber eine richtige zu, wie allen ab 6 Tagen Aufenthalt. Er sei nun krank und wolle in die Krankenstation gebracht werden. Dabei sei es in der Zelle zu Handgreiflichkeiten gekommen, Streit mit diesem Häftling sei normal gewesen. Die drei Wärter beschäftigten sich etwa zwei Minuten in der nicht von den Kameras einsehbaren Zelle mit Csiski, dann sah man ihn in Handschellen auf den Zellenflur geschleift, leblos. Kurz darauf verstarb er im Gefängniskrankenhaus.

Sándor Csiki hat sein halbes Leben in Haft verbracht, er war das, was man einen Berufskriminellen nennt. Dutzende Diebstähle, Raubüberfälle, Betrügereien, Körperveletzungen. Zuletzt bekam er, gerade ein paar Monate draußen, für einen Raubüberfall neuneinhalb Jahre aufgebrummt. Unter Wärtern galt er als verroht, gewalttätig, gefährlich. Unter Häftlingen auch. Alle hätten Angst vor ihm gehabt.

Die drei hauptbeschudligten Polizisten sind seit Januar in U-Haft, zunächst nur wegen "behördlichen Fehlverhaltens", nun wegen Körperverletzung mit Todesfolge und weiterer Delikte. Es gibt das Gerücht, sie seien in Drogendealereien verwickelt, der Häftling hätte auspacken wollen. Die Anwälte des Angeklagten sprechen von Mord, Mord mit besonderer Brutalität, ja von einem Hassverbrechen.

 

Der Arzt, der den Totenschein ausstellte, wollte keine Verletzungen erkannt haben, die den Tod herbei geführt haben können. Es gibt Briefe von Csiki, in denen er der Familie schreibt: "Sie wollen mich töten." Er soll psychisch labil, wenn nicht schwer krank gewesen sein, was aber nie behandelt worden sein soll. Auch körperlich war er nicht mehr auf der Höhe, benötigte zuletzt eine Gehhilfe. Er sei ein Simulant gewesen, hieß es aus Reihen der Gefängnisleitung.

Die Sache ist heikel. Sándor Csiki war Roma. Reflexartig erklärt das vielen Ungarn die kriminelle Karriere des Mannes, anderen mag es - wohl genauso reflexartig - die Bestialität erklären, mit der "weiße, ungarische Polizisten" über den Mann herfielen. In Wirklichkeit erklärt gar nichts etwas. Klären könnten allein Staatsanwaltschaft und Gerichte, - wenn sie denn wollen und ihr Urteil nicht schon von vornherein feststeht - so oder so. In den vergangenen Jahren gab es drei vergleichbare Todesfälle in ungarischen Gefängnissen. Alle Beschuldigten wurden, Dank der entlastenden Aussagen ihrer "Kameraden", freigesprochen.

red.


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