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(c) Pester Lloyd / 10 - 2017    POLITIK      06.03.2017

Atomarer Endsieg: EU gibt Freie Fahrt für AKW Paks 2 in Ungarn

Die Atom- und Russlandlobby inner- und außerhalb der Europäischen Kommission hat ganze Arbeit geleistet, der Orbánschen Kleptokratie steht eine strahlende Zukunft bevor. Am Montag fiel für Ungarn auch die letzte Hürde für den Bau zwei neuer Reaktorblöcke des AKW Paks. Damit ist die EU vollständig vor Orbán und Putin eingeknickt und lädt die gesamte Last des megalomanen und anachronistischen Projektes auf die Schultern der ungarischen Stromkunden und das zarte Pflänzchen Erneuerbarer Energien.

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Karikatur: http://rosszkifogas.tumblr.com

Nachdem die EU erst kürzlich - gegen eine vage Quoten-Zusage Budapests und in einem Deal westlicher Konzerne mit Moskau - das Vertragsverletzungsverfahren einstellte, dass in der Ausschreibungspraxis für das AKW-Projekt einen Bruch von EU-Recht sah, fiel nun auch der Vorwurf, bei der Finanzierung des Projektes (10 Mrd. EUR per Kredit aus Moskau, 2-3 Mrd. EUR aus ungarischen Steuermitteln) würde es sich um unzulässige Staatsbeihilfen handeln.

 

Auch dieses Urteil wurde "salomonisch" formuliert, um den Anschein zu wahren, man sei nicht gänzlich eingeknickt. Im Hintergrund werkelten wiederum kräftig Kommissar Oettinger - obwohl gar nicht zuständig - und natürlich wieder Ex-Daimler-Vorstand, "Genosse Mr. Russland", Klaus Mangold, der Oettinger auch schonmal im Privatjet zu Orbán einfliegen ließ, um den Kommissar auf Linie zu bringen.

Die EU-Kommission kommt in ihrer mehr als dubios zu Stande gekommenen Entscheiduung nun zu dem Schluss, dass der Finanzierungsanteil Ungarns durchaus eine "Staatsbeihilfe" darstellt, diese sei aber statthaft, da Ungarn Zusagen gemacht habe, den "negativen Einfluss auf den Wettbewerb zu beschränken". EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager wörtlich: “Ungarn hat entschieden, in den Bau von Paks II zu investieren, was unter EU-Recht statthaft ist. Die Aufgabe der Kommission war es, sicher zu stellen, dass die Einschränkung des Wettbewerbs im Energiesektor als Folge der Staatsbeihilfe auf ein Minimum beschränkt bleibt. Während der Untersuchung hat die ungarische Regierung substantielle Zugeständnisse gemacht, die es der Kommission erlauben, die Investition als verträglich mit EU-Recht zu bezeichnen."

Übersetzt heißt das nichts weiter: In Ungarn gibt es ohnehin so gut wie keinen Wettbewerb im Energiesektor mehr, da der Orbán-Staat bereits Quasi-Monopole geschaffen hat, an dem externe Martktteilnehmer nur nach dem Motto "Friss oder stirb" mitnaschen können. Die Förderprogramme für Erneuerbare Energien sind seit 2010 ohnehin nicht mehr als ein Witz. Das AKW-Paks dagegen deckt derzeit bereits 37% des ungarischen Strombedarfs ab und erzeugt rund die Hälfte des in Ungarn produzierten Stromes. Mit dem AKW Paks 2 steigen diese Raten auf 55% bzw. 65%.

Worin bestehen dann also die Zugeständnisse? Die Kommission will diese darin erkennen, dass der "ungarische Staat eine geringere Investitionsrendite (return of investment) akzeptieren wird als es private Investoren tun würden." Mit Verlaub, ein Witz. Denn das wiederum bedeutet nichts weiter, als das man es als im Sinne der EU-Verträge erachtet, dass Paks II ziemlich wahrscheinlich zu einem wirtschaftlichen Reinfall wird, bzw. -
so berechnen es sogar interne Regierungsstudien - nur bei einem eineeinhalbfach bis doppelt höheren Strompreis mit einer schwarzen Null betrieben werden kann - die Rückzahlung des russischen Kredites zu Zinsraten deutlich über dem Weltfinanzmarkt inklusive.

Konklusion der Kernfusion: Die EU-Kommission als Hüterin der Verträge findet nichts dabei, dass das energiestrategisch reaktionäre, ökonomisch abenteuerliche und politisch
intransparente Projekt, ausgearbeitet von zwei der führenden Kleptokraten der Neuzeit, das weder billigen, noch sicheren Strom erzeugen wird, gleichzeitig aber die Bemühungen um saubere, erneuerbare Energien in Ungarn obsolet macht, vollständig auf die Schultern des ungarischen Steuerzahlers bzw. Stromkunden geladen wird.

Zu dem Umstand, dass Orbán
die nationale Atomaufsicht entmachten ließ, in dem er sich durch das Parlament ermächtigen ließ, notfalls per Dekret dessen Entscheidungen zu überstimmen, hat die EU bis dato nichts zu sagen. Zum Problem der Lagerung des Atommülls hat man in Ungarn so seine eigenen Pläne.

Klare Worte findet der Vorstand von Greenpeace Energy, Sönke Tangermann, zur aktuellen Entscheidung der EU: „Schon wieder drückt Brüssel beide Augen fest zu, um das nukleare Prestigeprojekt von Viktor Orbán und Wladimir Putin durchzuwinken. Dabei erscheint auch die heutige Genehmigung höchst dubios. Ob Paks II tatsächlich für zwölf Milliarden Euro gebaut werden kann, wie Ungarn und Russland behaupten, ist höchst fraglich. EU-Sicherheitsstandards, die Entsorgung des Atommülls sowie eine zu erwartende Explosionen der Baukosten können in dieser Rechnung nur unzureichend eingepreist sein. Der ungarische Steuerzahler wird nicht nur den russischen Milliardenkredit zurückzahlen, sondern auch für sämtliche Preissteigerungen aufkommen müssen. Die staatlichen Subventionen dürften am Ende viel teurer werden, als jetzt von Ungarn veranschlagt und von Brüssel genehmigt."

Zudem verzerrt AKW Paks 2 den Energiemarkt auf Kosten erneuerbarer Energien und wird per Preisdumping - wiederum auf Kosten der ungarischen Steuerzahler als Risikoträger - versuchen, seine Kapazitäten gegen sauberen Öko-Strom, z.B. aus Deutschland auf den Markt zu bringen. Also werden auch Deutschland und andere Länder einen Preis für das Projekt zahlen.

Tangermann sieht die "die Kommissionsentscheidung in einer traurigen Tradition: Bereits die horrenden britischen Subventionen für den Atomkraftwerksneubau Hinkley Point C in England wurden im Jahr 2015 genehmigt, obwohl insbesondere dieser Fall beweist, dass die Atomenergie geradezu absurd teuer ist. Dies gilt auch und insbesondere im Verhältnis zu den erneuerbaren Energien. Es bleibt zu befürchten, dass diese – alle Regeln des Rechts und der Vernunft ignorierende – Kommissionsentscheidung weitere Staaten in Osteuropa ermutigt, neue Atomkraftwerke zu bauen. Die Pläne existieren bereits, erwiesenermaßen gegen alle Vernunft.“

 

Die ungarische Seite feiert die Entscheidung wie einen atomaren Endsieg: die EU habe Ungarns energiepolitische Strategie anerkannt und den Weg frei gemacht für "emissionsfreie Energie", die umweltrechtliche Genehmigung sei nun - wen wundert es - nurmehr eine Formfrage, - wobei die Anrainerstaaten noch immer auf die offizielle Übersetzungen der Studie warten. Im Sinne Orwellschen Doppeldenk und Neusprech heißt es weiter, dass man keineswegs die Abhängigkeit von Russland durch das Projekt erhöhe, im Gegenteil, würde man AKW Paks 2 nicht bauen, müssten gasbetriebene Kraftwerke ausgebaut werden. Und woher kommt das Gas dafür? Na, sehen Sie?!

Dagegen steht die totgeschwiegene aber festgeschriebene Wahrheit von
30 Jahren Abhängigkeit von Moskau im Kreditvertrag. Ein Preis, den die Orbánsche Günstlingswirtschaft gerne in Kauf nimmt, um ordentlich mitschneiden zu können. Geld stinkt nicht und hat auch keinen Pass und zahlen wird ohnehin der dumme Bürger. Und so ist es kein Zufall, dass auch die Dokumente für die Auftragsvergaben und Abrechnungen zum Projekt 30 Jahre unter Verschluss bleiben sollen, auf dass der strahlenden Zukunft Ungarns nun nichts mehr im Wege stehe.

red.


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