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(c) Pester Lloyd / 11 - 2017    POLITIK      14.03.2017

Präsident unter Orbán: Marionette Áder für fünf Jahre wiedergewählt

Die Wiederwahl des ungarischen Staatspräsidenten János Áder am Montag nutzte die Opposition für eine Generalabrechnung mit dem antidemokratischen System Orbán, das praktisch in Gänze auf die absolute Macht des Premiers zugeschnitten ist. Áder bestätigte dies in seiner blassen und an allen relevanten Themen vorbeigehenden Rede. Der Premier musste sich außerdem den Vorwurf gefallen lassen, einst Stasi-Spitzel gewesen zu sein.

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Von den 199 Abgeordneten des ungarischen Parlamentes gaben, nachdem die erste Abstimmungsrunde wegen Verfehlung der 2/3-Mehrheit scheiterte, 170 ihre Stimmen in einer zweiten Abstimmungsrunde ab. 131 stimmten dabei für den Fidesz-Kandidaten und Amtsinhaber János Áder, 39 für den gemeinsamen Kandidaten der demokratischen Oppositionsparteien, den Ex-Ombudsmann für Datenschutz, László Majtényi. Jobbik blieb der Abstimmung fern.

 

Damit tritt János Áder, der am 2. Mai 2012 als Nachfolger für den des Betruges überführten Orbán-Protegée Schmitt einsprang, eine zweite, fünfjährige Amtszeit an. Áder erfüllte die ihm von Orbán zugedachte Rolle vorbildlich. Diese bestand in drei Aufgaben: 1. die von Fidesz beschlossenen Gesetze zu unterzeichnen, unabhängig davon, ob sie verfassungskonform sind oder gegen etwaige Grundrechte verstoßen. 2. durch die formale Rückweisung einiger Gesetze den Anschein eines funktionierenden demokratischen Kontrollmechanismus zu simulieren, ohne die Gesetze letztlich aufzuhalten und sie mit ein paar formalen Änderungen passieren zu lasen, 3. keine Skandale wie sein Vorgänger zu produzieren, sich aus politischen Schlagabtauschen herauszuhalten und eine präsidiale Figur abzugeben.

Die Verantwortung für die Umwelt und die "zukünftigen Generationen" nannte Áder in seiner Rede am Montag als seine Hauptverantwortlichkeiten und - natürlich - stets der nationalen Einheit und "Ungarn in der Welt zu dienen". Die Opposition konterte, Áder habe seine Inkompetenz eindcdrücklich demonstriert und "keinen blassen Schimmer von der realen Lebenssituation vieler Ungarn". Wie sonst konnte er es vermeiden, die Armut im Lande anzusprechen, die 4 Millionen Bürger zwingt, unter oder an der Armutsgrenze zu vegetieren, während sich Fidesz-Günstlinge die Taschen füllen, hieß es aus den Reihen der MSZP. Kein Wort auch kam zum desaströsen Bildungs- und Gesundheitssystem, daher seien die Äußerungen über "künftige Generationen" nichts weiter als verlogener Zynismus. Für "Áder gibt es keine hungrigen Kinder, keine Korruption und der Rechtsstaat steht nicht auf dem Spiel".

Gegenkandidat Majtényi musste sich von Fidesz-Fraktionsführer Kósa anhören, er sei der "Kandidat von Soros", ein "typischer, linker Aktivist", der die "Interessen fremder Mächte über die Interessen der Ungarn stelle". In seiner Kandidatenrede forderte Majtényi, dass die Verfassung des Landes durch ein Referendum legitimiert werden müsste (Fidesz hatte seine Verfassung durch Parlamentsbeschluss in Kraft gesetzt). Solidarität und Respekt vor universellen Rechten waren seine Schlagworte, Werte, die stärker sein müsste als der Staat. Unabhängige Institutionen seien das "Gegengift" zur verbreiteten Korruption und Amtsmissbrauch. Eine Flüchtlingspolitik, auch eine restriktive, müsse an den moralischen und rechtlichen Anforderungen der Menschlichkeit umgesetzt werden. Keine Partei habe das Recht diese Grundlagen außer Kraft zu setzen.

Er würde als Präsident von seinem Recht Gebrauch machen, selbst Gesetzesentwürfe im Parlament einzubringen, sein erstes würde der unantastbaren Freiheit der Presse gelten. Hernach würde er dafür sorgen, dass das Verfassungsgericht seine Kompetenzen zurück erhält und abgesichert werde, dass der Staat seinen Grundaufgaben nachkommt: soziale Unterstützung für Bedürftige, Bildung und Kampf gegen Korruption. Im Übrigen sei seine Kandidatur, trotz der zu erwartenden Abstimmungsniederlage ein Erfolg gewesen, habe sie doch bewiesen, dass die demokratische Opposition in der Lage sei, sich in Grundfragen zu einen.

Die neonazistische Jobbik, die sich seit Jahren müht, ein bürgerliches Erscheinungsbild zu projiezieren, lehnte beide Kandidaten als "unfähig" ab, weshalb man der Abstimmung fernblieb. Nur eine Direktwahl des Präsidenten durch das Volk sei akzeptabel. Beide Kandidaten seien auf die Sichtweisen eines bestimmten politischen Lagers festgelegt und könnten so niemals eine nationale Einheit herbeiführen.

Die LMP kaprizierte sich vor allem auf den selbsternannten Umweltschützer Áder, der u.a. von der UNO als Botschafter für eine nachhaltige Wasserpolitik ernannt wurde. Würde er sich wirklich für die Umwelt einsetzen wollen, hätte er der erste sein müssen, der ein Referendum über den
Bau des AKW Paks II abhalten lässt, wozu ihm als Präsident das Recht zustünde. Doch Áder folgt natürlich nur der Fidesz-Agenda.

Vertreter der Kleinparteien MLP, Dialog für Ungarn, Együtt zeichneten den Unterschied zwischen Áder und Majtényi ebenfalls entlang der Linie zwischen Partei- und Bürgerinteressen. Áder habe sich weder moderierend zu den andauernden Hasskampagnen der Regierung, noch zu Armut und Demokratieabbau oder dem Missbrauch der Medienmacht oder zur Manipulation des Wahlgesetzes geäußert. Stattdessen winkt er jedes noch so zerstörerische Gesetz der Regierungspartei durch.

 

In einer weiteren Debatte am Montag, griffen sowohl Abgeordnete von Jobbik wie auch der Linken Premier Orbán und Nationalbankchef Matolcsy frontal an. Orbán solle endlich Zugang zu den Spitzeldateien aus der Vorwendezeit schaffen. Er tue das nicht, weil er selbst in seiner Militärzeit Informant der "Stasi" gewesen sei und sein Vater als Geheimpolizist bei der Niederschlagung des 1956er Aufstandes tätig war, so Jobbik. Orbán verteidigte sich, dass weder er, noch seine Parteifreunde "jemals auf deren Seite gestanden" hättten, im Gegenteil "wir waren es, die verhaftet wurden, deren Wohnungen abgehört wurden". Auf die Frage, ob er, Orbán definitiv ausschließen könne, jemals für den Inlandsgeheimdienst tätig gewesen zu sein, wich der Premier aus. Der Abgeordnete möge das "Googlen, in Internet steht ja alles."

Nationalbankchef Matolcsy wiederum wurde von der Linken in die Zange genommen. Er solle endlich Beweise für seine kürzlichen Anschuldigungen vorlegen, dass die USA versucht hätten, Ungarn durch Spekulationen in die Pleite zu treiben und die Regierung zu stürzen. Liefere er nichts, sei er ein nationales Sicherheitsrisiko und ein pathologischer Lügner und gehöre gefeuert.

red.


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