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(c) Pester Lloyd / 14 - 2017    GESELLSCHAFT      06.04.2017

Mehr als eine Uni: Angriff auf CEU ist Angriff auf Demokratie in Ungarn

Das Eilgesetz zur Vertreibung der Central European University aus Ungarn schlägt im In- und Ausland hohe Wellen. Kritiker sehen es als verfassungswidrigen "Angriff auf die Fundamente der Demokratie", der Protest ebbt nicht ab. Deutschlands Kanzlerin Merkel, die eine milde Warnung übermitteln ließ, falle auf die "Lügen Soros`" rein und alle Kritiker liegen sowieso falsch, sagt die Orbán-Regierung. Die USA zeigen sich "enttäuscht", obwohl die Attacke wohl aus dem Trump-Umfeld koordiniert wurde.

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Zum Thema: Eskalation im CEU-Skandal: Orbán wirft "Soros-Uni" Betrug vor (3. April)
Lex CEU:
Orbán-Regierung versucht "Soros-Uni" aus Ungarn zu vertreiben (30. März)


 

Die Lex CEU, also das Gesetz, das die Tätigkeit ausländischer Universitäten in Ungarn künftig vom Vorhandensein eines Regierungsabkommens abhängig macht, wurde am Dienstag nach verkürzter Debatte mit 123:38 Stimmen im Eilverfahren vom Parlament beschlossen, 37 Abgeordnete blieben der Abstimmung fern. Speziell auf die "Soros"-Uni CEU ist ein Passus zugeschnitten, der für diese Unis auch die Existenz eines Campus im Herkunfts- bzw. Trägerland vorschreibt. Die CEU ist zwar als Uni in den USA zugelassen, also akkreditiert, betreibt aber dort keine Bildungseinrichtung.

Dadurch würde ihre Tätigkeit ab September nächsten Jahres in Ungarn illegal sein, die letzten anerkannten Abschlüsse würden im Februar vergeben. Selbst wenn die CEU eine Uni in den USA etabliert und sei es auch nur im Umfang um den Gesetz Genüge zu tun, gilt aufgrund der Soros-feindlichen Einstellung sowohl der Orbán- wie der Trumpadministration es als ausgeschlossen, dass ein bilaterales Abkommen geschaffen wird, das den Fortbestand der CEU in Ungarn ermöglicht. Es verdichteten zudem Hinweise, dass die Attacke gegen die CEU zwischen den USA und Ungarn abgestimmt war, offenbar wurden die Schritte kürzlich zwischen Orbáns Außenminister Szijjártó und Trumps Sicherheitsberater, dem ungarischstämmigen Antisemiten und Rechtsextremisten Sebastian Gorka besprochen.

Das Gesetz, das einem Verbot der renommierten CEU gleichkommt und damit einen Frontalangriff auf die Freiheit der Wissenschaft und die Zivilgesellschaft gleichermaßen darstellt, zeitigt im In- wie Ausland eine selten gesehene Solidarisierungs- und Protestwelle. Seit Tagen wird in Budapest an der CEU wie an anderen Bildungseinrichtungen, vor Ämtern und auf Straßen und Plätzen demonstriert. Am Sonntag erreichte die Zahl der Protestierer mindestens 10.000.
Regierungsvertreter und linientreue Rektoren werden seit Tagen mit Pfeifkonzerten und spontanten Aktionen bedacht, Petitionen, Protestbriefe und Pressekommentare der unabhängigen Medien, der Oppositionsparteien streichen die "Verfassungsfeindlichkeit" des Gesetzes heraus und fordern Staatspräsident Áder daher auf, seiner Pflicht nachzukommen und die Unterzeichnung des Gesetzes zu verweigern.

Die CEU selbst sieht sich duch das Gesetz "direkt angegriffen und diskriminiert", Premier Orbán machte sich über die Uni lustig, in dem er kurz vor der Abstimmung meinte, "niemand muss durch das Gesetz nervös werden, die Regierungen Ungarns und der USA werden sich der CEU schon annehmen".

Als Nächstes steht ein ähnlich gelagertes Gesetz wie gegen die CEU auch gegen eine ganze Reihe vom Ausland unterstützte NGOs in Ungarn an. Gleichzeitig läuft eine große Regierungskampagne unter der Losung "Brüssel stoppen!".

Aus dem Ausland laufen nicht nur Protest- und Solidaritätsschreiben akademischer Kollegen der CEU auf, der Unmut über Orbáns Putineske Politik hat sogar die sonst so duldsame deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf den Plan gerufen. Merkels Vize-Sprecherin Ulrike Demmer ließ ausrichten, dass das Gesetz "den Eindruck erweckt, dass die Tätigkeit ausländischer Universitäten in Ungarn erschwert oder in einzelenen Fällen unmöglich gemacht werden soll". Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat sowie Menschenrechte stünden aber "in Europa nicht zur Debatte". Deutschland werde daher die "Effekte dieses Gesetzes" genau beobachten.

Grüne und Sozialdemokraten mochten sich nicht mit einer so milden Sprache begnügen, Ska Keller, Co-Fraktionschefin der Europäischen Grünen resümiert, dass man "Orbán stoppen müsse". Gianni Pittella, Fraktionschef der Sozialdemokraten sagte, dass "Orbán die Fundamente der Demokratie attackiere".

Die Antwort aus Ungarn ließ nicht lange auf sich warten und zeigt die ganze Respektlosigkeit des Alleinherrschers in Budapest. Sein Sprecher Zoltán Kovács sagte gegenüber der amtlichen Nachrichtenagentur MTI, dass er es bedauere, dass es "Soros´ Lügen schaffen, sogar die deutsche Regierung hinters Licht zu führen". Alle Kritiker würden falsch liegen und Merkel hätte gefälligst die ungarische Regierung zunächst konsultieren sollen, bevor sie sich äußert. Denn "Wir sind bereit zu antworten." Das Einzige, was "wir machen, ist, ungerechtfertigte Vorteile" von ausländischen gegenüber inländischen Institutionen zu eliminieren. Kovács behauptet weiter, dass "selbst unter deutschem Recht die Soros-Uni keine Lizenz" bekäme.

 

Die US-Botschaft in Budapest werde sich - entgegen der Anti-Soros-Linie Trumps - weiterhin für die "Unabhängigkeit und ungestörte Tätigkeit der CEU in Ungarn" einsetzen. Laut Gesandtem sei die USA "enttäuscht auch über die beschleunigte Gesetzesverabschiedung" und die Ignoranz gegenüber den Einwänden hunderter in- wie ausländischer Organisationen und zigtausender Bürger, die die Werte der akademischen Freiheit und den Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung Ungarns hoch schätzen. Die CEU sei eine der wichtigsten Anker der 26jährigen Freundschaft zwischen den USA und Ungarn seit der Wende.

Ob die EU im Falle der Lex CEU einschreiten kann und wird, ist noch offen. Die Kommission wird sich jedoch mit einem entsprechenden Prüfbegehren seitens des Parlaments befassen müssen. Derweil organisieren Studenten, NGOs und Oppositionelle Menschenketten und verteidigen mit der CEU die letzten Reste der Denkfreiheit in Ungarn. Einige Gruppen planen bereits die Einreichung eines Referendums zu Gunsten der CEU, angespornt von dem Erfolg des Anti-Olympia-Referendums. Andere Städte, darunter Prag und Wien, haben der CEU bereits Asyl angeboten.


red.

46pllogo (Andere)
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