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(c) Pester Lloyd / 15 - 2017    POLITIK      10.04.2017

Diener zweier Herren: Orbán bei Assad in der Zwickmühle zwischen Trump und Putin

Während die Orbán-Regierung den Chemiewaffen-Einsatz der Assad-Armee gegen die eigene Bevölkerung routinemäßig verurteilt, - ohne den Schuldigen zu nennen, sieht man, trotz sonstiger Sympathie für Trump, den Gegenschlag der US-Regierung zurückhaltend bis kritisch. Die regierungsnahen Medien gehen noch weiter und geben fast ungefiltert den russischen Standpunkt wieder.

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Eltern betrauern ihre durch Assads Sarin-Einsatz vergasten Kinder. Alles Terroristen freilich...

Das ungarische Außenministerium ließ ein Statement veröffentlichen, in dem man den Einsatz von C-Waffen verurteilt und "hofft, dass sich dieser nicht wiederholt". Allerdings dürfe man keine Zeit verlieren, "den Syrien-Konflikt durch Verhandlungen zu lösen". Dazu gehöre auch, dass "alle Anstrengungen zu unternehmen, um solche Monstrositäten" (also den Einsatz von Sarin gegen Zivilisten mit 90 Toten) zu verhindern, so Außenminister Szijjártó.

 

In der Schlussfolgerung verirrt sich der Minister jedoch völlig in den komplexen syrischen Konstellationen. Er unterstreicht nämlich schon im nächsten Satz die Wichtigkeit der Fortsetzung des Kampfes gegen den IS, denn "so lange der IS in der Region aktiv ist, wird es keinen Frieden geben und illegale Einwanderung (das einzige Problem für Ungarn, Anm.) wird anhalten." Neben dem Umstand, dass der Minister sich weigert, den Mörder Assad beim Namen zu nennen, ein weiterer Widerspruch von vielen: Wenn Menschen in Syrien durch Giftgas oder auch andere Bedrohungen realistischen Bedrohungen für Leib und Leben ausgesetzt sind, wie können sie dann "illegale Einwanderer" sein und nicht Flüchtlinge mit jedem Recht auf Schutz - und sei dieser auch nicht im ersten "sicheren" Land?

Nun ist es keine Frage, dass der Kampf gegen den IS das zentrale Problem dieser Region, wenn nicht der ganzen Welt (Terrorismus) darstellt und es ist auch richtig, dass die USA durch ihre egomane Außenpolitik eine fürchterliche Rolle beim Entstehen und Erstarken dieser Mörderbanden auf sich geladen haben. Aber bei dem C-Waffen-Angriff ging Assad gegen syrische Zivilsten vor, darunter 30 Kinder.

Von Ungarn kam - ganz auf Russland-Linie - jedoch kein Wort, dass man diesen Kriegsverbrecher, Diktator und Massenmörder am eigenen Volk irgendwie stoppen oder zumindest einbremsen sollte. Dass Russland Assad politisch, ökonomisch und massiv militärisch unterstützt und selbst bei diesem Kriegsverbrechen in Schutz nimmt - keine Erwähnung wert, natürlich nicht, denn bald erwartet man die Überweisung von 10 Milliarden Euro Kredit aus Moskau für den Ausbau des AKW Paks und den Ausbau der eigenen Kontostände.

Ungarn wünscht sich Kooperation zwischen den USA und Russland, um ein "Abkommen zu Syrien" zu erreichen. Wie das aussehen soll, dazu hat man in Budapest natürlich auch keine Vorstellung, denn die Fronten sind so unüberschaubar wie hart. Putin will - koste es was es wolle und seien es auch noch mehr tote Syrer - seinen Einfluss in dem Land aufrecht erhalten, aus militärischen (Mittelmeerstützpunkt), ökonomischen (Waffen- und Rohstoffhandel) sowie ganz prinzipiellen Überlegungen, die noch aus der Denk-Mechanik des Kalten Krieges stammen. Die USA, zumal unter dem intellektuell beschränkten, aber mental völlig unberechenbaren Trump, changieren zwischen Stärkedemonstration nach innen und antirussischen Reflexen nach außen.

Die Orbán-Medien machten sich weniger Umstände als der sich windende Außenminister. Das Kampfblatt Magyar Hírlap sowie die von Orbán-Kumpels betriebene Webseite 888.hu spiegelten fast zu 100% den russischen Standpunkt, der von einer "völkerrechtswidrigen Aggression" spricht, auch wenn es immer mehr Hinweise gibt, dass die Reaktion Trumps eine mit Putin abgesprochene Show für die Weltbühne war.

Das "Zentralorgan" der Regierungspresse "Magyar Idök" bezweifelt - vorliegende Beweise ignorierend - dass Assad Giftgas einsetzen ließ und verglich den Vorfall mit der US-Lüge über Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins im Irak. Mehr noch: die Männer, die über vergaste Kinder geweint hätten, seien schlicht Terroristen und verdienten kein Mitleid und schon gar nicht verdienten sie, dass man ihnen hinterher weine oder ihre Lügen auch noch glaube. Das ist O-Ton des russischen Staatsfernsehens - und das sind noch die milderen Einschätzungen.

 

Für Orbán, der zum Thema nur ein paar farblose Sätze abließ und "Stabilität" forderte, bedeutet die Einordnung weltpolitischer Vorgänge ein Tanz auf mehreren Hochzeiten. Trump verehrt er schließlich als Apostel seiner neuen Weltordnung und als Ermächtiger für seine eigene "illiberale Politik", Putin wiederum füllt ihm die Taschen und bietet ihm - so sieht es Orbán - Verhandlungsmasse gegenüber der EU. Auch die ungarische Annäherung an den Iran, mit dem man ins Atom-Geschäft einzusteigen gedenkt, spielt bei der Schonung Assads eine Rolle.

Generell ist es natürlich nicht leicht, sich zum Thema Syrien einen konsistenten Standpunkt zu formen, Desinformation, Interessenspolitik, Vorurteile und vor allem Unwissenheit allerorten. Man muss aber noch lange, sehr lange kein Trump-Fan oder Russophober sein, wenn man den Mord Assads an seinem Volk nicht einfach hinnimmt und Gegenmaßnahmen, so hilflos sie auch sein mögen, gutheißt.

red.


46pllogo (Andere)
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