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(c) Pester Lloyd / 17 - 2017    POLITIK     27.04.2017

Orbán vs. Europa: Premier inszenierte Ungarn als Opfer der Liberalen

Ungarns Bekenntnis zur EU sei unzweifelhaft und - wie in der Vergangenheit - werde man alle Streitpunkte auf dem Verhandlungswege lösen. Premier Orbán versuchte in Brüssel wütende Europäer einmal mehr mit seiner bis dato erfolgreichen Taktik des Kleinredens, Lügens und Beschönigens zu besänftigen. Dabei liegen die Fakten auf dem Tisch. Weder das EU-Parlament, noch die Kommission scheinen länger bereit, seine Verstöße gegen EU-Recht zu dulden. Selbst die EVP-Front bröckelt, es fehlt nur noch das Machtwort der Regierungschefs.

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Orbáns Gastauftritt in Brüssel am Mittwoch illustrierte, wie weit er sich und Ungarn mittlerweile vom europäischen Konsens, den Regeln der Gemeinschaft, aber auch dem Geist der Gemeinsamkeit und dem allgemeinem Anstand entfernt hat. Ob im Asylrecht, bei der Lex CEU, dem NGO-Gesetz oder der
"Nationalen Konsultation: Stoppen wir Brüssel!" - Orbán sieht sich überall im Recht, von seinem Volk autorisiert, spricht Brüssel das Recht auf Intervention ab und sich das Recht auf Lügen, Betrug und Rechtsbruch zu.

 

Ungarn habe in den letzten Jahren "eine Reihe von Streits mit der EU durch Verhandlungen beigelegt, sei es bei den Medienregulierungen, der Verfassung, der Unabhängigkeit der Justiz oder dem Projekt AKW Paks 2." Man werde auch diesmal durch Verhandlungen überzeugen.

Das wird ein Stück Arbeit werden, denn neben
neuen Vertragsverletzungsverfahren, die üblicherweise vor Gericht enden, steht ein Rechtsstaatsverfahren im Raum, Ärger mit den Fraktionskollegen an und am Horizont winken EU-Mittelkürzungen und Stimmrechtsentzug (mehr zu den denkbaren Szenarien hier). Fasst man die Stimmung unter Europäern in Brüssel zusammen, hat die Geduld mit dem inneren Zerstörer Europas langsam, aber immer sicherer, ein Ende.

Guy Verhofstadt, Chef der liberalen ALDE-Fraktion reflektiert auf Orbáns Wandlung vom Liberalen zu einem Nationalisten: "Was wird der nächste Schritt sein? Wollen Sie Bücher verbrennen?" Zur NGO-Politik: "Es ist so wie bei Stalin seinerzeit."

Vorwürfe, er wolle die CEU schließen, seien unbegründet, man führe lediglich "einfache standardisierte Regeln für alle Hochschuleinrichtungen ein", man wolle nur "Missbrauch und fehlende Transparenz vermeiden, Privilegien beenden und sicher stellen, dass europäische und ungarische Einrichtungen nicht gegenüber anderen benachteiligt" würden, sagte Orbán vor dem EU-Parlament.

Worum es wirklich geht: Die Lex CEU zielt auf die Vertreibung oder Unterwerfung der Uni ab und ist so designt, dass es nur die CEU und keine, der anderen 27 Nicht-EU-Unis in Ungarn betrifft. Man sieht in der "Soros-Uni" sowohl einen ideologischen Gegner, ein Symbol, aber auch einen ökonomischen Konkurrenten. Das Gesetz ist ein offener Angriff auf die Freiheit der Lehre, sowohl unter EU-Recht wie unter den Formulierungen der eigenen Verfassung.
Die Details dazu lesen Sie hier.

Gianni Pittella, Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion, zum Vorwurf, die EU vertrete die Interessen Soros`: "Sie lügen und Sie wissen, dass Sie lügen!".

Was die NGOs betrifft: eine Reihe von anderen Ländern "suchen ebenfalls nach Möglichkeiten, die Tätigkeit von Organisationen, die Einfluss auf demokratische Entscheidungsprozesse nehmen wollen, transparent zu machen." Alles, was seine Regierung wolle sei, "die Menschen mit Informationen zu versorgen, welche Finanzquellen und Interessen hinter diesen Nichtregierungsorganisationen stehen."

Worum es wirklich geht: Das vorliegende, sogenannte "Transparenzgesetz" soll regierungskritische  (von Soros finanzierte) NGOs, die als letzte Bastionen für universelle und individuelle Rechte von Bürgern, Mehr- wie Minderheiten eintreten, zunächst diffamieren und ihre Arbeit einschränken, sie letztlich "aus dem Land fegen" (Fidesz). Sie stören die Einparteienherrschaft. Die einzelnen Gesetzespunkte lassen keinen Zweifel daran zu, dass es sich dabei um einen Verstoß gegen die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit handelt, der sich an russischen und türkischen Vorbildern orientiert. Gleichzeitig bleiben die aus trüben Quellen finanzierten Pro-Regierungsorganisationen und Fake-NGOs im Dunkeln.
Hier alles dazu.

Für seine "Politik gegen illegale Einwanderung" verdiene er "Anerkennung und Unterstützung, anstatt Angriffe", schließlich schütze sein Land selbstlos die EU-Grenze und damit direkt Länder wie Österreich, Deutschland und Schweden, denn "diese Leute wollen nicht nach Ungarn, sondern nur durch Ungarn." Und in einer Sache, lasse er nicht mit sich reden. Die ungarische Position zur "illegalen Einwanderung ist klar": sie müsse gestoppt werden, Flüchtlinge und Wirtschaftseinwanderer müssten außerhalb der EU in Lagern separiert werden. Hilfe muss dort geleistet werden, wo Probleme bestehen und die Umverteilungspläne der EU sind gescheitert. Daher müsse man andere Lösungen finden.

Worum es der EU geht: Illegale Einwanderung und Asylrecht werden von Ungarn vermischt, um sämtliche "Fremde"
als Kriminelle und potentielle Terroristen zu diffamieren. Die EU stellt fest, dass sie gegen illegale Einwanderung ist, das Recht auf Asyl, also Schutz vor Verfolgung und Krieg, aber als fundamentales Grundrecht zu verteidigen ist, ein Grundrecht, das Europa als Zivilisation definiert. Dass es an kohärenten Lösungen in der EU fehlt, stimmt, hängt aber u.a. damit zusammen, dass Länder wie Ungarn jede gemeinsame Lösung topedieren, um die EU zu schwächen. Orbán hebelt durch seine "Notstandsgesetze" genau diese Grundrechte aus, auf die die EU nur zum Preise der Selbstaufgabe verzichten könnte, u.a. durch Internierung, Deklassierung im Rechtssystem, amtliche Gewalt gegen Flüchtlinge. Alle Details hierzu in: Flüchtlinge als Geiseln der Politik: Wo Ungarn recht hat und wo nicht

Man sei - auch deshalb - "in vielen Punkten unzufrieden mit der Funktionsweise der EU" und die EU könne nur "dann Vertrauen in die EU durch die Völker zurückgewinnen, wenn sie Fehler korrigiert", die "Einwanderungspolitik" sei ein zentraler dieser Fehler. Dennoch, sei die Zustimmung in seinem Land zur EU so hoch wie in kaum einem anderen, man wolle die EU verbessern, werde sich aber weder Vorverurteilungen, noch Doppelstandards gefallen lassen.

In Summe: Er macht alles richtig, wenn der EU etwas nicht passt, müsse sie sich ändern und seien es selbst die Verträge. Dabei solle klar sein, dass "die Gelder, die Ungarn von der EU erhält keine mildtätigen Gaben" seien, denn alle Staaten profitieren von der Integrationspolitik und niemand dürfe verlangen, dass "Ungarn den Mund halten" muss, weil es ein Nettoempfänger ist. Denn im Gegenzug zu den EU-Hilfen habe Ungarn seinen Markt geöffnet, aber: Ungarn müsse nicht dankbar dafür sein, dass "Sie uns gekauft haben und wir Ihnen nun etwas schulden."

Fakt ist: Ungarn ist von den EU-Milliarden
existentiell abhängig, hält sich aber nicht an die Regeln für deren Vergabe, im Gegenteil, Unsummen werden in die Netzwerke der Fidesz-Günstlingsfirmen verschoben. Wie dieses System funktioniert und wie zaghaft die EU bis dato damit umgeht, lesen Sie hier.

Es sei außerdem unfair, Ungarn in einem Atemzug mit autoritären Regimen oder Ländern wie Türkei oder Russland zu nennen. Es könne nicht sein, dass die Liberalen einem Land die Demokratie absprechen, nur "weil bei Wahlen keine Liberalen gewonnen" haben. Was er als "illiberale Demokratie" bezeichne sei schlicht, "eine Demokratie, in der jemand anderes als die Liberalen gewonnen" haben. Übersetzt: Eine Demokratie, ohne Demokraten. Eine Regierung, die demokratische Mechanismen (Wahlen) dazu verwendet, um demokratische Prinzipien abzuschaffen.

Nach dem Schlagabtausch im Plenum vertiefte Orbán seine Standpunkte nochmals bei einer Pressekonferenz und führte aus, dass "jene, die Einwanderer herein lassen, gewahr sein müssen, dass ihre Kinder und Enkel in einer anderen Welt leben werden." Und die EU will "uns zwingen, eine solche Welt zu schaffen und darin zu leben". Doch Einwanderer "werden sich nie integrieren, die Kulturen werden sich nicht vermischen, aus Einwanderung entsteht keine bessere Lebensqualität." Das ist schon die weichgespülte Variante, vor drei Wochen noch
umjubelten EVP-Kameraden seine Rede in Malta, in der er u.a. sagte: "Die Linke will mit Millionen von Moslems den Sozialismus in Europa errichten."

Für Orbán ist es klar, dass alle anderen im Plenum behandelten Kritikpunkte an Ungarn sich letztlich um seine strikte Anti-Einwanderungspolitik drehten, man ihn also dafür abstrafen wolle, nicht einverstanden mit dem zu sein, was er an anderer Stelle "Umvolkung im Rahmen einer neuen Weltordnung" nannte. Die demographische Krise Europas sei nicht durch Einwanderung, sondern durch Arbeitsmarkt- und Familienpolitik zu lösen, die "aus eigenen Quellen schöpft".

In diesem Zusammenhang werde "die Regierung keinem Ausländer erlauben, die Menschen in Ungarn zu bedrohen", so leitete Orbán das Thema - NGO´s und sein
Lieblingsfetisch: Soros ein. Dieser sei ein "bekannte Finanzspekulant, der das Leben von Zigmillionen Menschen zerstört" habe, in dem er "gegen das Pfund und andere Währungen spekulierte". Er machte Profit auf Kosten der Verarmung von Millionen, so Orbán. In Ungarn wurde er für ähnliche Versuche, gegen die Nationalbank und den Forint zu wetten, kürzlich bestraft. "Die Sache ging für ihn nur um Haaresbreite schief." Er finde es unakzeptabel, dass "Europäische Führer eine solche Person hier empfangen als sei es die normalste Sache der Welt", dies sei "den europäischen Institutionen unwürdig."

Manfred Weber, CSU, EVP-Fraktionschef: "Herr Orbán, Es geht heute nicht um Soros."  "Die Kampagne "Stoppt Brüssel" ist Stimmungsmache gegen Europa."

 

Ansonsten aber, sehe er im Vorgehen der EU-Kommission, wie es Kommissionsvize Timmermans dargelegt hat "akzeptabel", man werde die offenen Punkte, also die Lex CEU, das NGO-Gesetz, das Asylrecht, Fragen zur Unabhängigkeit der Justiz, Vorwürfe zur Diskriminierung von Frauen "in Verhandlungen, auf Verfahrensebene oder vor Gericht" lösen. "Wir glauben an eine rechtliche Lösung." - Aber: "Wir Ungarn geben den Kampf nie auf!" - Wie es aussieht, die Europäer aber auch nicht.

Die allgemeine Einschätzung ist zwar, dass Orbán konkret nicht viel zu befürchten haben wird, denn - anders als Orbán - hält sich die EU an ihr Vertragswerk und an die Verfahrensregeln, erduldet immer wieder  nationalistische Ausfälle und Regelverstöße - im Interesse eines zwar langsamen, aber organischen Wachsens der EU und des europäischen Geistes. Doch am Ende sitzt die Gemeinschaft am längeren Hebel - und Orbán weiß das, auch wenn er es in seinem Machtrausch verdrängt. Es werden letztlich seine eigenen Bürger sein müssen, die ihn bald - für beide Seiten schmerzhaft - an die Grenzen seiner Macht erinnern werden und seinem Wahn ein Ende bereiten.

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