Hauptmenü

 

Unabhängiger Journalismus braucht die Hilfe seiner Leserinnen und Leser! - Was wir beim PESTER LLOYD vorhaben und wie Sie uns helfen können...

 

PESTERLLOYD BANNER590X60PX-AUB8

 

(c) Pester Lloyd / 22 - 2017      POLITIK      01.06.2017

Orbán oder Europa: Soros ermutigt Ungarn zum Widerstand gegen "Orbáns Mafiastaat", Botka: Ungarn proeuropäisch

Der US-Milliardär George Soros, der "Millionen Familien auf der ganzen Welt ruiniert hat" (Fidesz) und der oppositionelle Spitzenkandidat László Botka zur gleichen Zeit in Brüssel? Das kann doch kein Zufall sein! Das meint jedenfalls die ungarische Regierungspartei und lässt uns in einer Aussendung wissen, dass Botka und die EU - natürlich unter Soros-Aufsicht - einen "Pakt" geschlossen haben, den Grenzzaun abzubauen". Was Beide wirklich in Brüssel machten, lesen Sie hier.

1722orbansoros (Andere)


 

Die "Europäische Kommission" habe am Mittwoch "dem Sozialisten das Versprechen abgenommen, Migranten nach Ungarn und Europa zu lassen", wenn er die Wahlen gewinnt, heißt es in der Aussendung der Regierungspartei Fidesz weiter, wozu auch die "Zerstörung des ungarischen Grenzzschutzes" geöhre. Bereits zuvor wurde - der gerade von der MSZP zum Orbán-Herausforderer gewählte - Botka als "Risiko für die nationale Sicherheit" bezeichnet. "Wer MSZP wählt, zerstört Ungarns Grenzen".

Das ist noch milde. Das Staatsfernsehen M1 ließ durch seine Nachrichtensendungen vor ein paar Tagen ein Zitat des iranischen Religionsführers Khamenei laufen, das Soros als "zionistische Gefahr" brandmarkte - unreflektiert und eingebettet in die eigene Soros-Manie. Ein Fidesz-Kampfblatt (es gibt derer immer mehr) meldete gar, Soros habe seine eigene Mutter umgebracht. Es gibt praktisch gar keine Regierungsaussendung mehr, in der nicht "Soros" spätestens im zweiten Satz vorkommt. Wir warten darauf, dass er auch für das Wetter verantwortlich ist, weil er vielleicht auf Tiefdruckgebiete spekuliert. Soros, der Fetisch der ungarischen Rechten, die universelle Teufelsgestalt. Eine Obsession, die bei Orbán allmählich pathologische Züge offenbart.

All das, die Diffamierung des Gegners, die Legendenbildung und der Stellvertreterkrieg, ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die im Frühjahr
anstehenden Wahlen 2018, die den "brutalsten Wahlkampf seit der Wende" mit sich bringen werden, wie ein Fidesz-Staatssekretär bereits raunte. Geht es für die Opposition 2018 um "Orbán oder Europa", steht für die Regierungsseite "das Schicksals Ungarns auf dem Spiel". Da hat die Orbán-Regierung sogar recht. Ein im Raum stehender Artikel 7-Prozess oder die aktuelle Forderung der Deutschen, die Zahlung von EU-Geldern an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Normen zu knüpfen sind keine Kleinigkeiten, schon gar nicht für ein Land, das ohne die EU-Milliarden sofort am Ende wäre.

Was macht nun Soros in Brüssel? Man mag es bedauern, dass die NGO-Unterstützung, vor allem in den Ländern Osteuropas, fast zu einer Ein-Mann-Show verkommen ist und es ist natürlich ein Paradoxon, dass ausgerechnet ein Vertreter des auf kurzfristige, destruktive Spekulation setzenden Turbokapitalismus, der natürlich am Ende immer auf Kosten der ökonomisch und sozial Schwächsten geht, gleichzeitig jener Philantrop ist, dessen Geldmittel die Funktionsfähigkeit von Nichtregierungsorganisationen garantiert, also jene Bürger unterstützt, die ihr Schicksal und jenes ihrer Mitbürger nicht mafiartigen Parteistrukturen überlassen wollen, die aufbegehren gegen Amtsanmaßungen, gegen Korruption, gegen die schleichende - oder auch ganz offene - Entrechtung des Souveräns, die Demontage von Rechtsstaat und demokratischen Kontrollmechanismen sei es in Mazedonien, Polen oder Ungarn.

In Wahrheit stören Orbán und Co. ja nicht Soros´ Millionen, sondern der Effekt, der mit ihnen erzielt wird, - nämlich die Schaffung von Öffentlichkeit und Widerstand gegen eine menschenfeindliche, weil antidemokratische, antieuropäische Politik. Soros dient als dankbares, eingängiges Feindbild, ein Feindbild, das bei den Anhängern ankommt, vereint es doch all jene Legenden von der "neuen Weltregierung", dem "Finanzjudentum", das eine "'Umvolkung" zur Unterjochung des christlichen Europas plant, mit denen heute die Verschwörungstheoretiker, die in Ungarn längst zu Praktikern geworden sind, hausieren gehen.
 
Bei aller Kritik an Soros` geschäftlicher Attitüde, leisten seine Open Society Foundation und die (nicht nur) von ihr unterstützten Organisationen eine Arbeit, ohne die diese Länder längst im eigenen Sumpf versunken wären. Human Rights Watch, Greenpeace, Ökotárs, Helsinki Komitee, TASZ usw. bilden sozusagen die Gegenwelt zu Orbáns völkisch definiertem Stände- und Mafiastaat ab, liefern ein Gegenmodell und sind die letzte zivile Verteidigungslinie für Grund- und Menschenrechte, rechtsstaatliche Mechanismen, gegen Korruption, Intoleranz, aber auch für zukunftsfähige Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle, Beispiel Erneuerbare Energien, edukative Integration sozial benachteiligter Gruppen etc.

Es bräuchte einen Soros nicht, wenn das selbsttätige Engagement der Bürger Europas von deren Regierungen mehr gewünscht wäre. Doch die sie repräsentierenden Parteien sehen in NGOs in der Mehrzahl immer noch Konkurrenten, statt korrektive Partner. Kleine - und größere - Orbáns schlummern auch in CDU/CSU und ÖVP, Macht bedeutet für viele der Anspruch auf deren möglichst absolute Ausübung, ihr Mandat interpretieren sie als Freibrief, - was es nicht ist und woran eben die Bürger sie - durch NGOs - zu erinnern haben.

Ob Soros´ öffentliches Auftreten seiner eigenen Sache nutzt, sei dahingestellt. Soros hat in Brüssel und durch Publikationen ein Bekenntnis für Europa und für die EU abgelegt, die jedoch "nicht nur gerettet, sondern radikal erneuert" werden, ja "neu erfunden" werden müsse.

Die EU-Verträge und die Realität hätten sich in vielen Punkten auseinandergelebt, doch die Finanzkrise und die verfehlten Reaktionen darauf, hätten die EU, speziell die Euro-Zone in "das Gegenteil von dem verkehrt, was sie eigentlich" darstellen wollten. Kernproblem: Das Diktat der Gläubigerländer, macht es den Schuldnerländern unmöglich, sich von ihren Schulden zu befreien. Fahre man in dieser Weise fort, werde sich nichts zum Guten wenden können, so Soros, der - so absurd das scheint - eben an diesen erwähnten Krisen Milliarden verdiente.

Der Brexit, die Flüchtlingskrise, die Wirtschaftspolitik, seien die drei großen Gefahren für eine weitere "Desintegration" der EU. In allen drei Bereichen würden die Schwächen in der Kooperation der Mitgliedsländer offenbar. Doch auf der anderen Seite, so schreibt der ungarischstämmige Soros in einem Artikel "Standing up for Europe", ermutigen ihn die vielen Basisbewegungen, vornehmlich junger Leute, die sehr wohl wüssten, was sie an Europa haben und warum es notwendig ist, es zu verteidigen. Er nannte dabei u.a. die Bewegung "Pulse of Europe", eine Bürgerbewegung, die erst im November in Frankfurt startete und mittlerweile 120 Städte auf dem ganzen Kontinent umfasst, aber auch die Pro-Europa-Bewegung "Best for Britain", die sich dem Brexit-Wahn der zumeist älteren Briten entgegenstellt.

Für Polen und Ungarn hatte Soros eine gesonderte Message parat. Er bewundere den "anhaltenden Widerstand gegen den Abbau des Rechtsstaates" in den beiden Ländern. "Der Widerstand in Ungarn muss für Orbán so überraschend sein wie für mich. Orbán hat versucht, seine Politik als persönlichen Konflikt mit mir darzustellen und macht mich zum Ziel seiner unnachgiebigen Regierungs-Propaganda." Dabei "spielt er sich selbst als Verteidiger der ungarischen Souveränität auf und stellt mich als Währungsspekulanten dar, der sein Geld benutzt, um Europa mit illegalen Einwanderern zu fluten. (...)."

 

"Doch die Wahrheit ist, dass ich der stolze Gründer der Central European University bin, die nach 26 Jahren in vielen Bereichen zu den Top 50 der Welt gehört. Mit meiner Unterstützung der CEU, habe ich die Verteidigung der akademischen Freiheit möglich gemacht, gegen die Einflussnahme von außen, sei es durch die ungarische Regierung oder durch iergendwen sonst, den Gründer eingeschlossen."

Ungarn und Polen sowie seine Erfahrungen hätten ihm zwei Lektionen gelehrt. "Es ist nicht genug, sich auf den den Rechtsstaat zu verlassen, um eine offene Gesellschaft zu verteidigen muss man auch für seine Überzeugungen ein- und aufstehen" sowie "Demokratie kann nicht von außen eingeführt werden, sie muss erreicht und verteidigt werden durch die Menschen selbst." Was die CEU betrifft, so vertraue er darauf, dass die akademische Freiheit verteidigt werde, dieser Fall könne "endlich die sich langsam drehenden Räder der europäischen Justiz in Schwung bringen".

"Ich freue mich über die mutige Art, in der die Ungarn den Täuschungen und der Korruption des Orbánschen Mafiastaates (
hier ein paar kleine Beispiele) widerstehen, den dieser geschaffen hat und ich bin auch ermutigt durch die entschlossene Reaktion der EU-Institutionen auf die Herausforderungen in Polen und Ungarn." Auch wenn der Weg noch nicht ganz klar ist, in diesen Anzeichen erkenne Soros die Perspektive einer Wiedergeburt der EU.

1722botka (Andere)


Und was machte MSZP-Kandidat Botka in Brüssel? Nicht mehr und nicht weniger als was alle oppositionellen Spitzenkandidaten zusteht, sich vorstellen. Nach Gesprächen mit Vertretern von Parlament und Kommission, nutzte er die Gelegenheit, sich vor der Presse zu äußern. Der "Soros-Kandidat", wie ihn Fidesz vom ersten Moment an brandmarkte, merkte dabei an, dass "im Gegensatz zu Orbán, unterstützt die Mehrheit der Ungarn Europa", während der Regierungschef "beim Streben nach absoluter Macht der EU den Krieg erklärt" habe. "Europa soll aber wissen, dass wir nicht Putins Kolonie werden und auch keinen neuen Eisernen Vorhang wollen."

Hinsichtlich der Flüchtlingskrise seien "die EU und Orbán gleichermaßen verantwortlich, dass die Ungarn Angst vor Einwanderern" h
ätten. "Ineffektive europäische Führer" hätten "auf Zeit gespielt und waren unfähig Entscheidungen zu treffen", das entstandene "Vakuum" habe Orbán genutzt, um seine "Hasskampagne" zu platzieren. Gleichzeitig habe Orbán fast 20.000 Menschen EU-Visa für Staatsanleihen verkauft und damit "in Europa untertauchen lassen, unter denen möglicherweise eine Reihe von Kriminellen und sogar Terroristen sein könnten". "Wir dürfen Ungarn nicht erlauben, Europa zu zerstören und Ungarns konstitutionelle Demokratie abzubauen, um seine eigene Macht zu sichern", so Botka.

In rund einer Woche übrigens, wird das ungarische Parlament das
Anti-NGO-Gesetz beschließen, das den "Soros-Organisationen", diesen "Agenten fremder Mächte", die "mit Menschenhändlern kooperieren, um Terroristen nach Europa zu schleusen" (ebenso wie es das EU-Parlament macht übrigens)-  den Garaus zu machen. Die nächsten Konflikte sind also vorprogrammiert, die nächsten "niveauvollen" Auseinandersetzungen ebenso...

red.


Wir wollen für Sie schneller und mobiler werden: Der Pester Lloyd sucht Unterstützung für ein neues Redaktionssystem

Liebe Leserinnen und Leser in Nah und Fern,

Wir arbeiten gerade an der Beschaffung und Implementierung eines neuen Redaktionssystems (Content Management Systems - CMS). Dieses wird die Arbeit der Redaktion deutlich erleichtern und beschleunigen, weil es uns damit erstmals möglich sein wird, die Online-Zeitung von jedem Ort aus umstandslos mit neuen Beiträgen zu bestücken, ohne auf Computer mit spezieller Softwareausstattung angewiesen zu sein. Außerdem werden die Ressorts übersichtlicher gestaltet und ein Video-Kanal möglich.

1716plaktionTitel (Andere) (2)


Die Kosten für die Software und deren Installation / Schulung sowie einen in einem sicheren Drittland gemieteten Back-up-Server für eine Sicherheitskopie liegen bei insgesamt 2.800.- EUR.

Die Hälfte dieses Betrages konnten wir bereits aus Zuwendungen unserer Leser aus den vergangenen Monaten beiseite legen, für den Restbetrag möchten wir Sie einladen, uns mit einer Spende zu unterstützen, um den Pester Lloyd zukunftsfähig, mobiler und schneller zu machen, was gerade angesichts der sich mutmaßlich zuspitzenden Entwicklungen der kommenden Monate eine wichtige Komponente einer effektiven Berichterstattung darstellt. Die Einführung der neuen Software ist für den Sommer geplant, wir werden hier über den Fortschritt berichten.

Zuwendungen können Sie über paypal anweisen, an:
online@pesterlloyd.net oder über diesen Link: www.paypal.me/pesterlloyd oder durch eine Banküberweisung. Die Kontodaten übermitteln wir Ihnen umgehend, wenn Sie uns einfach eine kurze Mail an: redaktion@pesterlloyd.net  übermitteln möchten.

Eine weitere Möglichkeit der Unterstützung besteht in der Schaltung einer Annonce, z.B. für Stellenangebote oder Dienstleistungen Ihres Unternehmens. Auch hierzu erhalten Sie von uns über
redaktion@pesterlloyd.net gerne ein auf Sie zugeschnittenes Angebot.

Herzlichen Dank für Ihre Treue und großzügige Unterstützung über all die Jahre,

Ihr Pester Lloyd
 





 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

 

 

 

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854