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(c) Pester Lloyd / 2017-29       FEUILLETON


Die Beziehung von Technik und Kunst

Macht Technik die Kunst kaputt? Fotografie und günstige Druckverfahren ermöglichen es uns heute, jedes Werk zu reproduzieren. Projekte wie „Google Arts & Culture“ bringen Kunstwerke in hoher Auflösung auf unsere Bildschirme. Wir müssen nicht mehr ins Louvre pilgern, um einen Blick auf die Mona Lisa werfen zu können. Doch Technik ist nicht nur eine Plattform für Kunst. Einige Künstler und Künstlerinnen nutzen Technik, so wie andere Farbe und Leinwand verwenden.

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Technik hat eine exakt definierte Funktion

Das ist nichts Neues und doch besteht zwischen Kunst und Technik ein kaum überbrückbarer Widerspruch. Technik ist zweckgerichtet. Sie entsteht, um eine konkrete Funktion zu erfüllen: Eine Nachricht von einem Gerät zum anderen verschicken oder Töne aufnehmen und wiedergeben.

Die Kunst aber entzieht sich dem direkten Nutzengedanken. Sie legt stattdessen Wert auf Ästhetik und Ausdruck, darauf, ein Gefühl oder ein Erlebnis erfahrbar zu machen. Doch wann genau wird Technik zur Kunst?

Gebrauchsgegenstände werden zu Kunst

Wird eine Lichtröhre zu einem Kunstwerk, wenn man sie im Technik-Museum ausstellt? Wohl kaum. Aber was passiert, wenn man diese Lichtröhre in einer Kunstgalerie anbringt und durch diesen Kontext mit neuer Bedeutung auflädt? Genau das hat der Künstler Dan Flavin getan. Sein berühmtestes Werk
„Diagonal of May 25, 1963“ ist eine gelbe, diagonal an der Wand angebrachte Leuchtstoffröhre. Ein Gebrauchsgegenstand, der zu einer Lichtinstallation geworden ist.

Das Licht als altes und neues Kunstmedium

Das Licht spielt in moderner und zeitgenössischer Installationskunst eine zentrale Rolle. Die Idee selbst ist nicht neu. Die Darstellung von Licht war ein zentraler Aspekt der traditionellen, figurativen Malerei. Bei Malern wie Leonardo Da Vinci und Rubens geschah das noch mit Farben auf einem Untergrund, wie beispielsweise Öl auf Leinwand. Die Impressionisten wie Claude Monet profitierten von neuen Herstellungsverfahren und ließen ihre Bilder dank neuer Farben erstrahlen. Bei einem Rundgang durch eine größere Gemäldegalerie fällt beim Übergang zu den Impressionisten auf, wie die Farben aus den Bildern herausleuchten.

Schon in gotischen Kathedralen wie der Notre-Dame de Paris waren die Erbauer bemüht, anhand neuer Bautechniken Kunstwerke aus Licht zu erschaffen. Betrachtet man diese Entwicklung, wird es verständlich, dass mit der Entstehung des elektrischen Lichts Künstler diese Technik schnell aufgriffen.

Der Licht-Raum-Modulator von Moholy-Nagy

Einer der ersten Lichtkünstler war der in Ungarn geborene Künstler László Moholy-Nagy. Er beschäftigte sich sowohl mit dem Konstruktivismus als auch mit Fotografie und experimentellem Film. Eines der Hauptwerke der Lichtkunst ist sein
Licht-Raum-Modulator (siehe Foto) zur Demonstration von Licht- und Bewegungserscheinungen. Das Gerät wurde erstmals 1930 in Paris gezeigt und ist sowohl eine Maschine als auch ein Kunstwerk. Verschiedenfarbige Glühbirnen und bewegliche Scheiben sorgen für ein farbiges Schattenspiel.

Moholy-Nagy experimentierte in seiner Kunst aber mit mehr als nur mit Licht. Er verwendete industrielle Werkstoffe wie Aluminium und wurde außerdem für seine ungewöhnliche Telefon-Malerei berühmt. Die Werke entstanden, indem Moholy-Nagy die Farbmuster und Formen per Telefon an eine Schilderfabrik diktierte. Der Künstler schuf also nicht mehr das tatsächliche Werk, sondern nur die Idee.

Ist eine Taschenlampe Kunst?

Der zeitgenössische Installationskünstler Ólafur Elíasson erforscht in seiner Kunst ebenfalls die Wirkung des Lichts auf Menschen. Neben zahlreichen Lichtinstallationen entwickelte er im Rahmen des Projekts „Little Sun“ eine Taschenlampe in Form einer gelben Sonne. Sie funktioniert ohne Strom und soll in Entwicklungsländern verbreitet werden. Auf die Frage hin, ob das auch ein Kunstwerk sei, antwortete Elíasson, dass er die Taschenlampe ja im gleichen Prozess schuf wie auch seine anderen Werke, die einen unbestrittenen Kunststatus haben. 

Virtual Reality als neuer Raum für Kunst

Virtual Reality und Geräte wie die Sony Playstation VR, HTV Vive und Oculus Rift ermöglichen eine neue Art von Kunst. Noch ist VR kostspielig, doch das dürfte sich in nächster Zeit ändern und Künstlern somit mehr Freiheit einräumen. Die Londoner Royal Academy of Arts organisierte beispielsweise eine teils virtuelle, teils analoge Ausstellung. Die Kunstwerke konnten sowohl in der virtuellen Realität als auch als 3D-Druck betrachtet werden. Der Berliner Künstler Philip Hausmeier ist der Meinung, dass VR für Kunst immer wichtiger werden wird, denn VR sei eine Erweiterung der Installation. Hausmeiers VR-Kunstwerk
„Nausea“ ist ein Zusammenspiel aus Video, Musik, gegenständlichen und nicht-gegenständlichen Formen in einer virtuellen Realität.

Technik als Plattform für Kunst

Aber selbst wenn Kunst und Technik nicht direkt zusammenspielen, kann sich die Präsentation von Kunst der Technik als Plattform nicht entziehen. Soziale Netzwerke wie Pinterest, Instagram und Facebook sind eine neue, wichtige Plattform für Künstler und Galerien. Einerseits präsentieren sowohl Hobby- als auch Profikünstler ihre Kunst online. Andererseits sind soziale Medien für Kunstinstitution nicht mehr wegzudenken. So können beispielsweise Besucher von
Galerie Gmurzynska's Facebook, einer Galerie in der unter anderem Werke von Moholy-Nagy ausgestellt wurden, Informationen zu Künstlern, Ausstellungen und ihren Werken erhalten, und sich der Kunst so über eine neue Plattform nähern.

Wohin führt die Zukunft?

Die Kunst und die Wissenschaft erforschen das, was schon da ist, wandeln vorhandene Materialien um und erschaffen etwas Neues. In dieser Hinsicht sind sich Technik und Kunst ähnlich. Es ist zu erwarten, dass sie weiter zusammenwachsen, auch wenn wir vom Verschwinden von Öl auf Leinwand noch weit entfernt sind. Die Kunst wird – wie in den Epochen zuvor – neue Techniken und Medien aufnehmen, sie umwandeln, erforschen und in neuem Licht präsentieren.

ms.

 

 

 

 

 

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