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(c) Pester Lloyd / 34 - 2017 NACHRICHTEN 20.08.2017
Geheimkommunikation: Ungarns Regierung reaktiviert "heiße Drähte" der Kádár-Zeit
Die Regierung will ein gigantisches, internes Telefonnetz aus Zeiten des Kádár-Regimes wiederbeleben, das Ministerien und Behörden miteinander vernetzt und außerhalb der öffentlichen Provider agiert. Die Regierung führt die "nationale Sicherheit" in Zeiten von Cyber-War und Terrorismus Feld und verspricht zudem geringere Kosten, die Opposition spricht von intransparenter Geheimsnikrämerei, die Verfehlungen und Korruption unverfolgbar machen sollen, einem Rückfall in stalinistische Gepflogenheiten. Zusammen mit dem geplanten Gesetz, alle Daten von Bürgern in einer Datenbank zu konzentrieren, gehe Orbán einen weiteren Schritt in Richtung totalitäres Überwachungsregime.
Zwei im ungarischen Amtsblatt "Magyar Közlöny" publizierte Regierungsdekrete weisen an, dass nachfolgende Institutionen hinfort wieder über das alte, interne Kabelnetz kommmunizieren sollen, in das man sich von außen nur über eine manuell kontrollierte Telefonzentrale einwählen kann: alle Polizeidientsstellen, alle 167 Regierungsbüros im Land, alle Ministerien, staatliche Krankenhäuser, alle Regierungsbehörden, Medienbehörde, Gerichtsaufsicht.
Die Umsetzung soll die nationale Info-Kommunikationsbehörde NISZ übernehmen, die Kosten für die Reaktivierung werden auf zunächst rund 1 Millionen Euro angesetzt. In einem zweiten Schritt will die Regierung auch ein abgeschirmtes, staatseigenes Mobilnetz aufziehen, eine Ankündigung, die als befremdlich gilt, hat man nämlich gerade im Februar mit der Magyar Telekom einen Vertrag zur Bereitstellung von 200.000 besonders gesicherten SIM-Karten geschlossen.
Der heiße Regierungsdraht, die sogenannte K-Linie wurde 1947 installiert, weil es kein vernünftiges, verlässliches Telefonnetzwerk im Nachkriegsungarn gab. In den Achtzigern erreichte die Anlage ihren Höhepunkt mit über 3.000 Stationen im ganzen Land. Die parlamentarische Opposition kritisiert, dass das geschlossene Telefonnetzwerk einen weiteren Schritt darstelle, ein zentrales Element demokratischer Kontrolle auszuschalten, nämlich die Kontrolle der Regierung und ihrer Arbeit durch das Parlament. Jenes wird nämlich keinen Zugriff auf das Netzwerk erhalten, weil es keine Regierungsinstitution darstelle. "So kann die Regierung direkt und ungestört, schamlos die Aktivitäten der Sicherheitsorgane steuern" und selbst entscheiden, welchen Teil an Informationen das Parlament davon bekommt.
red.
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