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Entwicklungen in Katalonien: Republikfeier und Gegendemos - und warum Ungarn gegen die Unabhängigkeit ist

“Wir alle sind Katalonien”. Demo von Gegnern der einseitigen Unabhängigkeitserklärung am Sonntag.

"Die ungarische Regierung sieht die Erklärung der katalanischen Unabhängigkeit als eine innere, spanische Angelegenheit", erklärte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó am Samstag, womit die Regierung in Budapest den Standpunkt der EU und der meisten ihrer Mitgliedsstaaten übernimmt. Szijjártó habe sich dabei zuvor mit seinem polnischen Amtskollegen abgesprochen. Man hoffe, dass die Situation so bald wie möglich "im Einklang mit den spanischen Verfassungsregeln gelöst" werde.

Dass sich Ungarn so klar auf EU-Linie begibt, ist nicht ganz natürlich, schließlich gibt es in der Regierungspartei Fidesz starke Kräfte, die eine "Unabhängigkeit", auch eine territoriale für die in Rumänien lebenden Ungarn fordern und diese Bestrebungen mit Geld und politischer Unterstützung aktiv fördern.

Auch hatte Orbán, in vorauseilendem Gehorsam gegenüber seinem politischen Mentor Putin, vor einigen Jahren das "Recht auf Autonomie" von Russen in der Ukraine erklärt  und damit schwere Verstimmungen mit Kiew heraufbeschworen. Die jetztige Haltung dürfte damit zusammenhängen, die neue Allianz unter den Visegrad Vier nicht durch Alleingänge zu gefährden, außerdem sind Fidesz und PP in der EVP-Parteienfamilie, Orbán braucht durch seine Extravaganzen dort jede Rückendeckung, zumal er die EVP erst kürzlich schwer verärgert hatte.

Was ist in Katalonien los?

Am Freitag hatten 70 der 135 Abgeordneten des katalanischen Regionalparlamentes einseitig eine Republik ausgerufen. 10 stimmten dagegen, zwei ungültig, 53 verließen aus Protest gegen das Prozedere, das auch gegen die eigene parlamentarischen Statuten verstieß, das Plenum. Die Unabhängigkeitsbefürworter beriefen sich darauf, durch das Ergebnis des Referendums vom 1. Oktober dazu legitimiert zu sein. Das Referenderum wurde vom Verfassungsgericht für ilegal erklärt, die Abhaltung führte zum Einsatz von massiver Polizeigewalt.

Flaggenlehre: Die Estalada ist die Flagge mit dem blauen Dreieck, Flagge der Anhänger der Republik. Nur rot-gelb in schmalen Streifen: die Senyera, Flagge aller einst unter dem Königreich Aragón vereinten Länder, heute Symbol und offizielle Flagge der vier autonomen Regionen: Katalonien, Valencia, Aragón und Balearen. Die selbe Flagge mit einem roten Stern: Flagge der Republik, die gegen Franco kämpfte, seit den 70ern populär in den linken Kreisen der Separatisten.

Ein Einsatz, der nach Meinung vieler Beobachter völlig unnötig war, da die Ergebnisse der Abstimmung ohnehin null und nichtig waren. Der Einsatz war vielmehr eine Machtdemonstration der Regierungspartei PP, auch nach innen, in der Reflexe aus der Franco-Zeit sichtbar wurden und die dem Bürger vor Augen führen sollten, dass er kein Recht habe, außerhalb von Wahlen seine Ansprüche anzumelden. Die PP von Rajoy ist in Dutzende Korruptionsprozesse verwickelt.

Im Laufe des Prozesses wurde deutlich, dass nicht nur der auf historischen Fake-Legenden und der Behauptung von Repressalien gegen die Katalanen, die es schlicht nicht gibt, fußende Egotrip der Separatisten jenseits der Gesetzgebung zur Verschärfung der Situation beitrug, sondern auch die - beabsichtigten - Versäumnisse der PP Rajoys in den letzten Jahrzehnten, die Verfassung so umzubauen, dass eine wirkliche föderale Struktur mit entsprechenden Garantien in beide Richtungen möglich würde.

Fragwürdig ist auch die Haltung des Verfassungsgerichtes in Madrid, das zwar die Verfassung im Sinne der Einheit Spaniens schützte, es aber gleichzeitig unterlässt, der Regierung die Grenzen ihres Eingriffsrechtes auf bürgerliche Grundrechte wie die freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit etc. aufzuzeigen. Oppositionelle PSOE und Cuidadanos stehen derzeit an der Seite der PP, die PSOE fordert jedoch eine Debatte über eine moderne Verfassung. Rajoy regiert mit einer Minderheitsregierung und ist daher auf die Unterstützung von Oppositionsparteien angewiesen.

Eine Stunde nach der Unabhängigkeitserklärung am Freitag aktivierte der spanische Senat Artikel 155, in dessen Folge Regierungschef Rajoy die Regionalregierung ab- und durch staatliche Strukturen ersetze, das Regionalparlament in seinen Befugnissen beschränkte und Regionalwahlen für den 21. Dezember ausrief. Es ist möglich, dass ab kommender Woche Verhaftungen durchgeführt werden, die Generalstaatsanwaltschaft prüft Anklagen wegen "Rebellion".

Während am Freitag Zigtausende Republikaner auf den Straßen feierten, versammelten sich am Sonntag Hunderttausende in Barcelona unter dem Motto "Wir alle sind Katalonien" und demonstrieren für die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung. Aktuelle Umfragen sehen Befürworter und Gegner der Abspaltung ungefähr gleichauf, wobei sich das Momentum Richtung Unionisten verschiebt. Die Parteien der Separatisten  - außerhalb der Frage der Republik - gespalten. Der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont deutete an, sich dem Votum am 21.12. zu stellen, sein linksradikaler Koalitionspartner CUP spricht von Wahlen eines "Besatzungsregimes", die boykottiert werden müssten.

Eine relative Mehrheit der Katalanen ist für mehr Unabhängigkeit, jedoch keine staatliche Abspaltung, sie fühlen sich als Katalanen und Spanier und es besteht die Chance, dass diese Kräfte sich im Dezember durchsetzen. Ihr Hauptziel ist die Schaffung einer besseren, gerechteren, sozialeren Gesellschaft - aber es ist ihnen auch klar, dass diese nicht durch Außgrenzung der Hälfte der Bevölkerung und das schiere Hissen einer neuen Flagge zu erreichen ist.

red.

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