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(c) Pester Lloyd / 01 - 2019   POLITIK       05.01.2019


2019: Ungarns Start ins neue Jahr in Wort und Bild

Die zweite Hinrichtung des Imre Nagy + Viktor im goldenen Panic-Room + Beim Glaubensbruder in Brasilien + Opposition: Ein Schwur und neue Demos + Zu wenig Polizisten + Der geparkte Lázár

Mit drei symbolischen Akten zelebrierte ein im pathologischen Machtrauschbefindlicher Viktor Orbán Weihnachtszeit und den Beginn des neuen Jahres. Die Entfernung des Nagy-Denkmals, der Einzug auf den Burgberg und der Händedruck mit Bolsonaro stehen dafür wie Orbán Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Ungarns definieren will. Die Opposition schwört sich ein und nimmt die Demonstrationen wieder auf.

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Imre Nagy schaute auf das Parlament, ihm eine Brücke zum Land öffnend...

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde das Denkmal Imre Nagys am Rande des Kossuth Platzes gegenüber dem Parlament entfernt. Die amtliche Nachrichtenagentur MTI durfte dazu nur den Bauleiter interviewen, der davon sprach, dass man den Plänen der Umgestaltung des Platzes nach seinem Bilde von 1944 folge. Dem fielen zuvor schon die Statuen des ersten Republikpräsidenten Graf Károlyi, sowie des "Armendichters" Attila József zum Opfer. Letztere übrigens nicht, ohne zuvor von Jobbik-Leuten im Stile der SS-Vorführungen von Juden in den Straßen Deutschlands geschändet zu werden. Jenen Gestalten also, mit denen die demokratische Opposition jetzt Hand in Hand gegen Orbán marschiert, - für den guten Zweck sozusagen.

Die zweite Hinrichtung des Imre Nagy

Mit Nagy tilgte Orbán, dem sein Wiener Psychater offenbar zuviel manisch wirkende Medizin über die Feiertage verschrieben hatte, eine tägliche Erinnerung, ein schlechtes Gewissen und seine liberalen Wurzeln. Schließlich startete seine politische Karriere am Sarg dieses "Reformsozialisten", mit einer feurigen Rede für ein liberales Ungarn bei der Umbettung 1989. Anstelle Nagy soll ein Denkmal für die "Opfer des roten Terrors" kommen, wie es Horthy dort einst aufstellen ließ, auch, um den weißen Terror zu tilgen.

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Die gleiche Stelle, Brücke und Nagy weggeschafft, damit Platz für ein Denkmal aus Horthy-Zeiten wird. Einige Bürger gedenken der Schändung wie anderswo bei einem Terroranschlag.

Der revanchistische Rückbau des Platzes bekommt mit der Tilgung Nagys, der zum nach einer Schauspielerin benannten Platz an der Margaretenbrücke umziehen soll, eine klare Botschaft an die Heutigen: Lasst alle Hoffnung fahren, es hat sich ausrevolutioniert. Die Revolution bin ich. Eine kleine Demo, ein paar Kerzen und Blumen und viel stille Wut war bis dato die Antwort. Mit Nagy hat Orbán immerhin ein Nationalheiligtum angerührt, auch wenn diese Kategorisierung einer bescheidenen, unpathetischen Person wie Imre Nagy ohnehin nicht gerecht würde.

Orbán handelt konsequent, er hat über Jahre das Erbe des Volksaufstandes 1956 umgedeutet, vergewaltigt und gekapert. Warum soll er dann seinen Protagonisten unangetastet lassen. Orbán hat Nagy sozusagen zum dritten Mal beerdigt. Nach der Hinrichtung 1958 und der Umbettung 1989, wurde er jetzt im Massengrab der freiheitlich-demokratischen Ideale verscharrt.

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Renovierter Innenhof des Karmeltierklostertheatersitzdesministerpräsidenten

Viktor im goldenen Panic-Room

Sodann bezog Orbán zum neuen Jahr endlich seine lang ersehnte Residenz auf dem Budaer Burgberg. Ein altes Karmeliterkloster, lange als Theater genutzt, wurde für grob geschätzte 80 Millionen Euro umgebaut, verbunkert und aufgemotzt. Die genauen Kosten kennt man nicht, aus Sicherheitsgründen sind alle Arbeiten und deren Rechnungen unter Verschluss. Dass zeitgleich ein früherer Klempner und Freund Orbáns, heute Medienmogul, Baulöwe, Hotelier und Großbanker, als reichster Mann Ungarns in den Boulveardmedien verbucht wird, ist Zufall.

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Die kosmisch gesegnete ungarische DNA-Doppelhelix als Treppennachbau?

Es geht die Kunde, dass sich Orbán für mehrere Millionen Euro einen Panic Room ins Kloster bauen ließ, eine Art Führerbunker also, für den Fall, dass das Volk, auf das er nun gütig und streng wieder Herrgott selbst hinabschauen wird, irgendwann zu ihm heraufsteigen sollte. Es halten sich hartnäckig Gerüchte, dass aber auch diese Trutzburg des Premiers noch nicht seinen Ambitionen und seinem Rang entspräche und er nur auf den Ablauf der präsidialen Amtszeit warte, um dann in den Sándor Palota überzusiedeln, dem ultimativen Thron Ungarns, das durch unterirdische Gänge mit dem Führerkloster verbunden ist.

Beim Glaubensbruder in Brasilien

Das Neujahr begann Orbán südlich des Äquators, nicht auf der Flucht, sondern um Gunst beim Faschisten Bolsonaro buhlend, der in Brasilien den Präsidentensessel ergaunern konnte. Dies sei ein Ausblick auf Ungarns Zukunft, selbst Erdogan, Putin oder Salvini scheinen ihm zu lasch. Bolsonaro hat angekündigt, die Arbeitsgerichte abzuschaffen, 700.000 "Kommunisten" aus der Verwaltung zu "entfernen", keinen Platz mehr für Indigene zu haben und seinen Sohn lieber tot als schwul zu sehen. Die Beiden haben also viel gemeinsam. Bald auch ihren Faschismus. Nur den physischen Dolchstoß zum Wahlkampf, den hat Orbán sich entweder für eine andere Gelegenheit aufgehoben oder hat einfach keine Eier dafür.

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Neujahrsfeier in Brasilien

Seinem daheim gebliebenen Volk hinterließ er eine Neujahrsbotschaft in Briefform. Nichts Neues stand darin, nur wieder, dass die EU Ungarn vernichten wird, wenn man bei den anstehenden Wahlen nicht völkisch wählt. Achja, und man möge der Regierungspartei doch eine Spende zukommen lassen, "um unseren Erfolg zu sichern". Die Leute können ja die Lebensmittelmarken einsenden, die Orbán zu Weihnachten an die Rentner versenden lässt.

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Oppositionsdemo am 4. Januar in Pécs

Ein Schwur und neue Demos

 

In mehreren Städten Ungarn, am stärksten in Pécs und Szeged, nahmen Bürger und Oppositionsgruppen die Demonstrationen wieder auf, die mit dem "Sklavengesetz" begannen und mittlerweile zu einer Fünf-Punkte-Resolution anwuchsen, in der man neben der Abschaffung der Überstundenregelung auch einen unabhängigen öffentlichen Rundfunk verlangt, den Beitritt zur Europäischen Generalanwaltschaft, eine unabhängige Justiz anstatt eines Fidesz-hörigen neuen Verwaltungsgerichtes sowie die Reduzierung bzw. der Ausgleich von Überstunden der Sicherheitskräfte, vor allem der Polizei.

Die Opposition, sowohl die parlamentarische von links, über unabhängig bis ultrarechts legte, zusammen mit APO-Gruppen auf den Stufen des Parlamentes einen Eid auf diese 5 Punkte ab, um die man nun gemeinsam kämpfen wolle.

Für Samstag, 5. Januar, ist eine weitere Großdemonstration in Budapest geplant.

Zu wenig Polizisten

Die Regierung fährt auf allen ihren, - also praktisch allen - Medienkanälen volles Programm gegen die Opposition: Kleinreden, Ignorieren und / oder kriminalisieren, lautet die bewährte Taktik und tatsächlich fehlen noch ein paar Hunderttausend, um die Bewegung als Massenbewegung bezeichnen zu können, ohne sich lächerlich zu machen. Man lancierte zudem die Nachricht, dass Ungarn mit 90 Beamten auf 100.000 Einwohner die geringste Polizeidichte der EU aufweise, der Schnitt liege bei 318, selbst "sichere Länder" wie Finnland hätten über 115. Zeit aufzurüsten. Und dann machte er den Amtskirchen noch ein Steuergeschenk im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich, - Bildungspolitik sozusagen.

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Von links bis ultrarechts gegen Orbán: Opposition legt Schwur auf Parlamentstreppen ab

Der geparkte Lázár

Einen interessanten Riss im Lack der Orbán-Front präsentierte sein einstiger Flügeladjudant im Ministerrang, János Lázár. Im Radio nannte er das "Sklavengesetz" "eine bedenkliche Entscheidung", die wohl "kaum auf die Zustimmung der Mehrheit der Arbeitnehmer treffen" dürfte und man "nicht wissen könne, wie die Proteste ausgehen". Wer die sklavisch-zynische Treue Lázárs zu seinem Herrn kennt, der könnte sich wundern. Lázár wurde nach den letzten Wahlen abgesäbelt, abgeschoben - sagen die einen. Wir sagen, er wurde geparkt. Lázár als Exit-Boy, als Alternative, wenn sich Orbán nicht mehr halten können sollte. Eine junge Kraft, die sich bekehrt hat und die alten Wähler mitnimmt. Ein schlauer Plan, großte Teile von Orbáns geraubtem Geld verwaltet der Mann ja bereits schon, warum soll er nicht auch bald sein politisches Erbe antreten, der “Sache” wegen...

red.

Abb: MTI, PL-Archiv, MEK, index.hu

 



 

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