Aus dem Archiv des Pester Lloyd

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(c) Pester Lloyd / Archiv

 

Aus dem Pester Lloyd von 1912

Ungarische Lyrik - In Nachdichtungen von Heinrich Horvát

(deutsche Erstveröffentlichungen)

Andreas Ady: Im Eliaswagen

Es wird der Herr, die er schlägt und liebt
Wie Elias von hinnen tragen,
Er gibt ihnen Herzen voll von rascher Glut –
Das sind die feurigen Wagen.

Zum Himmel stürmt das Eliasvolk
Und hält, wo die Gipfel ragen,
Durch ewigen Schnee, auf eisigem Grat
Rattert der rasende Wagen.

Zwischen Himmel und Erde gewirbelt im Sturm,
Verstoßne aus jeglichen Reichen, -
Der bösen, katlen Schönheit Magnet
Zerrt die verwunschenen Speichen.

Ihr Herz ist Glut, ihr Hirn ist Eis –
Verhöhnte Gottesvasallen…
Mitleidig bestreut die Sonn ihren Pfad
Mit kühlen Demantkristallen.


Michael Babits: In Horatium

Entfleuch gemeine Schar, denn ich hasse dich!
Ein Lied von nie vernommenen Klang beginnt:
Ich finge heut – der Muse Priester –
Starken empfänglichen jungen Ohren.

Zum Himmel sieh: ein braunes Zigeunervolk,
Die Wolken ziehn, im Wasser die Welle flieht.
Ihr ewges Wechselschicksal preisend,
Hör sie den Windgott im Sang erheben.

Und Wellen sind auch Flammen. Ein Phoenix glüht
Nd brennt die Welt, und Leben hat einzig das
Was schon gestorben war. Dem Tode
Damit ihr Lebendigkeit Wild und Wälder.

Auf Erden alles, alles auch unter ihr
Fließt immerwährend, rauschendem bache gleich,
„Nur einmal trittst in einen Bach du“
Thanatos ehernen Schluß gehorchend.

So sei das Lied auch immer verjüngt und neu,
Den alten Sinn umzaubre das frische Kleid,
Laßt alte Formen als Gewandung
Neuer Gedanken belebt erprangen.

Und sang einst Tuburs Dichter in diesem Maß
– Ein ländlich heiterer Mann – die Genügsamkeit,
So will ich heute im selben Tone
Hymnen des Nimmergenügens singen!

Auf Erden alles, alles auch unter ihr
Fließt immerwährend; donnernd im Wogenschwall
In Lava, Flammen und Lawinen
Brandet das Leben: Auch du verschmähe

Der Trägheit Bleigewand und ermanne dich
Zum Mißvergnügen an der Genügsamkeit,
Sei leicht wie Wellenschaum und Winde,
Leicht wie der Tod, wie der Wolke Zügel.

Ins niedre Joch der blöden Bescheidenheit,
Der Pöbeltugend, beuge die Seele nicht –
Gebrechlich, doch zum Flug erlesen,
Fliehe den Hafen, die Mittelstraße: 

Verbünde dich zu freudig erkornem Dienstag
Den großen Kräften, die da geheimnisvoll
Die hehren, niegeschlossnen Kränze
Wahllos verworrner winden.


Béla Balázs: Gäa

Fortan will ich dich Gäa nennen,
Denn mir ist in deiner Nähe
Als ob ich tief in großen Wiesen stehe,
Verborgne Wärme kommender Fruchtbarkeiten
Haucht warme Röten auf die Abendweiten –
Gäa!

Durch spärlich junges Gras blickt still die rde,
Nicht Saat, noch Laub – nur braune Erdefrieden,
Doch in des tiefen Schoßes warmen Braun
Fühl ich den Frühling und den Sommer sieden
Und alles ist in deinem einfach großen Schaun –
Gäa!

Von deinen Schultern, deinen Brüsten gehen
Botschaften uraltewiger Erdenkräfte,
Erinnerung rauscht durch meines Blutes Säfte,
Ich ankre in den Wurzeln aller Schäfte,
Ich werde nicht im Tode untergehn –
Gäa.

Wenn ich den Schmerz, daran das Herz mir krankt
Hinschütten will vor dich aus vollen Schalen,
Vergeß ich plötzlich alle meine Qualen –
Denn du bist da. Kann ich noch Wünsche tragen –
Kann ich noch weiter gehen, da ich zu dir gelangt?
Gäa.


Desider Koßtolányi: Bettelnde Lieder

Der kranken Kinder Bleiche ist in meinen
Verwaisten Liedern, die jetzt zu dir gehen –
Und alle sind sie arm und müd und weinen.

Dies birgt sich ängstlich in dein Kleid, den Glanz
In deinem Aug will dies verschüchterte erspähn,
Vor deine Füße sinkt sein dunkler Kranz.

Nur eines ist wie keines ausgestoßen,
Es hat geweint neun Nächte lang und war
Verirrt in fremden kalten Landen.

Zu bettlen wagt es nicht, nur seine großen
Traumaugen flehn – doch du hast es verstanden
Und neigest dich hinab und küßt sein Haar.


Alexius Lippich: Ausklang

Von hundert Schlachten künden Riß und Narben
Auf meiner Seele altem Kriegspanier,
Noch spielt das Licht in seinen fahlen Farben,
Doch bald verfällt die einst so helle Zier.

Ist auch des Wappens Purpurglanz geschwunden,
So wars in Ehren und im guten Krieg;
Ich folgt ihm treu, es war ein Weg der Wunden,
Doch wars ein Schreiten, stolz, von Sieg zu Sieg.

Wir wurden nicht von Lieb und Kuß empfangen,
Uns galten Hiebe, Stiche, Kugeln viel,
Wir aber kämpften weiter sonder Bangen
Verzückten Glaubens an das heilige Ziel.

Zerrissen ist die Fahne und ihr Schwinger
Ein Müder in des Lebens Kämpferreihn –
Band sinken wir, doch unsres Grabes Zwinger
Durchgoldet unsres Glaubens Glorienschein.

Alexander Mezey: Rip van Winkle

Strahlendes Kind,
Auf des Lächelns sanftschaukelndem Kahne
An mein Ufer gewiegtes,
Frühling im Märchenlanden erblüht –
Die du unsterblicher Lieder Fülle
In mein darbendes Leben streust;
Verzaubre meine Seele!
Verzaubre sie wie Orpheus
Des Acherons schweigenden Felsen
Musik entzaubert.

Erblühe mir klingendes Rosenmeer!
Umhülle mich! meine Augen beide bedecke
Mit tausendschönen Blumenblättern;
In einem tiefen Traum, dem kein Erwachen droht,
Verstricke mich –,
Der Liebe und der Blumen und der ewigen
Traurigen Jäger.

[Schönheit]


Géza Szilágyi: Kelche

Ungleichen wertes sind die Dinge, welche
Mir als Geschenk für dich Geliebte glücken –
Ach, ich vermag sie nicht mit gleicher Kunst zu schmücken,
Die großen Becher und die kleinen Kelche.

Auch kahle sind darunter, kantige Schalen,
Unliebliche Gebilde, schwer und irden;
Doch andre sind, die ganz in üppigen Zierden
Den Ueberschwang des Bildners widerstrahlen.

Du aber wähle nicht. Al meine Gaben
In gleicher Gnade wolle du sie hegen:
Dein Name ist in jeden Kelch gegraben –
Aus jedem Kelch glüht dir mein Blut entgegen.


Julius Wlassics jun.: Wiedersehn

Du, einst mir aller Jugendsehnsucht Ziel,
Wie trieb es mich zu dir, mit durstigen Augen
Den Zauber deiner Tiefen anzusaugen –
Mein stiller See, wie warst du mir so viel.

In deiner weltentrückten dunklen Bucht
Durft ich das Märchen selbst gewahren,
Und immer neuer Wunder Scharen
Brachte mir deiner Wellen Flucht.