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Aus dem Pester Lloyd von 2004

András Heltai-Hopp

Der Literaturpapst des ancien Regime

Der Schriftsteller, Publizist und Dramatiker Ferenc Herczeg verstarb vor 50 Jahren

Mehr über und von Herczeg

Die Geschichten über talentierte Ungarndeutschen, die seit Jahrhunderten die Wirtschaft und Kultur der neuen Heimat bereicherten, könnten Bände füllen. Im Band über die ungarische Literatur verdiente Ferenc Herczeg sicher ein eigenes Kapitel. Er wurde in einer der Hochburgen der Deutschen, im Banat, in der Stadt Versec (heute Vrsac, Serbien) 1863 als Franz Herzog, in einer alteingesessenen deutschen Bürgerfamilie geboren.

Die Mutter, geb. Hoffmann, war auch Deutsche. Der Großvater baute die Kirche des Städtchens, der Vater war lange Jahre Bürgermeister. In der katholischen Schule wurde auf deutsch unterrichtet und der kleine Franz erlernte die so schwere Sprache des Landes erst später, im Szegeder Gymnasium. Ganz richtig wohl dann an der Universität, wo er Jura studierte. Er studierte ehrgeizig ungarisch,  mit der zähen Ausdauer der Deutschen. Der junge Jurist und leidenschaftliche Sportler genoß dann das Leben in Temesvár (Temeschwar, heute Timisoara, Rumänien) mit seinen Offiziersfreunden.

Nach einem Duell waschechter ungarischer Art mit tödlichem Ausgang, muss er einige Monate im Zuchthaus einsitzen. Dort schreibt er seinen ersten Roman, „Fenn és lenn“ (Oben und unten). Damit gewinnt er einen begehrten Literaturpreis und der Schwabe aus dem Banat wird um die Jahrhundertwende auf einen Schlag zum hochpopulären Autor von Romanen, Erzählungen. Aber er entwickelt sich ebenso schnell auch zu einem gefeierten Dramatiker, dessen Stücke das Nationaltheater, mit der besten Besetzung, stolz auf die Bühne stellte.

Das merkwürdige an diesem talentierten Schriftsteller war, wie leicht und voll dieser ein Ungar mit Leib, Seele – und Feder wurde. Seinen Roman, „Im Tore des Lebens“, den seine Zeitgenossen, darunter die Akademie der Wissenschaften, in den Zwanzigern für den Nobelpreis für Literatur vorschlugen, schrieb er 1919. Nach den gescheiterten Revolutionen, die der durch und durch erzkonservative Schriftsteller (und Politiker) voll abgelehnt hat und nachdem das historische Ungarn aufgehört hat, zu existieren, analysiert er, der Deutsche, die ewigen, vielbeklagten Schicksalsprobleme der Magyaren mit hoher Sachkenntnis und prasentiert sie literarisch, auch publizistisch, in den verschiedensten Formen.

Der begeisterte Patriot war auch Vorsitzender der Revisionsliga, einer halboffiziellen Organisation der Zwischenkriegszeit, die mit Unterstützung der Regierung für die Wiederkehr der an die Nachbarländer verlorenen Gebiete warb. Daraus ergaben sich für Herczeg Kontakte zu allen, die da irgend helfen konnten. So stand auch das Foto Benito Mussolinis auf dem Flügel des Dichters.

Der Schriftsteller kam übrigens schon viel früher, um die Jahrhundertwende, in die Politik. Er war durch zwei Zyklen Parlamentsabgeordneter, um dann in der Zwischenkriegszeit, als ein Nobler der Literatur, neben Aristokraten und Bischöfen im Oberhaus zu sitzen. Sein langes Leben brachte ihm - fast bis zuletzt – Ruhm und Erfolg. Er war bis zum Ende der 2. Weltkrieges einer der meistgelesenen und meistgespielten Autoren Ungarns, mit Preisen, Auszeichnungen überschüttet. Auch in dieser Zeitung hatte er einen festen Platz. Das Lebenswerk wurde seinerzeit durch die zeitgenössischen Kritiker allgemein anerkannt, wenn auch nicht selten sein Hang zur populären Lektüre, zum Verdrehen der historischen Tatsachen bloßgestellt wurde.

Er schrieb, nach heutigen Begriffen, viele Bestseller, die kaum von ungefähr seitdem nie wieder herausgegeben wurden. Daran ist wahrscheinlich auch das antiquierte, romantische Gesellschaftsbild dieses emanzipierten „Madjaronen“ schuld.  Der zum Herczeg gewordene Herzog beschrieb die Welt der Ungarn genau in der patriotisch-selbstmitleidigen Weise, wie das hierzulande immer so beliebt war – und wohl auch wieder einmal ist. Kein Wunder, dass der Literaturpapst des ancien Regime nach 1945 nichts mehr mit sich – und das neue Regime nichts mehr mit ihm anfangen konnte.

Seine Romane, Bühnenstücke wurden seinerzeit in einem Dutzend von Sprachen übersetzt, bzw. gespielt. Viele natürlich - eine Ironie des Schicksals – wurden durch jemandem anderen in die Muttersprache des Autors aus der Banater Schwabenstadt rückübertragen.