(c) Pester Lloyd / 33 - 2009
STADTLEBEN 15.08.2009
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Trag niemals Lila!
Schmalzbrot und Hitlergruß: Ein Besuch beim Fußballklub Ferencváros Budapest
Der Fußballklub Ferencváros (FTC), kurz Fradi genannt, ist der Kultklub in Budapest. Ein Spiel mitten zwischen den Fans zu erleben, ist nicht nur etwas
besonderes, sondern wie die Reise in eine andere Welt, angehäuft von Kuriositäten und nicht ohne Risiko, vor allem für eine Frau. Schade nur, dass
der Volkssport bei Fradi von rechtsextremistischen Symbolen und Ideologie durchdrungen ist.
Klar, alles nicht so gemeit. Der Hitlergruß ist ja nur ein freundlich-altrömisches Salve an die
sportlichen Gegner... Die große Tradition des FTC ist leider faschistisch versifft... Fotos: Caroline Schröder (c) Pester Lloyd
Ein Freundschaftsspiel Spiel des "Ferencvarosi torna club" am Samstag live im
Stadion zu erleben, hat auf jeden Fall bleibende Eindrücke hinterlassen. Nachdem der traditionsreiche Budapester Verein, gegründet 1899 (übrigens wie Rapid
Wien, die auch in grün-weiss spielen), aus dem neunten Bezirk vor drei Jahren wegen Steuerhinterziehung und diverser anderer Skandale in die zweite Liga
absteigen musste, spielt er nun wieder ganz oben mit. In dieser ranzigen Sportstätte hat sich mir ein Fußballerlebnis eröffnet, wie man es in Deutschland
nur aus Erzählungen längst vergangener Zeiten kennt. Zum Glück, wie ich im Nachhinein sagen muss.
Altmodisch war es dort nicht – ganz im Gegenteil: Beim Einlass eröffnete sich mir
die erste Überraschung. Alles war automatisiert und ich gelangte schnell und reibungslos ins Stadion. Dann häuften sich die Kuriositäten, es war wie in einer
anderen Welt. Mittlerweile musste ich dringend auf die Toilette. Ich fragte mich nach dem Damenklo durch. Schon von weitem sah ich Scharen von Männern aus
der beschriebenen Richtung kommen – nur vereinzelt einmal eine Frau – und meine Beobachtung bestätigte sich. Die Toiletten waren gemischt... So musste
sich Frau dann zweimal überlegen, ob sie noch ein (preisgünstiges) Bierchen trinkt oder lieber doch nicht. Statt Stadionwurst wurde übrigens Schmalzbrot mit
Zwiebeln oder wahlweise auch mit Knoblauch feilgeboten.
Nationalistische Parolen und Handzeichen wohin man sieht
Auf den Tribünen gab es dann die nächste Überraschung: Anfangs fand ich es
schade, dass es im Fanblock nur Sitz- und keine Stehplätze geben sollte. Doch alle standen hier entweder zusammengedrängt ganz oben auf dem Plateau der
Tribüne oder aber auf den Sitzen. Dabei war es ganz egal, auf welchen Sitz man sich stellte. Ganz vorne am Zaun standen drei Männer mit Megaphonen, welche
die Fans anheizten. Das Gegröle richtete sich zum einen gegen verhasste Fußballvereine, zum anderen waren es nationalistische Parolen. Mein ungarischer
Freund erklärte mir vor dem Spiel, die Handzeichen, welche die Parolen unterstützten, hätten nicht dieselbe Bedeutung wie in Deutschland… Klar, kein
Hitlergruß, nur ein römisches Salve... (siehe Foto). Auch wenn der Jubel für Fradi – so nennen die Fans ihren Verein – nicht zu kurz kam, überwog leider die
fanatische Stimmung. Anfangs ließ ich mich noch von dieser ungewöhnlichen und spannenden Atmosphäre mitreißen, allerdings war es dennoch keine ungefährliche
Situation. Gefährlich insofern, als faschistisches Gedankengut propagiert wurde, harmlos eingepackt als Unterstützung der eigenen Fußballmannschaft.
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Schmerzfrei muss sein, wer ein Spiel bei Fradi durchstehen will
- bleibende Eindrücke inkludiert...
Trikottausch: Ungarischkenntnisse sind von Vorteil
Viele Fans sprachen mich an und trotz meiner nicht vorhandenen
Ungarischkenntnisse bekam ich mit, dass es um mein Trikot ging. Ein Freund hatte mir ein 15-Jahre altes Fradi-Trikot ausgeliehen. Auffällig war, dass (fast)
alle anderen Frauen im Stadion normale Kleidung trugen und so dachte ich, sie fänden das Trikot an mir toll. Mein Freund, der ungarisch spricht, erzählte mir
dann später, dass die Jungs das Trikot mit mir tauschen wollten, was ich nicht verstand und stets mit „Igen!“ (Ja) antwortete. Auf mich machten die Fans aber
einen durchaus sympathischen Eindruck, zumal ich meine Kleidung doch behalten durfte!
Hitzig wurde es bei jedem Tor von Ferencvaros und bengalische Feuer
beleuchteten die Tribünen. Bei einem Endstand von 4:1 ging es demnach „heiß“ her. Gegen Ende der Partie gab es Standing Ovations, selbst die Zuschauer
außerhalb des Fanblocks hielt es nicht mehr auf ihren Plätzen.
Ungarischer Nationalstolz oder rechtsextreme Auswüchse?
In der U-Bahn ging die Feier dann weiter, es wurde gesungen und geklatscht. Ein
Freund erzählte mir, dass sie einmal in einer U-Bahn mit sehr vielen Fans hüpften und diese daraufhin fast entgleist wäre. Die Stimmung während des Spiels war
schon einmalig. Doch im Nachhinein habe ich auch viel Beunruhigendes gehört. Die fanatische Anhängerschaft des Vereins ist offenbar rechtsextremistisch.
Schon oft ist es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Der letzte größere Vorfall ereignete sich nach der Begegnung zwischen Ferencváros und
Hertha BSC Berlin, als die ungarischen Fans die Deutschen durch die Budapester Innenstadt jagten. Fanbetreuung wie in anderen Ländern, scheint hier noch ein Fremdwort zu sein.
Noch ein Tipp zum Schluss: Zu Spielen des Ferencvárosi torna clubs niemals lila
tragen, diese Farbe steht für Újpest, den größten Fradi-Gegner. Grün-weiss ist angesagt.
www.ftc.hu
Caroline Schröder
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(c) Pester Lloyd
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