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(c) Pester Lloyd / 35 - 2009  ESSEN & TRINKEN 24.08.09
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Herr Orbán in Kádárs Kantine

Die Kádár Étkezde in Budapest - ehrliche Küche und ein echter Wirt

Der traditionell ungarisch-jüdischen Küche verpflichtet, lässt Herr Orbán in seinem Reich keinen Nebenbuhler zu. Er ist ein echter Patron, der aber nicht nur hinter den Kulissen das Sagen hat, sondern, und das ist im ungarischen Gastgewerbe die Ausnahme geworden, auch bei den Gästen ist, sich persönlich um sie kümmert.

Karierte Tischdecken, Sodaflaschen, Promiautogramme, Großmutters Wanduhr, eine 52-jährige Tradition und ein Mann, der sich um alles kümmert. Im Restaurant Kádár Étkezde im XII. Bezirk scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. „Bei mir schmeckt es wie bei der Großmutter. Diesen Geschmack gibt es nur noch hier“, verspricht Sándor Orbán, der Chef, Chefkoch und Gastgeber des Kádár. Und das stimmt, auch wenn es keinen Alkohol gibt und das Lokal nur zu den Mittagsstunden geöffnet ist.

Ein echter Wirt. Herr Orbán vor Kádárs Kantine... (c) Pester Lloyd

Jeden Morgen steht er um sechs Uhr auf, um Zutaten einkaufen zu gehen. Den Einkauf erledigt er selbst, da er nach eigenen Aussagen „etwas von frischen und qualitativ hochwertigen Zutaten“ versteht, die anderen aber nicht! Selbst sieht er sich als Inhaber, Chefkoch, Einkäufer und Gastgeber. Seine Servicekräfte dürfen nur einfache Tätigkeiten wie Salatwaschen in der Küche übernehmen oder die Gäste bedienen, während er sich um die Gäste kümmert. Herr Orbán empfängt sie im weißen Kellnerhemd an der Eingangstür. Während des Essens lässt er es sich auch nicht nehmen, sich zu seinen Gästen an den Tisch zu setzen und mit ihnen ein Schwätzchen zu halten.

Das besitzergeführte Lokal ist durch kein Konzept, kein System zu ersetzen. Hier sind Ambiente, Qualitätskontrolle und Rahmenprogramm ein und dieselbe Person.

Herr Orbáns Restaurant erfreut sich großer Beliebtheit und hat einen festen Kreis an Stammgästen, von denen er sogar sagen kann, wann sie bei ihm einkehren. Ganz besonders beglückt es ihn, wenn wieder einmal ein Prominenter hereinschaut. Die Familie Habsburg speiste bereits bei ihm, genauso wie die ungarische Fußballnationalmannschaft mit Puskás oder der Regisseur Irwin Winkler in Begleitung von Sylvester Stallone. Hollywoods berühmtester Stuntman Pirock ist sogar Stammkunde: „Pirock kommt fast jeden Tag zum Essen zu mir“, erzählt Herr Orbán stolz. Nicht weniger stolz verrät er, dass die Tochter seiner Frau, die im Betrieb ab und zu aushilft, aktuelle Olympiasiegerin im Ringen ist.

Frische Tagesangebote und traditionelle jüdische Küche

Das Geheimnis des Hauses liegt u.a. in der Frische der Gerichte. Jeden Tag wird frisch gekocht und nur das, was Herr Orbán selber gerne essen würde. Gerichte, die bis zum Nachmittag nicht an den Gast gebracht werden, lässt sich Familie Orbán später selber schmecken. Dabei gibt es täglich eine besondere Spezialität, die vorgekocht werden muss. Diese bereitet Herr Orbán jeden Morgen persönlich zu. Auch die Suppen und der Nachtisch werden tagesfrisch vorgekocht, wobei die Anzahl der Gerichte streng limitiert ist.

...und bei seinen Gästen

Dienstags etwa steht Sauerbraten mit Semmelknödel auf der Tageskarte und mittwochs wird Rindergulasch mit Gänserisotto serviert. Samstags gibt es traditionell jüdisches Essen, das allerdings nicht koscher ist. Weil Juden an ihrem Feiertag nicht arbeiten und auch nicht kochen dürfen, versorgt Herr Orbán sie mit Scholet, mit traditioneller Bohnensuppe und vielen anderen Köstlichkeiten. Auch wenn die Tageskarte nur auf Ungarisch geschrieben ist, wird jeder sein Essen finden. Herr Orbán spricht Deutsch und Englisch!

Die dreisprachige Hauptspeisenkarte bietet alles, was sich das Herz wünscht und was nicht vorgekocht werden muss. Vegetarische Sonderwünsche werden ebenfalls gerne entgegengenommen. So sind die gebratenen Champignonköpfe sehr zu empfehlen.

Faire Preise für das Wesentliche

Der Meister persönlich liebt es zu essen, besonders Fleischsuppe, Gulasch und zum Nachtisch Maglya Rakas. Als Getränk empfiehlt er seinen hausgemachten Himbeersaft. Alkohol wird nicht ausgeschenkt.

Seitdem Béla Kádár das Speiserestaurant im Juli 1957 eröffnet hat, hat sich an der Lokalität nicht viel verändert. Die Küche sowie die sanitären Anlagen sind neu, so Kádárs Nachfolger Orbán. Die günstigen Preise, ein Mittagessen kostet weniger als fünf Euro (!), sind auf Orbáns Sinn für das Wesentliche zurückzuführen. So liegen auf den Tischen über den Stofftischdecken Plastikdecken. „Jetzt müssen wir nicht mehr jeden Tag waschen“, freut sich Herr Orbán, weil es den Charme der liebevoll gedeckten Tische nicht beeinträchtigt. Auf jedem Tisch befinden sich Mineralwasser, ein Körbchen mit frisch gebackenem Brot und natürlich scharfe Paprikapaste – eben ein traditionell gedeckter Tisch.

Restaurant Kádár Étkezde
Klauzál tér 9, Budapest XII
Tel.: (+361) 321-3622
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 11:30h – 15:30h

Text und Fotos: Caroline Schröder

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