(c) Pester Lloyd / 35 - 2009
BUDAPEST 30.08.09 _______________________________________________________
Unterirdischer Bluff
Das „Budapester Labyrinth“, eine prähistorische Touristenfalle
Wer dem so genannten „Budapester Labyrinth“ schon einmal einen Besuch abgestattet hat, der wird leider erst nach seinem teuer bezahlten Besuch
erfahren haben, dass es sich hierbei nicht um ein Labyrinth, sondern vielmehr um ein gewöhnliches unterirdisches Gewölbe handelt, dass mit
allerlei Plunder ausgestattet wurde, um als Touristenattraktion gelten zu können. Die modrige Luft wird mit wolkigen Konzepten aufgemotzt, doch
der Marketingnebel kann nicht verhüllen, dass alles ein großer Betrug ist.
Doch zunächst ein paar Worte zur Entstehung der Gewölbe: in der
Frühzeit der Erdgeschichte durch den Ausbruch warmer Quellen und der Auswaschung entstanden, stellen die in ihrer Größe nahezu einzigartigen Kalktuffhöhlen im Inneren des Burgberges ein wahres
Wunder der Natur und der in ihr waltenden Kräfte dar. Ehemaliges Schutz- und Jagdgebiet des so genannten „Budaer Urjägers“ wurden
die feuchten Höhlennischen in der geschichtlichen Vergangenheit auch zu militärischen Zwecken gebraucht. Verschiedene Durchbrüche entstanden so zwischen den einzelnen Gewölben und formten dieses
unterirdische Höhlensystem von insgesamt 12 Kilometern Länge.
Fotos: David Völker, (c) Pester Lloyd
Die Unterwelt von Budapest: Von einem ehemaligen Krankenhaus, einer Bibliothek, einer
Kapelle bis hin zu einer seismologischen Messstation: unter dem Boden Budas lässt sich so manches entdecken. Doch die Geheimnisse des Untergrunds sind der Öffentlichkeit meist unbekannt... Zum Beitrag
Eine unterirdische Verballhornung sondergleichen
Bereits zu friedlicheren Zeiten wurde diese Unterburgwelt zu kulturellen Zwecken
entdeckt: Zu Beginn der 1980er Jahre war hier das erste ungarische Panoptikum untergebracht, allerdings konnten weder diese noch andere Attraktionen ein
ausreichend großes Publikum anziehen. Dieses sollte sich aber nun – nach der im Jahre 1996 durchgeführten Wiederherstellung des „ursprünglichen Gesichts“ –
verändern, so lässt es jedenfalls der Veranstalter auf seiner Homepage verlauten. Was er den Unterweltbegeisterten und Erdgeschichtsinteressierten anbietet,
entspricht einer unterirdischen Verballhornung sondergleichen.
Allein das Konzept der „Sammlung“ kann als Labyrinth bezeichnet werden
Das Konzept, welches dem Kopf eines Artdirectors,
Gábor Erdélyi, entsprungen ist, verspricht viel, hält aber nichts. Formulierungen wie „Weltachse mit Raum-Zeit“, „Schamanen- bzw. Tataren-Durchgang“, „Pfad des Wunderhirschen“ und „Renaissance
Felsenhalle mit dem Matthias Weinbrunnen“ sollen dem Publikum suggerieren, dass sich in diesem Gewölbe so ziemlich jeder herumgetrieben hat, der in unseren
Geschichts- und Esoterikbüchern auch nur irgendwie erwähnt wird. Liest man sich die zu den großspurigen Titeln dazugehörigen Texte auf der Homepage durch, so wird man erfahren, dass auf der Basis der
unterschiedlichen Benennungen dieses „Naturwunders“ lediglich historische sowie esoterische Sinnzusammenhänge hergestellt werden sollen. Was es aber z.B. mit diesem Gewölbe zu tun haben soll, wenn
es den Namen „Labyrinth der Courage“ wie einen ranzigen Stempel aufgedrückt bekommt, das bleibt ein Rätsel.
Wandmalerei und alienartige Skulpturen von Gegenwartskünstlern geschaffen
Dieser modrig müffelnde Sinnzusammenhang, der sich beim Wandeln
durch die tropfnassen Gänge leider überhaupt nicht erschließen mag, wird zu allem Überdruss auch noch mit dem frei erfunden Ehrentitel „Eines der sieben unterirdischen Weltwunder“ zum Lügenkönig
gekrönt. An diese Phantasterei reihen sich dann die vermeintlichen Exponate der „Sammlung“, die beim „Abendlichen Labyrinth“ (keine künstliche Beleuchtung) nicht einmal mit der mickrigen
Öllampe zu erkennen sind. Das grelle Blitzlicht der eigenen Kamera lässt jedoch Wandzeichnungen sowie alienartige Skulpturen erkennen, die selbstverständlich
von Künstlern der Gegenwart geschaffen wurden. Ähnlich verhält es sich auch mit tonnenschweren Felsbrocken, die nahezu unbemerkt in einigen Ecken
verschimmeln und die allesamt als steinalte (38 Millionen Jahre alte) Fossilien ausgewiesen werden.
Laptop und Coca-Cola-Flasche: Grabbeigabe und sakraler Abdruck im Stein?
So wird einer dieser schwer verdaulichen Brocken sogar als
Grabstein identifiziert, auf dem der „Abdruck einer Grabbeilage“ zu sehen sei. Bei genauerem Hinschauen entpuppt sich dieser als Abdruck eines nachneuzeitlichen
Laptops und der Besucher bemerkt spätestens jetzt, dass er gerade vorgeführt wird. Das Gleiche Spielchen wiederholt sich bei dem steinernen Gebilde, das in seinem
Innern den Abdruck einer überdimensionalen Coca-Cola-Flasche, ein „Symbol mit sakralem Charakter“ offenbart. Wenn dieser eigentlich faszinierende Ort nicht
schon durch die grottenschlechte „Sammlung“ bzw. Ansammlung von wertlosem Plunder verschandelt worden wäre, würde einem auch diese Art von Humor nicht unbedingt im Halse stecken bleiben.
Wo die Hochzeit zur Beerdigung wird…
Gewarnt sein will ebenfalls vor den vielseitigen Möglichkeiten, die Räumlichkeiten
der feuchten Naturgemäuer für gesellschaftliche Anlässe zu mieten bzw. sie zu teuer angebotenen kulturellen Veranstaltung gar wiederholt aufzusuchen. Stellen
Sie sich doch einmal vor, Sie feierten Ihre Hochzeit dort unten, wie es der Veranstalter in seinen auf der Homepage eingestellten Fotos und Filmchen
anpreist. Dann sollten Sie sich allerdings nicht wundern, wenn die Torte leicht modrig schmeckt und der Kuss Ihrer Braut bzw. Ihres Bräutigams nach Verwesung.
David Völker
Budvári Labirintus Tägl. von 9.30 – 19.30 geöffnet Eintritt: 2500,- Ft / erm. 1500,- Ft Eingang I: Úri utca 9, 1014 Budapest (Burgviertel) Eingang II: Lovas Út 4A, 1014 Budapest
Tel.: +36(1)2120207 und +36(1)4893281 Mail: info@labirintus.com Mehr Infos: www.labirintus.com
Die Unterwelt von Budapest: Von einem ehemaligen Krankenhaus, einer Bibliothek, einer
Kapelle bis hin zu einer seismologischen Messstation: unter dem Boden Budas lässt sich so manches entdecken. Doch die Geheimnisse des Untergrunds sind der Öffentlichkeit meist unbekannt... Zum Beitrag
IHRE MEINUNG IST GEFRAGT - KOMMENTAR ABGEBEN
(c) Pester Lloyd
|