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Stadtmagazin des Pester Lloyd für Budapest

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Wo geht’s denn hier zur Donau?

Ein Spaziergang am Fluss, der Budapest prägt

Wie alle großen Städte dieser Erde, wurde auch Budapest am Ufer eines Flusses erbaut - dieser ist aber in nur wenigen Städten so präsent wie die Donau in Budapest: nicht nur Verkehrsader und Hochwasserrisiko. Wir laden zu einem Spaziergang entlang des Stromes...

Alle großen Städte dieser Erde wurden am Ufer eines Flusses gebaut: Kairo am Nil, Manaus am Amazonas, New Orleans am Mississippi, Paris an der Seine, London an der Themse oder Prag an der Moldau, um nur einige zu nennen. Und natürlich nicht zu vergessen: Budapest an der Donau. Entsprungen im deutschen Donaueschingen durch den Zusammenfluss der beiden Quellflüsse Brigach und Breg fließt die Donau durch zehn europäische Staaten, als da wären Deutschland, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Moldau und die Ukraine, um nach 2.888 Kilometern schließlich ins Schwarze Meer zu münden. Nach der Wolga ist sie der zweitlängste Strom Europas.

Von Norden schiebt sich die Donau in die ungarische Hauptstadt und trennt Buda und Óbuda am hügeligen rechten von Pest am flachen linken Ufer. Fotomotive ohne Ende Welcher Budapest-Reiseführer lockte nicht mit der Kettenbrücke auf der Umschlagseite zu einem romantischen Spaziergang am Ufer des Stroms. Also, laufen wir doch ein Stück zusammen!

Vom Motorenlärm der Rákóczi út genervt wollen wir uns Ruhe und Entspannung suchend an die Donau zurückziehen. Mit Stadtplan und dem Satz „Hol van itt a Duna?“ – „Wo geht’s denn hier zur Donau?“ fragen wir uns bis zur Elisabethbrücke durch und werden mit einem kontrastreichen Fotomotiv belohnt. Zwischen den beiden historischen Zwillingsbauten, den Klothildenpalästen, ragt das Symbol für den gelungenen Wiederaufbau der Stadt hervor: die weiße Elisabethbrücke.

Wir machen einem kurzen Fotostop, bei dem wir vier Werbezettel in die Hand gedrückt bekommen. Vorbei an der Innerstädtischen Pfarrkirche erreichen wir endlich die Donau. Von der Budaer Seite blickt der steinerne Bischof Gellért fast schon zornig zu uns herüber und erhebt drohend sein Kreuz über die sündige Stadt. Unbeirrt laufen wir nach rechts an der Donau entlang in Richtung Kettenbrücke und genießen das wunderschöne Panorama von Buda mit Burgviertel, königlichem Palast und Matthiaskirche sowie dem Gellértberg samt Zitadelle. Irgendwo haben wir gelesen, dass dies Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist und wir erschauern ehrfurchtsvoll.

Wir laufen weiter zwischen Schnellstraße, Straßenbahnschienen sowie unzähligen Hotels und Kneipen, deren Preise uns unverschämt hoch vorkommen. Dann machen wir Halt an der unscheinbaren Kiskirálylány, die bedauerlicherweise in den wenigsten Reiseführern erwähnt wird. Und doch, so hat es den Anschein, ist das kleine Prinzesschen ein beliebtes Fotomotiv. Wir reihen uns also in die Schlange der Wartenden ein, machen ein Foto von ihr und setzen unseren Spaziergang fort. Vorbei an Straßenhändlern, die so überteuerte wie alberne Budapestsouvenirs feilbieten, und an Frauen, die ihre selbst gefertigte Stickereien offerieren, bahnen wir uns unseren Weg. Plötzlich wird es laut an der Uferpromenade. Schnell wird klar, dass nur eine Gruppe Engländer, die auf der Váci utca eine (gefälschte?) sowjetische Generalsmütze gekauft hat, ihren Spaß mit dem vermeintlichen Militärgut und dem ungarischen Bier hat.

Fast schon an der Kettenbrücke angekommen kaufen wir noch schnell eine merkwürdige, ganz offensichtlich typisch ungarische Süßigkeit: Kürtôskalács, wie wir uns im Reiseführer schlau gemacht haben. Am Parlament angekommen ist uns schlecht von der ungarischen Köstlichkeit und wir werfen den Rest in den Müll. Ein Bettler, der uns schon eine Weile verfolgt, stürzt sich sofort auf den Mülleimer und sichert sich sein Mittagessen. Das muss er sich allerdings mit den sehr selbstbewussten Budapester Tauben teilen.

Das Parlament ist eines der Wahrzeichen der Stadt Budapest und gehört unbedingt in die Liste der zu fotografierenden Dinge. Also, machen auch wir Fotos aus allen möglichen Richtungen und nehmen uns vor, schon sehr bald das Parlament auch von innen zu besichtigen. Doch jetzt haben wir keine Zeit, denn wir wollen zurück zur Kettenbrücke um auf die andere Seite der Donau zu gelangen. Dieses Mal gehen wir nicht oberhalb der Strasse, sondern laufen direkt an der Donau entlang. Das macht nicht ganz so viel Spaß, weil wir ständig über Angler und Bootsleinen klettern müssen.

Anheimelnde Lichter der Kettenbrücke

Endlich gelangen wir wieder zur Kettenbrücke und wollen nun gemütlich auf die andere Seite laufen. Wir stellen erstaunt fest, dass die im Reiseführer so romantisch anheimelnden Lichter, die wie kleine Lampions aussehen, Energiesparlampen sind. Darüber können wir uns allerdings nicht unterhalten, da der Verkehrslärm auf der Brücke enorm ist und wir viel zu sehr damit beschäftigt sind, Fahrrad- und Skatboardfahrern auszuweichen. Wir erreichen das andere Ufer unverletzt und machen uns auf den Weg zum Budaberg. Sportlich ziehen wir den Fußweg der Standseilbahn vor.

Oben angekommen geben wir das so eben gesparte Geld aber für überteuertes Wasser an einem der Touristenstände aus. Die Aussicht vom Burgpalast auf die Stadt und die Donau mit der Margareteninsel entschädigt uns für manche Strapaze der letzten Stunden. Wir machen wie andere Tausende Touristen auch Fotos. Dem Tipp des Reiseführers folgend, bestellen wir einen Kaffee in der Konditorei Ruszwurm und stellen fest, dass offensichtlich alle Touristen den gleichen Reiseführer lesen, denn das Café ist brechend voll und das Personal schon übellaunig. Dennoch steigen wir nach Besichtigung des Burgviertels den Donauwalzer summend wieder hinab ins Donautal.

Wenn die Zettelverteiler schlafen

Wir beschließen die Besichtigung des Gellértberges auf den nächsten Tag zu verschieben und machen uns erneut auf den Weg über die Kettenbrücke. Als wir hungrig und durstig auf der Váci utca nach etwas Essbarem suchen und nur McDonalds, Burger King, Subway, Touristen und Werbezettelverteiler finden, nehmen wir uns ganz fest vor den nächsten Donauspaziergang erst bei Dunkelheit zu machen. Dann nämlich scheint der Mond, die Kettenbrücke ist wunderbar romantisch erleuchtet, die Obdachlosen haben sich in ihre fast schon häuslich eingerichteten Ecken zurück gezogen, auch die Zettelverteiler schlafen und die Stadt scheint ein wenig zur Ruhe zu kommen. Nur die Donau fließt leise plätschernd unermüdlich dem Schwarzen Meer entgegen. Dann ist Budapest wunderbar.

Tanja Kirsten

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