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Ein täglich Brot

Die Foodbank in Budapest

Rund 300.000 Menschen, 3% der Bevölkerung, sind in Ungarn dauerhaft auf existenzielle Hilfen angewiesen - Die "Lebensmittelbank" - Foodbank in Budapest sorgt für satte Mägen Bedürftiger

Es ist nicht gerade eine der attraktivsten Gegenden Budapests. Wer den langen Weg in den XV. Bezirk auf sich nimmt, vorbei an Vierteln mit kleinen Häuschen und großen, reizlosen zwanzigstöckigen Miethäusern, der befindet sich in einer Gegend mit geduckten Firmengebäuden und Lagerhallen. Wer sich hier aufhält, wohnt oder arbeitet auch hier. Es fehlen nur ein paar schwarze Vögel unter der Wolkenhaut und die Atmosphäre eines apokalyptisch angehauchten Sciencefictionfilms wäre perfekt. Auch ein Wohnwagenpark findet sich – hier klaffen die Randerscheinungen einer Industriegesellschaft spröde offen.

Doch wer dem Weg an der Wohnwagensiedlung vorbei folgt, der kommt zur Zentrale eine der wichtigsten ungarischen Sozialinstitutionen – der Élelmiszer Bank (Lebensmittelbank/Food Bank), die bedürftigen Menschen zu Lebensmitteln verhilft. Dort befindet sich eine der Hallen, in der die Lebensmittel zwischengelagert werden (und die übrigens jahrelang das Filmstudio einer populären Fernsehshow war). Sie ist eine von etwa 7 Lagern in Ungarn. Und im Haus daneben befindet sich das zentrale Büro. Hier arbeiten Balázs Cseh und sein Team. Cseh ist einer der 13 Personen, die die Élelmiszer Bank im Jahre 2005 gründeten. Obwohl fast alle Mitarbeiter auf ehrenamtlicher Basis arbeiten, sind sie sehr motiviert. Und diese Motivation kommt vielen Menschen zugute.

Gute Ware in angeschlagener Verpackung

Im Jahre 2006 gingen laut Cseh 3.500-4.000 Tonnen Lebensmittel mit einem Gegenwert von ca. 3.000.000 Euro durch die Verwaltung der Lebensmittelbank. Die Waren kommen aus verschiedenen Quellen: Einiges stammt aus Supermärkten, die einen karitativen Beitrag leisten wollen, doch die wichtigste Quelle sind Firmen, die defekte Produkte abgeben. Dabei bedeutet „defekt“ natürlich nicht, dass an der Qualität der Speisen und Getränke etwas auszusetzen ist. Es dreht sich lediglich um deformierte Verpackungen, die der Hersteller zwar nicht in den Laden stellen möchte, die wegzuwerfen aber eine Verschwendung wäre. Dafür verfügt die Organisation über eigene Lieferwagen. Viele Firmen kommen von selbst auf die Élelmiszer Bank zu. Dennoch sind Cseh und seine Mitarbeiter mit der Menge der Lebensmittel noch nicht zufrieden.

Um die Aktivitäten der Bank auszuweiten, setzen sie vor allem auf Pressepräsenz und gelegentliche Aktionen, wie z.B. einen Informationsstand über Welthunger und die Lebensmittelbank auf dem Blaha Lujza tér, oder einen Konvoi mit mehreren Wagen, die eine Route durch Budapest fahren, deren Endpunkt an der Lagerhalle im XV. Bezirk liegt. Eine der wichtigen Daten für solche Aktionen ist der Welthungertag. Eine dritte Quelle ist ein EU-Programm, über das vom Bündnis finanzierte Hilfe kommt. Auch sonst agiert die ungarische Élelmiszer Bank international nicht isoliert. Es gibt eine europäische Vernetzung, z.B. mit der deutschen Tafel e.V. Es finden regelmäßige Treffen und Konferenzen mit den internationalen Partnern statt. Essen wird dabei nicht ausgetauscht.

Schwerpunkt Ostungarn

Alles, was an die Lebensmittelbank in Ungarn geht, wird auch in Ungarn verteilt. Dieser Vorgang ist ein regionaler, denn der direkte Kontakt zu den Menschen wird von 250 bis 300 Partnern in ganz Ungarn übernommen. Es sind viele unterschiedliche Organisationen – private ebenso wie staatliche, wie z.B. die Big Family Association und das Rote Kreuz. Durch Marktforschungsstudien wissen Cseh und seine Mitarbeiter dabei gut über die unterschiedlichen ökonomischen Strukturen in Ungarn Bescheid. Das östliche Ungarn ist deshalb ein Schwerpunkt der Hilfe, aber kein alleiniger. Die endgültigen Distributionsmethoden sind unterschiedlich: Mal in Form von wöchentlichen Verköstigungen, mal in Form von einzelnen Mitarbeitern, die in den Straßen an Obdachlose Lebensmittel verteilen. Auch die Menschen, die davon profitieren, befinden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen.

Denn nicht nur Obdach- und Arbeitslose brauchen die Hilfe, auch Familien, die Arbeit haben, aber dennoch ihr Leben nicht richtig finanzieren können. Gut 300.000 Menschen sind es insgesamt. Menschen, die teilweise kaum noch Chancen haben, sich aus ihrer Situation jemals richtig befreien zu können. Menschen, die in einer Krise sind oder bereits in die Armut geboren wurden. Trotz weniger Chancen sollen diese Menschen wenigstens eine existenzielle Grundlage haben – für dieses Anliegen leistet die Élelmiszer Bank einen wichtigen Beitrag.

Arne Trusch

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