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Zerbröckelnde Schmuckkästchen

Die Hoflandschaften von Budapests VII. Bezirk
sind historische Zeitzeugen und architektonische
Schönheiten - Leider investiert die Stadt nicht
genügend in ihre Renovierung.

Die insgesamt 23 Bezirke der Hauptstadt haben die unterschiedlichsten Gesichter. Da wäre der V. Bezirk, der mit seiner herausgeputzten Váci utca und der Donaupromenade zum Pflichtprogramm eines jedes Touristen gehört. Da wäre der XII. Bezirk, der mit seinen grünen Bergen und frischer Luft zum erholsamen Wandern einlädt. Der I. Bezirk, der das gesamte Burgviertel umspannt, welches für das ungarische Selbstbewusstsein und die magyarische Geschichtsschreibung von so hoher Bedeutung ist, steht in einem unüberbrückbaren Gegensatz zum XIV. Bezirk, dessen Stadtbild von eng aneinander gereihten kommunistischen Plattenbauten geprägt ist. Und dann wäre da der VII. Bezirk, dessen einzigartige Architektur 1987 teilweise von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Ohne Zweifel ist dieser Bezirk eine der schönsten Ecken Budapests, in dessen verwinkelten Gassen und versteckten Höfen sich beim Spazierengehen immer wieder Neues entdecken lässt. Ein Hauch von Mystik schwebt über diesem Stadtteil, da er vor allem immer von der jüdischen Kultur geprägt war und somit auch als jüdisches Viertel bekannt ist. Hier befinden sich die größte Synagoge Europas, das Jüdische Museum, koschere Restaurants und Geschäfte, kleinere Gebetshäuser, Thoraschulen sowie Europas einziges Rabbinerseminar. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts hatten sich hier zahlreiche jüdische Familien niedergelassen. Während der deutschen Okkupation im Zweiten Weltkrieg wurden Teile des Bezirks in ein Ghetto umfunktioniert, in dem sich über 70.000 Juden aufhalten mussten. Heute erwacht die jüdische Kultur wieder zu neuem Leben. Im Labyrinth der engen, ungeraden Gassen befinden sich über vielen Hauseingängen hebräische Schriftzeichen, die einem den Weg zum jüdischen Bad oder zu Gemeinderäumen weisen.

Neben der jüdischen Kultur, die innerhalb Ungarns hier ihr Zentrum gefunden hat, bietet der VII. Bezirk seinen Betrachtern einen einzigartigen und geschichtsträchtigen Hofkomplex. Der Gozsdu Udvar ist ein architektonisches Meisterwerk, bestehend aus sieben Gebäuden mit sechs Innenhöfen, die die Király mit der Dob utca verbinden. Seinen Namen erhielt der Bau nach dem mazedonisch-rumänischen Juristen Emanuel Gozsdu, der sein Familienvermögen in Immobilien investierte und die Pflege der rumänischen Kultur in Ungarn finanziell unerstützte. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte der Architekt Gyözö Czigler die Pläne für den Bau, der unter anderem auch das Budapester Széchenyi Bad konstruierte. Emanuel Gozsdu starb 1869 und vermachte seinen Reichtum der Instandhaltung des Hofgebäudes. Obwohl es so schien, als ob dem Gozsdu Udvar durch seinen wohlhabenden Ziehvater zumindest in finanzieller Hinsicht eine sorgenfreie Zukunft bevorstehen würde, kam es 1951 zur Verstaatlichung des Komplexes. Erst 1999 konnte das Hofgebäude endgültig privatisiert werden und befindet sich seit 2004 in den Händen der Firma Autóker. Diese hat Großes mit dem Gozsdu Udvar vor.

Seit April diesen Jahres laufen Renovierungsarbeiten an dem 4.800 qm umfassenden sechsstöckigen Bau. Durch die Investition von acht Milliarden Forint (31,7 Mio. Euro) will der sich in israelischem Besitz befindliche Immobilienentwickler Luxuswohnungen und exklusive Geschäfte im historischen Hofkomplex errichten. Die Bauarbeiten sollen bis 2006 beendet sein und die Höfe in neuem Glanz erstrahlen lassen. Der Gozsdu Udvar wird für die Zukunft instand gesetzt, er wird noch viele kommende Generationen mit seiner Schönheit erfreuen können. Doch was wird mit den restlichen, so historischen und rchitektonisch wertvollen Gebäuden des VII. Bezirks geschehen? Der Stadtteil verfügt über einen unglaublichen Charme, der durch den Verlauf der Zeit im wahrsten Sinne des Wortes zu zerbröckeln droht. Viele der Häuser und Höfe sind ungepflegt und längst renovierungsbedürftig.

Die Fußgängerzone der Király utca wurde einer mehr oder weniger erfolgreichen Erneuerungskur unterzogen und versucht, Passanten im frischen Anstrich in ihre Restaurants, Bars und Läden zu locken. Die vielen von den Hauptstraßen weiter abgelegenen engen Gassen des Bezirks haben keine finanzielle Ausschlachtung zu bieten. Es sind reine Wohnhäuser, die sich hier befinden. Die Art der Höfe, die sich hinter Türen und Toren ungeahnt verbergen, findet man in Europa sonst vielleicht nur noch in Städten wie Wien oder Berlin. Auf Nachfrage, wie die Bezirksverwaltung die Zukunft des Stadtteils plane, antworteten der Vizebürgermeister József Gergely und der Hauptarchitekt der Gegend, Miklós Bartjai, dass man sich der hohen Verantwortung der Erhaltung des ursprünglichen Stadtteilbildes bewusst sei. 2002 seien umfassende Pläne zur weiteren Gestaltung des VII. Bezirks beschlossen worden, die eine weitere dichte Bebauung zu verhindern suchen würden. Die bereits sehr dichte historische Bauart, die auf das 19. und 20. Jahrhundert zurückgehe, wolle man im Gegensatz dazu jedoch erhalten. Ziel der Umbaupläne sei die Bewahrung des alten Stadtbildes, gleichzeitig wolle man die historischen Gebäude an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts anpassen. Um neue luftige Lebensräume zu schaffen, wird daher geplant einige Hofseiten abzureißen.

Einer Renovierung schützenswerter Häuser und Höfe stimme man zu, die zunehmende Privatisierung der Gebäude führe jedoch zu Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Projekte. Die Renovierungsarbeiten könnten von Privatbesitzern meist nicht finanziell gedeckt werden, so dass die Verwaltung des Bezirks die anfallenden Kosten mit der Errichtung von Geschäften in den alten Häusern zu decken versuche. Die Verwaltung des Bezirks scheint vor einem Dilemma zu stehen, gerade die erzwungene Modernisierung und der Abriss einiger Hofwände führen unweigerlich zu einem Wandel des historischen Stadtbildes.

Wie die UNESCO schon vor 20 Jahren bemerkte, sind diese Gebäude architektonische Zeugen der Geschichte und wert, allein wegen ihrer Schönheit geschützt zu werden, obwohl sie vielmehr sind als “nur” schön.

Amanda Kovács

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