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(c) Pester Lloyd / 27 - 2009 POLITIK 02.07.2009
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Einstein muss Slowakisch lernen

Ungarn und Slowakei streiten um "Sprachengesetz"

Die Ruhe zwischen den Streithähnen Slowakei und Ungarn hat nur ein paar Tage angehalten. Eine völlig unnötige Novellierung des Sprachengesetzes in der Slowakei löst ebenso unnötige Reaktionen in und bei Ungarn aus und stellt sogar einen Staatsbesuch in Frage, der eigentlich einen Neubeginn der Beziehungen markieren sollte. Es ist wie immer: die Ungarn sehen sie Interessen ihrer Minderheit in der Slowakei gefährdet, die Slowaken ihre Souveränität angegriffen.

Bereits im Jahre 1995 wurde in der Slowakei ein Gesetz erlassen, dass die Dominanz des slowakischen Amtssprache unterstrich und jede offizielle Anwendung anderer Sprachen in Ämtern, Behörden und überhaupt im nichtprivaten Bereich unter Strafe stellte. Um 2000 wurden die angedrohten Strafen aus dem Gesetz entfernt, auch um bei den beginnenden EU-Beitrittsverhandlungen einen kompatibleren Eindruck zu machen. Nun wurde genau dieser gestrichene Passus wieder aufgenommen.

Alle juristischen Personen haben im nicht-privaten Bereich ausschließlich die slowakische Sprache zu benutzen. In Drucksachen darf eine 1:1 Übersetzung in einer Zweitsprache der slowakischen Version angehängt sein, muss aber in kleineren Buchstaben gedruckt sein.  Zuwiderhandlungen können mit Strafen zwischen 100 und 5.000 EUR geahndet werden. Dies ist eine durchsichtig politische Entscheidung zum Nachteil der slowakischen Ungarn, so brandmarkte sie jedenfalls die Partei der Ungarischen Koaltion im solwakischen Parlament. Absurd ist sie allemal: Herr Kovács in Kosice geht zu seinem Bankberater, Herrn Németh, den er seit 30 Jahren kennt und muss (!) mit ihm auf slowakisch sprechen, weil ihn sonst ein nationalistischer Denunzinat als Frevler an der slowakischen Nation melden könnte.

Fidesz: Gesetz ist gestrig und gegen die Ungarn gerichtet

Als Ausnahme wird in dem Gesetz Tschechisch angeführt, da diese Sprache die "Anforderungen auf grundsätzliches Verstehen" erfüllt. Weitere Ausnahmen betreffen die Kommunikation von medizinischem Personal (lateinisch) sowie die Ausstrahlung von Minderheitenprogrammen bei Rundfunk und Fernsehen. Eine eigene, beim Kulturministerium angesiedelte Kommission wird die Einhaltung des Gesetztes überwachen.

Die Reaktion aus Ungarn ließ nicht lange auf sich warten. Sie kam reflexartig: das von der Slowakei verabschiedete Sprachgesetz ist "gestrig und weckt Gefühle gegen Minderheiten" wertete die Fidesz-Politikerin Kinga Gal, die dem Parlamentsausschuss für Justiz und Bürgerrechte vorsteht. "Das Gesetz verstößt offen gegen EU-Gesetze und -prinzipien", meinte sie weiter. "Die ungarische ethnische Gemeinschaft wird dadurch klar benachteiligt". - Sollte dieses Gesetz in seiner jetzigen Form "gegen Minderheiten und Ungarn" Anwendung finden, wird man den Weg zum Europäischen Gerichtshof antreten, drohte die Fidesz-Politikerin. Vielleicht erklärt sie dort auch, warum die Minderheiten in Ungarn bis heute noch keine parlamentarische Vertretung haben und der Fidesz seine Wahlveranstaltung ausgerechnet auf einer Grenzbrücke abhalten musste...

Der Kulturminister Marek Maďarič, sagte, dass kein Angehöriger der ungarischen Minderheit an der Benutzung seiner Sprache gehindert werde. Während der, immer für eine kernigen Spruch berüchtigte Pál Csáky, Chef der Partei der Ung. Koalition meinte, ein solches Gesetz habe es nicht einmal in der österreichisch-ungarischen Monarchie gegeben und fügte hinzu: "Ein solches Gesetz hätte es sogar verhindert, dass Albert Einstein an einer slowakischen Universität unterrichtet." (er erläuterte, dass Einstein selbst in den USA noch auf Deutsch unterrichtete.) Gut, dass der arme Einstein bereits tot ist, sonst müsste er, folgt man Csákys Bedenken, jetzt auf seine alten Tage noch Slowakisch lernen.

Lajčák: Die Ungarn suchen seit acht Jahren Vorwände

Offenbar wird von ungarischer Seite nun sogar das kürzlich vereinbarte Treffen beider Premiers in Frage gestellt. Die slowakische Nachrichtenagentur TASR zitiert den Außenminister Miroslav Lajčák mit den Worten, dass man zwar eine Einladung erhalten habe, die slowakische Seite habe daraufhin den 7. oder 9. Juli vorgeschlagen, bis jetzt gab es aber für keinen der Termine von ungarischer Seite eine Bestätigung. "Ich habe das unangenehme Gefühl, dass wir wieder vor dem gleichen Szenario stehen (...) Wenn man nach Vorwänden sucht und sie bereits seit acht Jahren findet, zeigt das, wo die Verantwortung liegt" (...) - Es würde mich nicht überraschen, wenn die neue Gesetzesnovelle über die Staatssprache der neue Vorwand dafür sein wird, den Besuch zu verschieben", sagte der slowakische Außenminister.

"Es wäre falsch, die eigene Staatssprache nicht zu schützen. Ich freue mich, dass das slowakische Parlament (NR SR) die Novelle verabschiedet hat. Ich sehe keinen Grund für derartige Reaktionen. Wir haben nichts Außerordentliches gemacht", reagierte Ministerpräsident Robert Fico auf die Einwände des ungarischen Außenministeriums und der ungarischen Opposition. "Ich verstehe nicht, warum wir uns bei jemandem dafür entschuldigen sollten, dass wir ein Gesetz verabschiedet haben, das die Nutzung unserer Staatssprache regelt", sekundierte ihm sein Außenminsiter. Es sei absolut inakzeptabel, dass sich ein anderer Staat in das legislative Verfahren der Slowakei einmische, zumal es ein eigenes Gesetz über die Rechte und Sprachen der Minderheiten gäbe, das von der Novelle gar nicht berührt würde.

Ein Besuch in Budapest wurde zwischen beiden Premierministern während eines inoffiziellen Treffens beim EU-Gipfel in Brüssel am 19. Juni vereinbart. Die letzten offziellen Staatsbesuche datieren auf 2001 in Budapest und 1999 in Bratislava, was für Nachbarn eine ungewöhnlich lange Zeit darstellt.

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