(c) Pester Lloyd / 40 - 2009 POLITIK 02.10.2009
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Masseverschiebung ohne Masse
Andeutungen zur Haushalts- und Wirtschaftspolitik der kommenden Regierung in Ungarn
Man braucht schon dedektivischen Spürsinn, um aus den ebenso wortreichen wie inhaltsarmen Verlautbarungen des Fidesz endlich etwas Konkretes
herauszuhören. Nicht nur das Defizitziel, der ganze Staatshaushalt steht zur Disposition, was aber nichts Neues ist. Mihály Varga zeichnet nun eine Art
Masseverschiebung vor: weg vom Sparen, hin zur Förderung und Entlastung. Nur die Masse fehlt. Scheint aber egal zu sein.
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Gerade bei der Wirtschafts- und Haushaltspolitik vollführen die
Nationalkonservativen seit Monaten einen Eiertanz, der Beobacheter schwindlig macht. Der ehemalige Wirtschaftsminister der Fidesz-Regierung von 1998-2002,
György Matolcsy, äußerte sich kürzlich schon einmal, schwankend zwischen Staats- und Marktwirtschaft, nun deutet Mihály Varga, Vizechef und
Finanzsprecher der Partei, in einer homöopathischen Dosis an, was budgetseitig zu verändern wäre. Er stellt sich wörtlich in Widerspruch zur Äußerung von
Premier Bajnai und sagt, dass das Defizitziel von 3,8% für 2010 eben "nicht in Stein gemeißelt ist". Wie schon sein Chef, Oppositionschef Viktor Orbán, stellt
Varga eine "substantielle Überarbeitung", lieber noch eine komplette Neufassung des gesamten Staatshaushaltes in Aussicht.
Man könne nicht überall sparen, wenn die Zeichen der Zeit Aufbau, Investitionen
und Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen erforderten, sagte er in einem Interview. Man sehe in der Steuerpolitik zwei Möglichkeiten. Entweder die einer
Flat-Tax oder aber ein familienfreundliches Steruersystem. Viktor Orbán sagte ebenfalls, dass er es für untragbar halte, dass Menschen, die zu Hause noch zwei
oder drei Kinder zu versorgen hätten, die gleichen Steuern zahlen müssten wie Singles. Doch für alles, was man vorhabe, müsste man erstmal Einblick darin
erhalten, was die derzeitige Regierung überhaupt noch an Mitteln "übrig lasse".
Varga zählte dann neuerlich die aus seiner Sicht ergebnislose Politik der jetzigen
Regierung an, der Fidesz rechnet die Wirtschaftskrise und ihre Auwirkungen in erster Linie den Sozialisten an, inkl. 10% Arbeitslosigkeit, Forintverfall und
fehlende Finanzstabilität. Der IWF-Deal habe alles andere als Stabilität gebracht, Ungarn könne langfristig seine ausländischen Verbindlichkeiten nicht bedienen,
wenn nicht bald Wachstum ins Land einkehrt. Dazu müsse der Staat die Anreize schaffen, anstatt kurzfristig zu sparen.
Konkret: Fidesz will die Luxussteuer (auch als Immobiliensteuer bekannt)
zurücknehmen und das Förderungssystem für junge Familien neu aufrollen. Außerdem werde man Schritte unternehmen "den realen Wert der Renten zu
stabilisieren", von einer Wiedereinführung der 13. Monatsrente war allerdings schon nichts mehr zu hören. Auch das 13. Gehalt im öffentlichen Dienst hänge
letztlich vom Kassenstand des Landes ab. Wie man steigende Ausgaben und - vorerst - sinkende Einnahmen gegenüber dem IWF, der Weltbank, der EU, also
den Rettern in der Not Ungarns, erklären will, sagte Varga nicht. Er will den Euro so schnell wie möglich einführen, legte Varga am Freitag nach. Doch wie, wenn
er die Kriterien nicht erfüllen will. Noch immer stehen auf Fidesz´ Agenda Schuldzuweisungen vor konkreten und seriösen Plänen.
Zum Thema:
Abrechnung statt Kalkulation
Der Fidesz in Ungarn verläuft sich im Irrgarten "nationalkonservativer Wirtschaftspolitik"
Kaum Spielraum
Der Staatshaushalt 2010 gewährleistet Ungarn eine Art Notbetrieb
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(c) Pester Lloyd
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