Wie Viktor Orbán in 15 Jahren die Pressefreiheit systematisch demontierte. Ungarn auf Rang 68 der Pressefreiheit laut Reporters sans frontières.
Seit Viktor Orbáns Rückkehr an die Macht im Jahr 2010 hat sich Ungarns Medienlandschaft fundamental gewandelt. Was einst als pluralistisches Mediensystem galt, ist heute ein zentral gesteuertes Netzwerk regierungsnaher Kanäle. Durch legislative Eingriffe, wirtschaftliche Hebel und gezielte Repressionen wurde die Unabhängigkeit der Presse sukzessive ausgehöhlt. Im Zentrum dieser Entwicklung steht die 2018 gegründete KESMA-Stiftung, die heute rund 80 % der ungarischen Medien kontrolliert.
Gesetzliche Instrumente: Die „Souveränitätsschutz“-Gesetze
Ein zentrales Element der derzeitigen Medienkontrolle ist die 2023 geschaffene Behörde für Souveränitätsschutz (SPO). Diese kann Organisationen, darunter Medienhäuser, die als „ausländisch beeinflusst“ gelten, überwachen, finanziell sanktionieren oder sogar verbieten. Ein aktueller Gesetzesentwurf vom Mai 2025 sieht vor, dass die SPO Organisationen, die „die nationale Souveränität untergraben“, auf eine schwarze Liste setzen kann. Dies betrifft insbesondere solche, die ausländische Finanzierung erhalten oder „liberale Werte“ wie LGBTQ+-Rechte oder Gendergleichheit fördern .
Kritiker vergleichen diese Maßnahmen mit Russlands „Agentengesetz“ und warnen vor einer schleichenden Autokratisierung Ungarns. Ungarns Regierung konterte jüngst und verwies auf Ähnlichkeit mit amerikanischen, nicht mit russischen Gesetzen. Augenwischerei, zumal die „Freedom of Speech“ zuletzt in der USA eher eine Perversion von Meinungsfreiheit gleicht.
Wirtschaftliche Kontrolle: Subventionen und Werbemarkt
Zwischen 2015 und 2023 flossen über eine Milliarde Euro an staatlichen Werbegeldern nahezu ausschließlich an regierungsnahe Medien. Unabhängige Medien wurden systematisch vom Werbemarkt ausgeschlossen, was ihre wirtschaftliche Existenz bedroht. Diese Praxis verzerrt nicht nur den Wettbewerb, sondern untergräbt auch die journalistische Vielfalt. Der unabhängige Werbemarkt ist praktisch nicht existent, da regierungsnahe Medien nahezu den gesamten Etat erhalten.
Repression und Überwachung: Pegasus und mediale Diffamierung
Unabhängige Journalisten sehen sich zunehmend staatlicher Repression ausgesetzt. Bekannt wurde der Einsatz der Spionagesoftware Pegasus gegen investigative Reporter wie Szabolcs Panyi von Direkt3. Die Regierung verweigerte bislang eine transparente Aufklärung dieser Vorfälle.
Zudem werden kritische Medien wie 444.hu oder Átlátszó regelmäßig durch regierungsnahe Kampagnen diffamiert und als „ausländische Agenten“ diskreditiert.
Der Pester Lloyd berichtet schon lange nicht mehr mit Rechtssitz aus Ungarn, da das finazielle Risiko unserer unabhängigen und Regime-kritischen Berichterstattung für uns in Ungarn nicht tragbar ist. Die Alternative – entschärfter und schlapper über die Misstände in Ungarn zu berichten – und dafür keinem Risiko ausgesetzt sein, verbietet unsere journalistische Integrität.
KESMA: Das Monopol der Orbán Medien
Die 2018 gegründete Stiftung KESMA (Zentraleuropäische Presse- und Medienstiftung) vereint über 470 Medienunternehmen unter einem Dach, darunter bekannte Titel wie Magyar Nemzet und Hír TV. Die Gründung wurde per Regierungsdekret als „von strategischer nationaler Bedeutung“ eingestuft und somit von kartellrechtlicher Prüfung ausgenommen. Praktisch, handelt es sich doch augenscheinlich um ein eigentlich illegales marketverzerrendes Kartell.
KESMA fungiert faktisch als Propagandamaschine der Regierung und dominiert heute rund 80 % der ungarischen Medienlandschaft (laut Mertek Media Monitor).
Öffentlich-rechtliche Medien: Vom Service zur Staatspropaganda
Die öffentlich-rechtlichen Medien, organisiert unter der Dachgesellschaft MTVA, haben sich von unabhängigen Informationsquellen zu Sprachrohren der Regierung gewandelt. Oppositionelle Stimmen finden dort kaum noch statt, und kritische Berichterstattung ist zur Ausnahme geworden.
Ungarns Pressefreiheit 2025 ist das Schlusslicht in der EU und auch weltweit nur im Mittelmaß – während global ohnehin schwierige Zeiten für freien Journalismus vorherrschen.
Ein demokratischer Rückschritt
Ungarn steht exemplarisch für den Abbau demokratischer Strukturen innerhalb der EU. Die systematische Kontrolle der Medien durch die Regierung Orbán gefährdet die Meinungsfreiheit und untergräbt die Grundlagen einer pluralistischen Gesellschaft. Solange die EU keine wirksamen Mechanismen zur Verteidigung der Pressefreiheit etabliert, bleibt die ungarische Demokratie zwangsmäßig auf dem Rückzug.
Quellen:
Hungary ruling party drafts bill to crack down on foreign-funded organisations
Spyware Pegasus helped target investigative journalists in Hungary
NGOs take legal action against the Sovereignty Protection Act
Press freedom and pluralism face ‘existential battle’ across EU, report finds
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