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(c) Pester Lloyd / 32 - 2009 POLITIK 06.08.2009
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Reif für die Macht?

Fidesz ist bereit für die Machtübernahme in Ungarn
und bezichtigt die Sozis schon vorab, die "schmutzigste Kampagne aller Zeiten" führen zu wollen

Während die sozialistischen Minister allmählich den Wahlkampf für wichtiger erachten als die Steuerung des Landes (unser Bericht), bereitet sich der nationalkonservative Fidesz auf die Übernahme der Macht in Ungarn vor. Um Vorwürfen die Grundlage zu nehmen, man arbeite nur gegen die Regierung und habe kaum eigene, realistische Entwürfe zu bieten, setzen die Leute von Oppositionschef Viktor Orbán Arbeitsgruppen ein, die das Regierungsprogramm vorbereiten. Zeit, um die Sozis zu beschimpfen bleibt aber noch genug.

30 solcher Arbeitsgruppen mit "hunderten Experten" sitzen in der Ferienzeit über dem Wahlprogramm, für die spätestens im Frühjahr 2010 abzuhaltenden Parlamentswahlen, dass sehr nah am Regierungsprogramm sein soll. Wahrscheinlich wird es bereits im Februar der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der frühe Zeitpunkt der Ausarbeitung hat auch den Hintergrund, dass man immer noch auf vorgezogene Neuwahlen spekuliert, wie man sie seit mehr als drei Jahren, seit der "Lügenrede" von Ex-Premier Gyurcsány, fordert.

Viktor Orbán, Fidesz-Chef, gibt die Richtung vor. Hier bei einem provokanten Wahlkampfauftritt im Mai an der Grenzbrücke zwischen der Slowakei und Ungarn in Esztergom. Foto: fidesz.hu

Die Anzeichen dafür haben sich in letzter Zeit wieder gehäuft (unser Bericht), nicht zuletzt auch wegen der wankelmütigen Haltung der Liberalen (SZDSZ), die derzeit den Sozialisten noch die parlamentarische Mehrheit sichern. Der neue SZDSZ-Chef Retkes wäre am ehesten für Neuwahlen offen, allein schon, um sich aus der Sippenhaftung zu befreien, in der sich seine Partei durch die jahrelange Zusammenarbeit mit der MSZP befindet und die das parlamentarische Fortbestehen gefährdet. Allein die Fraktion der Liberalen, ihnen voran Ex-Wirtschaftsminsiter János Koka denken nicht daran, den Rechtsschwenk von Retkes mitzumachen. (unser Bericht)

Rückkehr des starken Staates und Protektion in Zeiten der EU?

Die Leitlinie des Fidesz wird die Rückkehr eines "starken Staates" sein, äusserte vorab der Fraktionschef der Partei, Tibor Navracsis. Man sei bereits dabei, zukünftige Verwaltungsfachleute, die für führende Positionen vorgesehen sind auf die neue Linie zu schulen. Etliche von ihnen waren bereits in hohen Positionen, als der Fidesz unter Viktor Orbán zwischen 1998 und 2002 bereits einmal das Land führte.

Als zentrale Köpfe in einer neuen Regierung werden u.a. der ehemalige Direktor der Zentralbank, Győrgy Szapáry, Károly Szász, Ex-Chef der Finanzaufsicht PSZÁF sowie die beiden Aussenpolitiker Zsolt Németh und Ex-Minister János Martonyi gehandelt. Vor allem die ersten beiden sollen in einer Art Kassensturz gleich nach der Machtübernahme die Finanzen des Landes überblicken und neu ordnen und vor allem auch eine "nationale Wirtschafts- und Finanzpolitik" ausarbeiten, was immer das, angesichts der Lage und Abhängigkeiten des Landes auch bedeuten wird. Massnahmen gegen ausländische Banken und protektionistische Ambitionen werden - schon aus populistischen Beweggründen heraus - nicht ausbleiben, wie substantiell diese angesichts der Einbindung in die EU sein können, bleibt offen.

Angekündigt ist bereits, dass man auf die mit IWF und EU ausgehandelten Defizitziele nicht viel geben wird. Der jetztige Ministerpäsident hatte für 2009 eine Art Genehmigung für die Ausweitung des Budgetdefizits auf bis zu 4% erhalten, sollte und wollte aber unbedingt bis 2011 wieder stabil die 3%-Marke einhalten. Der Fidesz hingegen hat kein Problem damit auch 5-6% hinzunehmen, um dadurch z.B. Steuersenkungen vornehmen zu können. Wie die spätere Refinanzierung aussieht, ist unklar, auch wenn die Fidesz-Ökonomen meinen, damit das Wachstum ausreichend befördern zu können. Die Népszabadság, die eher linksliberal orientierte Tageszeitung des Landes, rechnete vor, dass der Fidesz für die Umsetzung seiner Pläne weitere 10-15 Milliarden EUR Kredit vom IWF bräuchte. Bajnai will hingegen ohne weitere Notfinanzierung auskommen.

Fidesz: Geheimdienstminister missbraucht seinen Posten gegen die Opposition

Ungeachtet der fachlichen Vorbereitung auf die mutmasslich todsichere Machtübernahme im Frühjahr, schilt der Fidesz den politischen Gegner in gewohnter Manier weiter. Ervin Demeter, ein Abgeordneter der Partei, warnte das Land schon einmal davor, dass "Die sozialaistische Partei die schmutzigste Wahlkampagne aller Zeiten", vorbereite. In gleichem Atemzug bezichtigte er den Minister für die Zivilen Geheimdienste, Ádám Ficsor, der angekündigt hatte, Mitte September seinen Posten zu Gusnten des Wahlkampfes zu räumen, in seiner Position als Geheeimdienstkoordinator Informationen gegen die Opposition gesammelt zu haben, um diese im Wahlkampf einsetzen zu können.

"Es ist erwiesen, dass der Geheimdienst für parteipolitische Ziele missbraucht worden ist." Demeter legte weder Beweise vor, noch konkretisierte er, welche Informationen denn gegen die Opposition benutzbar wären. Es ist zwar in der politischen Auseinandersetzung in Ungarn nicht unüblich, wild mit Beschuldigungen um sich zu werfen, die jetztigen Vorwürfe sind aber beonders dreist, weil einige Fideszpolitiker aus höchsten Kreisen selbst der Schaffung eines privaten Geheimdienstes und der Unterwanderung von Staatsstrukturen überführt wurden. (unser Bericht)

Auch sonst gibt es in diesem Jahr keine echte Sommerpause, etliche Skandale: von überhöhten Abfindungen und ungerechtfertigten Lohnfortzahlungen für Manager der Budapester Verkehrsbetriebe BKV (unser Bericht) über die Beweisfälschung des Justizministers (unser Bericht) bis hin zu Vowürfen, der geschasste Leiter des staatl. Vermögensamtes würde überhöhte Abfertigungen bekommen, halten zumindest die Medien im Dauerlauf. Gerade heute wurde wieder ein Ermittlungsverfahren gegen einen Ex-MSZP-Bürgermeister eingeleitet, allerdings auch gegen den Vizefraktionschef des Fidesz, László Küvér laufen Ermittlungen wegen Bestelchlichkeit (unser Bericht).

red.

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