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(c) Pester Lloyd / 30 - 2009 POLITIK 21.07.2009
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Die Stasi der Opposition

Ungarn: Geheimdienstchef wurde gefeuert

Der Leiter des Amtes für Nationale Sicherheit, Brigadegeneral Sándor Laborc, ist am Monatg zurückgetreten. Damit zieht er als Chef des Inlandsgeheimdienstes die Konsequenzen aus dem Spitzelskandal, der das Land vor fast einem Jahr in Atem hielt. Damals hatte eine Art Privatgeheimdienst die Sicherheitsstrukturen des Landes unterwandert und versucht, belastendes Material gegen Politiker zu sammeln. Dahinter standen dubiose Leute der Opposition wie der Wirtschaft.

Neuer Leiter des Amtes wird General László Balajti, bisher Abteilungsleiter einer Sondereinheit. Der Rücktritt erfolgte ganz eindeutig auf Drängen des Regierungschefs. Laborc wird zwar keine direkte Mitschuld vorgeworfen, aber er ist als Leiter einer so sensiblen Behörde nicht mehr tragbar.

Bei dem Skandal geht es um eine Sicherheitsfirma namens UD, die in staatlichen Stellen, u.a. beim Geheimdienst, aber auch in Ministerien für IT-Sicherheit eingesetzt wurde. Wie sich herausstellte, nutzte das Unternehmen seine Position, um Spitzeldienste gegen Politiker und Privatpersonen zu verkaufen und politisch zu nutzen. Im Dunstkreis des Unternehmens fielen viele prominente Namen, von der Opposition bis hin in höchste Unternehmerkreise. Die Ermittlungen ergaben, dass UD fast unbeschränkten und unkontrollierten Zugang zu den technischen Schaltzentralen der Macht hatte.

Unter den Bespitzelungsopfern waren auch der heutige Premier Gordon Bajnai, damals Minister für Nationale Entwicklung und die Parteichefin des MDF Ibolya Dávid. Die Generalstaatsanwaltschaft untersucht mit einem Team von Experten immer noch etliche Serversysteme auf manipulative Eingriffe, u.a. auch Systeme der Landesverteidigung und im Wirtschaftsministerium.

Die Sache flog auf, als die MDF-Chefin Dávid letzten August eine ihr anonym zugespielte CD an die Behörden übergab. Dabei stellte sich heraus, dass der Ex-Geheimdienstminister der Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán (1998-2002), Ervin Demeter, regelmäßige Kontakte zur Firma UD unterhalten habe und dieser Aufträge zwecks Informationsbeschaffung erteilte. Der Fidesz tat die Sache als "Seifenoper" der Sozialisten ab, die wie immer von ihrer Politik ablenken wollten. Die regelmäßigen Kontakte zum Chef von UD, József Horváth (während der Orbán-Zeit einer der stellvertretenden Direktoren des Amtes für Nationale Sicherheit), musste Demeter jedoch bestätigen. Das MDF ist dem auf Hegemonie der Rechten bedachten Fidesz schon immer ein Dorn im Auge. Auch die Enttäuschung über die erneute Wahlniederlage 2006 könnte eine Rolle dabei spielen, dass sich solche Netzwerke bildeten.

Hintergrund:

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