Trotz vorherigem Verbot und politischem Druck verzichtet die Polizei auf Strafen gegen Demonstrierende
Budapest. Die Budapester Polizei wird keine Verfahren gegen Teilnehmer der diesjährigen Pride-Demonstration einleiten. Dies teilte die Behörde am Montag mit und verwies auf eine Reihe von Unklarheiten und widersprüchlichen Aussagen rund um das Verbot der Veranstaltung. Die Entscheidung fällt nach Monaten politischer Spannungen, medialer Drohgebärden und rechtlicher Winkelzüge, bei denen selbst prominente Oppositionspolitiker juristische Schritte gegen sich selbst einleiteten – aus Protest gegen das staatliche Vorgehen.
Laut einer Mitteilung der Budapesti Rendőr-főkapitányság, auf die sich index.hu beruft, war der ursprünglich geplante Umzug am 28. Juni von der Polizei zunächst untersagt worden. Begründet wurde dies mit einer Terminüberschneidung mit einer angeblichen Veranstaltung der Stadtverwaltung. Die Organisatoren hätten die richterlich bestätigte Untersagung nicht angefochten, jedoch öffentlich bestritten, dass die Demonstration verboten sei, und weiterhin zur Teilnahme aufgerufen.
Tausende folgten dem Aufruf. Die Demonstration verlief ohne Zwischenfälle. Der Zug führte vom Városháza-Park über die Elisabethbrücke bis zum Műegyetem-Rakpart. Parallel dazu fand auf der Freiheitsbrücke eine Gegendemonstration einer Handvoll Anhänger der rechtsradikalen Partei Mi Hazánk statt. Deren Vizepräsident Novák Előd reichte später Anzeige gegen Budapests Bürgermeister Gergely Karácsony ein, dem er vorwarf, das Verbot wissentlich umgangen zu haben.
Einen ausführlichen Überblick über den Ablauf und die wichtigsten Ereignisse des Demonstrationstages finden Sie in unserem Liveticker:
In der Begründung für den Verzicht auf Strafverfolgung führt die Polizei an, dass „die widersprüchliche Kommunikation und das Mitwirken der Stadtverwaltung bei vielen den Eindruck erweckt haben könnte, die Teilnahme sei rechtlich unbedenklich“. Unter diesen Umständen könne nicht von vorsätzlichem rechtswidrigem Verhalten der Teilnehmenden ausgegangen werden. Eine für die Polizei sichtlich angenehmer Spin ermöglicht eine Gesichtswahrung angesichts des rechtlichen Dilemma.
Die politische Dimension bleibt brisant. Premierminister Viktor Orbán hatte am 1. Juli im Rahmen einer Veranstaltung der „Harcosok Klubja“ rechtliche Konsequenzen gegen Teilnehmer angekündigt. Hadházy Ákos, parteiloser Abgeordneter und erklärter Regierungskritiker, begrüßte die nun veröffentlichte Entscheidung. Auf sozialen Medien schrieb er: „Das ist ein großer Erfolg für all jene, die sich nicht damit abgefunden haben, dass man gegen diese Macht ohnehin nichts erreichen kann.“
Hadházy äußerte außerdem den Verdacht, dass ursprünglich Massenstrafen mithilfe eines KI-gestützten Gesichtserkennungssystems geplant gewesen seien. Die Regierung habe jedoch aus politischen Erwägungen davon Abstand genommen – nicht zuletzt, weil die Maßnahme international auf Kritik gestoßen wäre und weil es geradezu absurd anmuten würde, mehreren Hunderttausend Menschen Strafen zukommen zu lassen.
Auch Klára Dobrev, Vorsitzende der Demokratikus Koalíció, hatte öffentlich Stellung bezogen und sich demonstrativ selbst angezeigt. Im Interview mit index.hu betonte sie: „Ein Politiker, der für die Menschen spricht, hat die Pflicht, sich nicht zu verstecken. Ich werde mich nicht hinter meiner Immunität verschanzen.“
Titelbild: Ungarische Polizei beim passiven Warten im Auto. Photo: Wikicommons
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